Und ich hab immer gesagt: Ich brauche dieses Buch! Nun ist es so weit; für diese CD-Besprechung zücke ich "Klingonisch für Fortgeschrittene - Der offizielle Sprach- und Reise[!]führer" aus meinem Bücherregal. Denn die Berliner Masken- und Musiktruppe Kosmic Horrör macht klingonische Rockmusik. Und ich finde, das wird auch mal Zeit! Wie der Name schon andeutet, sind die "Zarkov Protocols Vol. 2" bereits das zweite Album einer Trilogie, basierend auf dem Buch von Bandkopf Christian Kumpe, "Zarkov Protokolle".
Der hat sich als Ethnologe und Sci-Fi-Jünger mit dem Phänomen Kunstsprache beschäftigt und das Klingonische (tlhIngan Hol) für sich entdeckt. Wobei natürlich auch das traditionelle Alt-Klingonisch (no'Hol) nicht zu vernachlässigen ist, in dem noch heute Geschichten erzählt und Rituale durchgeführt werden. Und wer jetzt denkt, Christian Kumpe und ich gehören in die Klapse, oder zumindest vier Wochen auf Risa, um mal wieder runterzukommen... nein, nein, es gibt die Sprache ganz ernsthaft, samt kompletter Grammatik und sogar regionaler Varianten, erfunden und entwickelt von Marc Okrand.
Als Trekker kennt man den Klang des Klingonischen. Hört sich an wie eine Mischung aus Russisch, Arabisch und Bayrisch und ist kaum sekretfrei über die Lippen zu kriegen - auch wenn man's beherrscht ist das die falsche Fremdsprache, um beim ersten Treffen mit den Schwiegereltern Eindruck zu schinden. Und ja, Kosmic Horrör singen, grunzen und röcheln auf "Zarkov Protocols Vol. 2" zu bestimmt 80 Prozent auf Klingonisch. Es handelt sich meist um eine Art Sprechgesang der aggressiveren Sorte, ein bisschen wie das Krümelmonster nach Brom-Inhalation. Und für Star Trek-Fans sei gesagt - bei der Ehre des Kahless - das klingt wirklich authentisch!
Überrascht werden Kenner aber davon sein, dass Klingonen eben nicht nur ihre Trink-, Kampf- und Jagdlieder und ihre donnernde Oper im Neun-Ton-System kennen und lieben, sondern auch beinharten Rock. Komsic Horrör beweisen es. Der Klingonen Rock klingt aber trotzdem so bombastisch wie die Klingonen-Oper, und so Blutwein-beseelt wie die traditionellen Heldenlieder. Furchteinflößende, tief gelagerte Mid-Tempo-Riffs, dick wie Gagh-Soße, dienen dem erwartet unfreundlichen Gesang als Grundlage. Alles einfach gestrickt, etwas mechanisch, fast in Richtung Industrial, mit stärkerem Gothic- und dank reichlich Elektronik auch Wave-Touch. In den Refrains antwortet des Öfteren ein monströser Klingen-Chor. Es klingt einschüchternd, doomig. Wunderbar, so soll es sein.
Witzigerweise erinnern mich "weak urthers" und vor allem "Bom Mey Kuv" (was für eine arschtretende Faust-in-die-Luft-Nummer!!) an die finnischen Maskenträger von Lordi. Diese Vergleich ist rein musikalischer Natur und hat nichts mit äußeren Erscheinungsbildern zu tun... aber vielleicht ist es doch kein Zufall, sondern es passt irgendwie zusammen. Musikalisch überrascht das Classic-rockig und psychedelisch angefixte "manmachine" mit Akustikgitarre und surreal verfremdetem Gesang - ein bisschen Deep Purple meets Type O Negative. Und sprachlich die übergangslosen Wechsel ins Englische, z.B. im Chorus von "4kt", oder ins Deutsche, z.B. bei "vISov'be | BischofB", das tierisch nach Rammstein klingt:
»Du bist eine Waffe ohne Würrrrde,
bist ein Roboterrrrrrrr in Errrrdlingsgestalt!«
Zwischen den Songs gibt es angemessen kurze Zwischenstücke mit spacig-psychedelischem Weltraum-Gewummer sowie Erzählparts - damit man schön mitkommt, nicht nur auf Klingonisch - unterlegt mit spannungsfördernden Drones und Samples. Erzählt wird die Geschichte Zarkovs, eines menschlichen Wissenschaftlers, der bei der Erforschung der Klingonen gefangen genommen wird (die Story spielt daher wohl vor dem Friedensabkommen von Camp Khitomer im Jahr 2293). Nach Jahren der Folter kommt er frei, wechselt die Seiten und hilft dem klingonischen Geheimdienst, einen irdischen Missionarsroboter, den Androiden 'BischofB', umzuprogrammieren, um ihn selbst zu Propaganda-Zwecken zur Erde zu schicken...
Kosmic Horrör klingen nach kreisenden Bat'leths, wie zehn Klingonen in der Offiziersmesse eines Bird Of Prey vor einer bedeutsamen Schlacht, den Tisch gedeckt mit Pipius-Klaue, Bregit-Lunge und Zilm'kach zu Blutwein und Chech'tluth. Und ja, es trieft vor Klischee. Aber es macht verdammten Spaß. Denn Kosmic Horrör ziehen das voll durch, inklusive aufwändig aufgetragenen Bühnen-Makeups bei Live-Auftritten... und vor allem: Sie machen das spitzenmäßig gut. Somit sind die "Zarkov Protocols Vol. 2" nicht nur ein Fest für Xenolinguisten, sondern auch für Star Trek-Fans. Aber ganz sicherlich nichts für Romulaner, Ferengi oder Menschen, die ihr Racht essen, wenn es schon halbtot ist.
Qapla'!
Line-up:
Christian Kumpe alias Zarkov (vocals, narrator)
Christian Kuhlmey alias QeL (drums, backing vocals)
Mathis Richter-Reichhelm alias BischofB (vocals, guitar, electric violin, synthesizers, Thermin)
Michael Postmann alias Mortok (guitar, backing vocals)
Detlef Strüb alias QaS (bass, backing vocals)
Tracklist |
01:protocol VI (2:27)
02:puchDaq Da pub (4:17)
03:intercom 1 | trek to the stars (0:29)
04:vISov'be | BischofB (2:58)
05:intercom 2 (0:04)
06:4kt (3:26)
07:truth as a weapon (1:47)
08:protocol VII (1:42)
09:zarkov 2 (3:53)
10:weak urthers (3:21)
11:protocol VIII (1:56)
12:Bom Mey Kuv (2:30)
13:K'Tinga (3:35)
14:manmachine (4:12)
15:x-ploding (4:41)
16:ISqu' (2:29)
17:note 1 (1:07)
18:lichtermeer (4:02)
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