Gut anderthalb Jahre ist es her, dass die Londoner Sleaze-Metaller von
King Lizard mit ihrem
Debüt aufwarteten und auf breiter Ebene gute Kritiken einheimsen konnten. Die Attitüde, die Musik, die Texte - alles kam mächtig fett rüber und auch unser geschätzter Kollege
Moritz konnte sich einen 'Tipp' für die Leser nicht verkneifen. Da ist dann schon eine gewisse Spannung gegeben, wenn das Scheibchen aus dem harmlosen Promo-Pappschuber endlich in den Player darf. Das Cover sieht schon mal vielversprechend aus, ganz anders jedoch als die fotografische Darstellung eines Echsenkörpers vor dem Hintergrund eines weiblichen Dekolletees auf dem Debütalbum - oder war es andersrum? In kruder Comic-Manier drängt sich dieses Mal dem Betrachter ein giftgrüner Vamp im Stile der weiblichen Fans unserer Herren hier entgegen. Dazu gibt es noch ein Potpourri aus Greenbacks, Kreditkartenbelegen, Gitarren und Bierdosen vor der Kulisse einer nächtlichen Skyline - halt ein echter Nachtmahr.
Die Riesenechsen haben sich einiger Wechsel im Line-up unterzogen seit "Viva La Decadence" erschienen ist und auf der "Nightmare" präsentiert man die beiden Neuen erstmalig.
Lee Benz bedient mittlerweile den Bass und an den Trommeln sitzt der Mann mit dem schönen Namen
Moyano El Buffalo. Wie bisher stehen
Flash Roxx Sawyer am Mikro und
Niro Knox an den Gitarren, Ersterer bereits seit Gründung der Band vor zehn Jahren.
Mit dem "Nightmare" legen sie nun ihr zweites Werk vor, das unter Mithilfe des Produzenten
Pedro Ferreira (u. a.
The Darkness,
Tank,
Enter Shikari) in den Londoner Snap Studios entstanden ist. Mit einer kernigen Vorlage wie "Viva" ist es ja schon nicht leicht, den Standard zu halten, aber
Guns N' Roses' Söhne im Geiste haben sich redlich Mühe gegeben, nicht hinten runterzufallen. "Come Get Some" ist als Titel für einen Opener kaum passender zu wählen und auch das anfängliche Riffing gibt einen geladenen Einstand. Da wird direkt mit allen musikalischen Registern gearbeitet, die Gitarre, Bass und Schlagzeug so zulassen. Auch durch des Fronters beinharten Gesang werden schon zu Beginn alle Fragezeichen ob der noch vorhandenen Authentizität vom Tisch gefegt. An zweiter Stelle kommt "Kneel To The King" noch um einen Zacken härter und dreckiger aus dem Kreuz. Schon beim ersten Durchlauf tackert sich die mehrfach wiederholte Textzeile
»You can shove it where the sun don't shine« in den Gehörgängen fest. Weitläufig bekannt ist der Spruch zwar, aber dennoch herzlich erfrischend von den Jungs rübergebracht. Nummer drei im Bunde, das ein wenig an
Mötley Crüe erinnernde "I Can't Be Your Lover", geht u. a. durch seine Melodieführung und die feinen Gitarrenpassagen hervorragend ins Ohr.
Es folgen zwei Tracks, die vom Titel her auch durchaus Coverversionen sein könnten: "Hair Of The Dog" und "I Want You To Want Me". Ersterer rockt mit durchgetretenem Gaspedal vollkommen am gleichnamigen Song von
Nazareth vorbei, weiß besonders durch einen coolen Wechselgesang zwischen
Sawyer und wem auch immer im Hintergrund zu überzeugen. Beim zweiten Titel standen, wer hätte es gedacht, auch nicht
Petersson, Zander, Nielsen & Carlos Pate. Ein dreckig anmutender Gesang, tolles Riff, treibender Bass und hell klingende Becken machen aus diesem Stück, nicht zuletzt wegen der Instrumentalpassage in der Mitte und der interessanten Rhythmenwechsel, einen der Vorzeigetracks auf diesem Album - alles andere als ein Nightmare!
Stichwort Nightmare: Auch der Titelsong hat die fetten Elemente, die man bei einer kernigen Sleaze Metal-Produktion hören möchte. Für mich ein Song, der sofort die inneren Bilder in Gang setzt, die Combo auf die Bühne projizieren und sie diesen Hammer zelebrieren lässt.
»No job, no cash, no future«, so besingen sie die Aussichten des loserhaften White Trash - dazu beim mehrstimmigen Refrain coole kurze Passagen, die an Songmaterial von
The Sweet erinnern ("Teenage Rampage" lässt grüßen).
Dass die Briten auch im balladesken Bereich ihre Qualitäten haben, konnte man ja schon auf dem Vorgänger hören. Nun haben sie mit "Just To Hear You Say It" eine weitere klasse Nummer der Marke Powerballade ohne Schmalz komponiert. Ein durchaus interessanter Spannungsbogen macht das Stück besonders durch seinen Refrain fast schon zu einer Art Ohrwurm. In "This Ain't Love" lehnt sich Sänger Sawyer stimmlich einerseits ein wenig an Axl Roses Schulter, andererseits klingt er wie die frühen Punks aus dem Londoner Eastend - tolles Finale, geile Nummer.
Nach dem akustischen Outro bei "This Ain't Love" kriegen wir mit "Hard To Get" wieder die volle Packung. Dieser Song war bereits 2007 auf der damals erschienenen 5-Track-EP "Late Night Dynamite" in etwas zivilerer Form enthalten. Mit "Down" und "Waterloo Ratz" werden wir dann endgültig aus der Scheibe geschmissen. Letzteres Stück ist ja ebenfalls kein neuer Song, aber das macht nix! Kaufen!!