Das Wort 'Klischee' stammt ja aus dem Französischen. Die Band Kerion auch. "Cloud Riders Part 1: Road To Skycity" ist laut offizieller Zählweise ihr drittes Studioalbum - zuletzt hatte man das alte Material der ersten Demos zu Studioalbum Nummer zwei neu aufgenommen und dem Ganzen passenderweise den Namen "The Origins" verpasst. Die Ideen für nigelnagelneues Material konnten also für längere Zeit reifen. Das Ergebnis ist ein sehr aufwändig arrangiertes, opulentes Symphonic Metal-Werk mit vielen, vielen Klischees. Dieses Warnschild sei gleich zu Beginn aufgestellt. Aber dieses Mal lohnt es sich, Mut zu haben, und reinzuhören. Warnungen zu ignorieren, das kann ja sehr aufregend sein. In diesem Falle ist das so!
Klischee bedeutet nämlich noch lange nicht Klump. Denn was Kerion da machen, das machen sie richtig. Sie ziehen das voll durch und scheuen keinen Aufwand. Das fängt schon beim Konzept an. Denn "Cloud Riders Part 1: Road To Skycity" liegt eine komplette Geschichte zu Grunde. Es ist ein Piratenabenteuer (siehe Songtitel wie "Bounty Hunter"), das aber im Weltraum spielt ("The Sky Is My Ocean", aha!). Dazu gehört auch ein komplettes Artwork von 'World Of Warcraft'-Zeichner Genzo. Piratenmäßige Science Fiction im monumentalen Retro-Look - es sieht ein bisschen auch wie ein Mix aus 'Pirates Of The Caribbean', 'The Lord Of The Rings' und 'Star Wars'.
Die Musik bildet dazu den Soundtrack - durchaus erwartbar, aber überraschend gut. Wir erleben einen epischen Power Metal mit speedigen Double Bass-Passagen und majestätischen Hymnen. Die Melodien gehen gnadenlos ins Ohr, sind aber gar nicht platt. Die Instrumentalisten haben ordentlich was auf der Pfanne, und so überrascht die Rythmussektion mit kreativer Detailarbeit, die aus jeder Strophe, jedem Chorus und jedem Break ein Stück Erlebnisakustik macht. Zahlreiche orchestrale Elemente machen den Klang der Band ungeheuer vielschichtig - mal monumental schwer, mal leicht und verspielt. Elektronische Effekte - hier und da, nicht übertrieben - verpassen dem vielfältigen Sound dieser Scheibe auch moderne Tupfer.
Fans von Avantasia werden die epischen Tempo-Hymnen lieben, Kamelot-Jünger sich über die technische Güteklasse freuen. Freunde von LTRhapsody wissen, wie man mit einem Orchester Heavy Metal macht und kommen auch hier auf ihre Kosten. Und wer Nightwish oder Epica mag, der schätzt den Mix aus weiblichem und männlichem Stimmanteil. Kerion auch. Sängerin Flora überzeugt schon alleine, sowohl bei pushenden Metal-Hymnen, wo man durchaus mal an HolyHell erinnert aber zugleich wesentlich facettenreicher bedient wird, als auch im Balladenbereich - "The Sky Is My Ocean" und "Celtica's Song" sind zuckersüße Teile ohne Schmalz und Plastik.
Und immer wieder gesellen sich Gesangsgäste hinzu: Raphael Dantas ( Caravellus), Philippe Giordana ( Fairyland) und Adrien Eyraud ( Silent Fall) besitzen höchstens Branchen-interne Prominenz; ihr Zutun produziert aber durchaus Highlights. Der Grave Digger-like, fiese Sprechgesang in "Bounty Hunter", die cleanen Lead Vocals beim galoppierenden Melodic-Geschoss "Never More" oder die Growls bei "Fireblast" - alles klasse Hinhörer. Die Herren der Schöpfung tun ihr Werk nicht allein, sondern stets im Wechsel mit Flora. Und wenn bei "Fireblast" auch mal parallel exerziert wird - grantig und kehlig plus edel und elegisch - dann entstehen Songs, bei denen man sofort mitgeht und sich sagt 'wow, das isses!'
An solchen akustischen Auffälligkeiten ist das Album extrem reich. Neoklassisches Gefrickel, barocke Cembalo-Klänge, Mittelalter-Flöten, Didgeridoo und Buschtrommeln - Kerion machen die Mischung sehr bunt, aber sich selbst dabei nie lächerlich. Das handwerkliche Know-how ist groß, und Spielfreude und Kreativität treiben die Band derart an, dass es kaum zwei gleich klingende Strophen oder Refrains gibt. Ständig wird hier eine Atmosphäre verdichtet und da ein Drive variiert, hier eine Spannung verschärft und da die Rhythmik angespitzt. Die vielstimmigen Gesänge inklusive großem Chor sind packend arrangiert, die Hooklines wiederholen sich nicht, und die Dramaturgie der Stücke mit Überlänge wirkt wie aus einem Guss.
Was soll man dazu sagen? Ein Album voller Klischees, auf dem es keine langweilige Minute gibt. Auch das darf es geben! Nicht einmal einen nervigen Akzent im Gesang gibt es zu kritisieren. Und dabei lässt einen doch eigentlich schon das Cover mit den Augen rollen ... aber nix da. Statt eines Verrisses gibt es Freude mit Vorfreude - schließlich deutet der Titel "Cloud Riders Part 1: Road To Skycity" ja an, dass es eine Fortsetzung geben wird.
Line-up:
Rémi (guitars)
Sylvain (guitars)
Flora (vocals)
Stéphane (bass)
JB (drums)
Guest vocals:
Raphael Dantas
Philippe Giordana
Adrien Eyraud
Rimiez Choirs
Tracklist |
01:Rider's Theme [Intro] (2:53)
02:The Map (4:45)
03:Everlasting Flight (4:27)
04:Bounty Hunter (6:25)
05:The Sky Is My Ocean (4:26)
06:Fireblast (5:49)
07:Tribal Vibes (6:44)
08:Never More (5:03)
09:Celtica's Song (4:46)
10:Ghost Society (7:03)
11:The Fall Of The Skycity Part 1 (1:39)
12:The Fall Of The Skycity Part 2 (8:13)
13:Rider's Theme [Outro] (1:26)
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Externe Links:
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