'Electric Ensemble'... so heißt das jetzt also! Das war einer meiner ersten Gedanken beim Titel des Albums. 'Electric Ensemble' - genau, das ist eine Rockband. Aber der Star der Veranstaltung ist dieses Mal Adriana Nathalie Plaza Engelke als Solistin am Flügel. Das "Concerto For Piano And Electric Ensemble" ist bereits das sechste Studioalbum der spanischen Band, die Carlos Plaza einst 1999 als Soloprojekt gründete. Über die Jahre wurde aus Kotebel mit dem passenden Personal etwas Festes. Und ebenfalls personeller Entwicklungen geschuldet wurde aus Kotebel Ende 2007 nach dem Weggang der Sängerin eine reine Instrumententruppe. Schon bemerkenswert genug, dass man sich damit gern arrangiert hat - Kotebel haben im Instrumentalen ihre Erfüllung gefunden und sich zum international gefragten Act bei Art Rock-Festivals gemausert.
Den Hang zum Außergewöhnlichen beweisen sie mit diesem ambitionierten Album, dessen erste dreiviertel Stunde aus dem 'Concerto' an sich besteht, untergliedert in vier Teile. Dabei orientieren sich Kotebel aber nicht zuvorderst an 'klassischen' Vorgaben, wie es der Titel vermuten lassen könnte. Vielmehr handelt es sich um ein Stück Progressive Rock... der besonderen Sorte. Außer der Pianistin nehmen daran ein E-Basser teil, ein Schlagzeuger, ein Gitarrist mit E- und Akustikmodell sowie der Autor des Ganzen, Carlos Plaza mit seinen beiden Synthesizern. Mit hypnotischen Mellotron-Teppichen und dramatischen Streichersounds trägt er maßgeblich dazu bei, dass Kotebel sich klanglich zu 'klassisch' klingenden Prog-Bands hinzu sortieren. Die brummeligen Basslines und das versiert-verkniffelte Schlagzeug tun ihr Übriges dazu.
Wenn sich alles ganz dicht zusammendrängt, wenn die Keyboards auf Orgel getrimmt sind, wenn der Bass am pumpen ist und die verzerrte Gitarre drauf los rockt, dann klingt das schon mal nach Spock's Beard'schen Instrumentalexkursionen ... mit erhöhtem Piano-Part! (Kennt noch jemand außer mir die außergewöhnlichen ' Genesis For Two Grand Pianos'-Bearbeitungen?!) Adriana Plaza spielt mal klassisch-virtuos, mal lyrisch-verträumt, mal cool verjazzt, mal monumental-dramatisch, liefert Melodie und Rhythmus zugleich - und das Ganze auch schon mal in rhapsodischem Mix. So vertiefen Kotebel das Prog-Hörspiel mehr als das Gros der Prog-Genossen und tüfteln sich auf kleinere Detailebenen herunter - da, wo man keine 'Rücksicht' auf Gesangsparts nehmen muss. Tatsächlich geben sie sich nicht der Versuchung hin, große, hymnenhafte Hooklines zu schreiben, an denen man sich als Musiker bequem entlang hangeln könnte und die den Hörer mit 'Grobem' abservieren.
Nein, Kotebel mögen es kleinteilig und fordern Aufmerksamkeit. Wenn man aber gewillt ist, diese aufzubringen, dann lohnt es sich mitzuverfolgen, wie die Musiker immer aufs Neue rhythmische Muster und Melodien erarbeiten, weiterspinnen, verwerfen und wieder aufnehmen. Besonders das Klavier sendet viele Impulse aus - kleine, markante Figuren, über die Gitarre oder Keyboard solieren können. Mit extrem kurzen Vorlaufzeiten changiert Pianistin Adriana Plaza als Vorarbeiterin zudem Tempo und Intensität der Ausführungen. Die atmosphärischen Bögen, die sie spannt, reichen von romantisch bis avantgardistisch. In balladenhaften und in dramatisch-wirbelnden Solo-Parts sorgt die Klavierstimme kurzfristig für Bewunderung, während ansonsten jedoch die Gitarre öfter und schneller ins Ohr geht und dort bleibt. Aber so ist das eben.
