Kild / Smallness Towards The Secret
Smallness Towards The Secret Spielzeit: 57:05
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2010
Stil: Indie Rock

Review vom 21.11.2010


Boris Theobald
Unter Kontinentalverschiebung hatte ich bis jetzt etwas anderes verstanden. Kild sind so eine Art 'musikalischer Kontinentaldrift'. Die Anfang 2008 zusammengekommene Band kommt aus der Gegend um Mailand in der Lombardei, klingt aber zuweilen ziemlich britisch. Ausnahmen sind freilich vorhanden, aber über weite Strecken hört man dem Debütwerk "Smallness Towards The Secret" schon an, dass insulare Jahrhundertkünstler wie die Beatles oder Pink Floyd deutlich in den Sound der Band Eingang gefunden haben.
Die Gruppe selbst nennt da unter anderem noch Genesis, was ich nur sehr bedingt nachvollziehen kann ("Calling All Stations", vielleicht) ... und Radiohead - ja, das kann man durchaus auf der Verpackung stehen lassen, ohne dass gleich eine EU-Richtlinie gegen Verbraucher-Fehlinformation greift. Aber Kild rocken im Vergleich viel härter und direkter, der Gesang Fabio Roveronis ist straight und präsent (wenn auch nicht frei von Akzent) und die elf Premieren-Songs gehen sehr gut ins Ohr. Die Norweger von Motorpsycho stehen auch auf der Lieblingsliste von Kild. Daher der avantgardistisch-chamäleonhafte Alternative-Touch. Kild kommen aber öfter 'auf den Punkt'; man braucht nicht so viel Geduld.
Einige der Stücke sind wahre Kunstwerke, obwohl die Spielzeiten nicht all zu episch ausfallen. Sie beginnen introvertiert, bauen stetig Dynamik und Lautstärke auf bis zu einem Maximum, an dem sich alle Energie entlädt, sich Spannung zersetzt und der Song fast 'geresettet' wird. Die Stücke atmen und pulsieren, kehren Gefühle von innen nach außen, zeigen sich binnen Minuten mehrfach leise und introvertiert sowie wuchtig und expressiv. Sie dehnen sich aus und ziehen sich wieder zusammen - große Wellenbewegungen, von denen man sich gern mitreißen lässt. Eine Art 'Heavy Psychedelic Indie Alternative Progressive Art Rock'.
Sehr lebendig und intuitiv ist zum Beispiel "Earth Dance". Es beginnt mit leisen, entfernt wirkenden, verzerrten Gitarren zum einleitenden Gesang. In der nächsten Stufe sind Gitarren und Schlagzeug dann ganz nah und präsent und liefern einen ungeheuer positiven Drive mit einem Hauch von U2 zu teils gedoppelten Gesangslinien. Die Gitarren werden lauter, intensiver, verschmierter - man kann sich gut vorstellen, dass Kild live auf der Bühne richtig Krach machen! Dann werden gleich einige Stufen bergab auf einmal genommen - psychedelische Sphären samt Vogelgezwitscher, bevor sich der Song dann wieder nach oben schraubt.
So geht das häufiger - experimentelles Quietschen und Knarzen von Gitarrensaiten als Übergang zwischen emotional schwelgenden Atmosphären und energischem Powerplay. Wirklich gekonnt, wie die Stimmungen völlig ungekünstelt ineinander greifen. Die Songs rocken, mal dramatisch, mal optimistisch, und klingen im nächsten Moment schon wieder nachdenklich und melancholisch, wie zum Beispiel beim impulsiven "Joyfulness". Während man mal mit "MTBiker" einen sehr straighten Rocker präsentiert, gibt es auch ein sehr experimentelles Stück wie "In His Likeness" mit skurilen Sounds und Stimmungen. Neo-floydig-schwebende Passagen à la Sylvan oder RPWL 'explodieren' in alternativ-verschrubbelte, laute Chor-Shouts.
Dieses intensiv erlebbare akustische Geflecht aus Emotionen ist das Markenzeichen von Kild. Als ein Highlight kristallisiert sich das in allen atmosphärischen Großwetterlagen eher kontemplative "A Place Inside Of You" heraus - ein getragenes Tempo, ein großartiger Groove, der den Stimmungen des Stücks einen großen Tiefgang verleiht. Und "Dear Friend", das sich rund um die typischen, hart rockenden Crescendos jazzig verspielt gibt, mit einem geheimnisvoll klingenden Bass-Groove und einer Latin-angehauchten Melodie. Das klingt durchaus skurril und bleibt im Ohr. Und überhaupt hinterlassen die Stücke von Kild einen nachhaltigen Eindruck; ein facettenreiches, tief gehendes Hörerlebnis!
Line-up:
Fabio Roveroni (vocals, guitar, keyboard)
Marco Leo (guitar)
Ferdi Mazzuca (bass, backing vocals)
Alle (drums, percussion)
Tracklist
01:Dear Friend (5:25)
02:Earth Dance (6:29)
03:Philosophy (6:16)
04:Here In My Bedroom (4:20)
05:Joyfulness (4:04)
06:In His Likeness (3:56)
07:The Necessary Food (5:00)
08:Your World (4:34)
09:MTBiker (4:22)
10:A Place Inside Of You (6:15)
11:Afterall (3:50)
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