Musik ist nicht gleich Musik; Musik kann zu verschiedensten Anlässen passen und die unterschiedlichsten Stimmungen heraufbeschwören, befördern oder kaputt machen. Nun würde ich King Of Agogik nicht gerade auflegen, um Party zu machen und Bräute aufzureißen. Funktionieren könnte das höchstens bei knobelfreudigen Mathematiklehrerinnen und abgedrehten Jazzmusikstudentinnen. Denn hinter dem King Of Agogik verbirgt sich auch auf Album Nummer vier der Schlagzeuger Hans Jörg Schmitz. Und der 'King' zeigt mal wieder auf mehr als 77 Minuten Spielzeit, wie schräg man eigentlich Takte teilen und Zählzeiten zelebrieren kann.
Schmitz ist nicht allein. Wie gewohnt hat er zur musikalischen Unterstützung eine Menge musikalischer Kompagnons zusammengetrommelt (no pun intended ...). Darunter sind einige Leute, die man von den Vorgängeralben kennen kann, aber auch ein paar neue Musiker mit neuen Instrumenten - Ralph Chambers und sein Saxofon, die beiden sind zum Beispiel neu. Außerdem agieren neben Bassern, Tastenmenschen und akustischen wie elektrischen Gitarreros auch Menschen mit Flöten und Mellotron. Schon die Instrumentierung verrät, dass Einschläge von Ur-Proggern wie Yes und Genesis vorhanden sind.
Vergleiche sind bei Hans Jörg Schmitz aber nur äußerst punktuell machbar, denn seine Kompositionen sind bisweilen ganz schön sprunghaft bis nahezu avantgardistisch! Aber nicht unzusammenhängend ... Bestes Beispiel: die insgesamt mehr als 33 Minuten des zweigeteilten Titelstücks, bestehend aus den Teilen "From A ..." und "... To A" - und das ""A Theme" gehört eigentlich auch noch dazu. Das Ganze ist ein aberwitziger Variationsreigen, basierend auf einem simplen Thema, einer Dreiermelodie, die gleich zu Beginn in Form eines verträumten Glockenspiels erklingt und alsbald in gefühlten 1729 Tempo-, Rhythmus-, Stimmungs- und Klangfarbenvariationen durchexerziert wird (Was Bach und Händel konnten ...).
Und dabei bleibt der Fokus doch immer auf dem Schlagzeug! Während zumeist diverse Keyboards den Melodie- und Gitarren den Rhythmusbereich beackern, zerreißt Schmitz an seiner Schießbude alle Lehrbücher des Planeten in der Luft, um sie in neuen kreativen Kombinationen wieder zusammenzustecken. Das Ergebnis sind Fragmente unterschiedlichster Rhythmen, Tempi und vor allem auch Atmosphären, die dicht gedrängt aufeinander folgen. Aggressiver Bombast, hektische Drives und verträumte bis psychedelische Ruhephasen folgen einander in einem teils sehr abrupten bis aufwühlenden Auf und Ab der Spannungen, garniert mit einem wahren Volksfest von Fills.
Zu den vielen Gesichtern des King Of Agogik zählen hierbei schwergewaltige Riff-Walzen, Fusion-artige Grooves (klasse: der Chapman Stick bei "Free Water"), aber auch leichtfüßige, gewitzte Passagen, die wie ein Tolpatsch-Soundtrack zu einem Slapstick-Film anmuten. Und allen Atmosphären ist ein gewisser surrealer Touch gemein ... es mutet an wie eine Ausstellung für die Ohren, bei dem der Hörer alle paar Takte in eine völlig neue klangliche Traumwelt eintritt, Geräusche inklusive. Referenzen sind Mangelware, aber hin und wieder erinnern Hans Jörg Schmitz' pfiffig-originelle Prog-Variationen an Neal Pearts Soli mit melodischem Ü-Effekt - sicherlich ein Einfluss. Leicht verdaulich ist das nicht - "From A To A" ist was für Besserhörer mit Lust am Abenteuer, und sicherlich hochinteressant für ambitionierte Trommlergenossen.
Und für Obertrommler Hans Jörg Schmitz ist "From A To A" wohl eine ganz besonders persönliche Platte, denn sie ist voll und ganz seiner Heimat Andernach gewidmet. Nicht umsonst ziert auch der Runde Turm, das Wahrzeichen der Stadt, das Cover der CD. Er selbst bezeichnet das Album als persönliche musikalische Reise durch die Geschichte Andernachs mit wahren und auch fiktiven Ereignissen ... schon das Artwork im anspruchsvoll gestalteten Booklet bietet einen interessanten Mix aus historischen und fantastischen Bildern. Grund genug für RockTimes, per Interview nachzufragen!
Line-up:
Hans Jörg Schmitz (drums, percussion, keys, bass, guitars)
Peter Simon (oboe, flute)
Wendy Hirst, Gernot Jonas, Alanda Scapes (voice)
Dago Wilms (guitar)
Michael Elzer (Chapman stick)
Phillip Schmitz (Spanish guitar, Ebow)
Peter Simon (flute)
Ralph Chambers (sax)
Michael Kreutz (bass)
Erik Vaxjö (mellotron)
Gary Farmer (bass)
Enno Nilson (keys)
Tracklist |
01:12 B.C. (5:00)
02:From A ... (21:36)
03:Moonboys (0:55)
04:Bongen (4:39)
05:Capricorn (1:31)
06:Early Bird And The Edible Dormouse (4:44)
07:Personal Jungle (6:40)
08:Free Water (6:05)
09:"A" Theme (1:08)
10:Tanks On High Street (4:18)
11:Blue Tears (2:50)
12:... To A (11:14)
13:NOW (6:36)
|
|
Externe Links:
|