Und - zugegebenermaßen: Mit der Zeit erschöpft sich das Hinhörpotenzial etwas. Oder, anders ausgedrückt: Wenn die Konzentration beim Hören nachlässt, driftet die Aufmerksamkeit schnell ab. Kotebel machen es einem auf der einen Seite nicht einfach - auf der anderen Seite ist das aber auch der Anspruch, den die Band mit ihren anspruchsvoll verproggten Kompositionen voller harmonischer Spannungsspiele hat. Dennoch: Die Band hätte ihren Bezeichnungen von Tempo und Anmutung besser gerecht werden können. "Adagio Maestoso", "Lento Cantabile", "Vivo Scherzando" und "Allegro Moderato" lassen sich gefühlt nicht wirklich so sortieren - jedes Stück pendelt hin und her zwischen ganz vielen verschiedenen Anmutungen. So wirken die Titel etwas beliebig.
Aufgenommen wurde das "Concerto For Piano And Electric Ensemble" in einem Madrider Studio - natürlich 'live', alle zusammen. Die komplette Aufnahme in vier Parts kann man auf der beiliegenden DVD bewundern. Jeder der Akteure wurde von (mindestens) einer Kamera beobachtet - der Zusammenschnitt erfolgt mit Hilfe eines variabel gesplitteten Bildschirms samt Überblendungen und sich ineinander schiebender Bilder. Prima gemacht - man hat immer die spannendsten Bilder vor Augen. Und man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Extrem beeindruckend, wie versiert die Band an ihren Instrumenten zu Gange ist und wie unfassbar tight alle zu jedem Zeitpunkt zusammenspielen, während zugleich die agogische Ebene wunderbar zur Geltung kommt. Wo man beim bloßen Hören schon mal den Faden verliert, bleibt man mit dem Auge staunend dabei. Besonders Adriana Plaza ist hier hervorzuheben, großartig. Selten habe ich eine lohnenswertere Bonus-DVD gesehen.
Dabei sollen aber keineswegs die restlichen Tracks des Albums unerwähnt bleiben. "The Flight Of The Hippogriff (Part I)" hat durch ein mitwirbelndes Saxofon automatisch viel 'Ur-Proggiges' à la Proto-Kaw an sich. "Dance Of Shiva" findet auf einer recht experimentellen Ebene statt, da nur Keyboards und Percussion verwendet werden. Da gibt es viel Atmosphärisches - verquert, surreal, spannend. Und "The Flight Of The Hippogriff (Part II)" beschließt das Album mit einem eher zurückgelehnten, coolen Groove. Die atmosphärischen Spannungen und harmonischen Sperenzchen der guten Stunde Spielzeit zuvor werden nochmal angedeutet, aber nicht mehr auf die Spitze getrieben - fast wie ein Sinnieren über das Gehörte. Und das ist hochklassig, aber eben auch... 'speziell'. Nix für jeden. Nix für jeden Tag. Nix für Menschen mit Konzentrationsschwierigkeiten. Aber etwas ganz Besonderes, um einem Prog-Fanatiker zum Geburtstag zu schenken. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass er 'einfach mal so' auf diesen spanischen Schatz stößt, ist wohl gering.
Line-up:
Carlos Franco Vivas (drums, percussion)
César García Forero (electric, acoustic and Spanish guitar)
Jaime Pascual Summers (bass)
Adriana Nathalie Plaza Engelke (acoustic grand piano)
Carlos Plaza Vegas (keyboards)
Guest musician:
Fran Mangas (saxes)
Tracklist |
Act One - Hamartia
01:Adadio Maestoso (12:08)
02:Lento Cantabile (7:18)
03:Vivo Scherzando (9:27)
04:Allegro Moderato (14:28)
05:The Flight Of The Hippogriff (Part I) [4:59)
06:Dance Of Shiva (7:03)
07:The Flight Of The Hippogriff (Part II) [4:43]
08:The Infant (2008 Bonus Track) [7:12]
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