Mandy Meyer
Musikalische Weltausflüge und eine Rückkehr in die Heimat zu alten Tugenden
Vor Kurzem beendeten die Schweizer Hard Rocker Krokus ihre Double Headliner Tour mit AXXIS. Es war eine tolle Zusammensetzung. RockTimes führte ein Gespräch mit Krokus-Gitarrist Mandy Meyer. Dabei kamen Dinge auf den Tisch, die natürlich auch Gotthard betrafen, aber auch ein Ausblick auf das kommende Album war Inhalt des Interviews. Lest selbst….der Gitarrist plaudert auch über seine persönlichen Gefühle und seine Vergangenheit.
RockTimes: Wie war die Deutschland-Tour mit AXXIS und wie sind Eure Eindrücke im Nachhinein?
Mandy: Also ich fand die Tour ganz gut. Manchmal war es etwas hektisch. Wir waren immerhin drei Bands, die an einem Abend spielten. Drei Bands, das waren eben auch drei Drumsets und das bedeutete schwere Arbeit für die Crew. Jeder Drummer wollte sein eigenes Schlagzeug spielen. Die Jungs mussten jeden Abend bei heißer und schlechter Luft alles auf- und abbauen. Axxis waren gut drauf und ich muss sagen, dass der Sänger (Anmerkung der Redaktion: Bernhard Weiß, Axxis) die Fans gut im Griff hatte, er konnte gut mit ihnen umgehen. Ich kannte die Band nicht, aber jetzt muss ich sagen, dass es Spaß gemacht hat.
RockTimes: Wann beginnen die Aufnahmen zum neuen Krokus-Album? Wie sind die Pläne?
Mandy: Die Platte ist schon fertig aufgenommen, aber wir wissen noch nicht, welches Label das Album veröffentlichen wird. Vielleicht läuft die Sache über 'Nuclear Blast', aber das steht definitiv noch nicht fest. Das Album müsste eigentlich im Herbst auf den Markt kommen.
RockTimes: Wisst Ihr schon den Titel der Platte?
Mandy: Es könnte sein, dass sie "Hellrazor" heißen wird, aber auch das ist noch nicht entschieden. Wir hatten für dieses Album sehr viele Songs zur Auswahl und wir mussten mindestens fünf davon streichen. Wir müssen das jetzt noch alles sortieren, vor allen Dingen was B-Sides oder Bonus-Tracks werden. Aber jeder Song hat irgendwie etwas Besonderes und Tolles an sich und wir hoffen, dass die Leute es mögen werden. Wir sind gespannt! Es ist auf alle Fälle ein typisches Krokus-Album, welches einen tollen Sound hat. Man merkt auf den Aufnahmen die ganze Kraft und Frische, die dahinter steckt. Es sind auch sehr schnelle Songs dabei, wie damals auf "Headhunter", aber einiges auch im Midtempo. Es ist ein sehr vielseitiges Album geworden. Teilweise knallhart, aber ich spiele zum Beispiel auch Slide-Gitarre und dadurch gibt es an manchen Stellen einen besonderen Touch. Seitdem Tommy Kiefer nicht mehr bei Krokus dabei ist, gab es das nicht mehr. Er spielte damals auf der "Metal Rendezvous" auch Slide-Gitarre. Danach waren mehr die Schredder-Gitarren bei Krokus angesagt, was auch mehr im Trend lag. Also, ich bin wirklich gespannt, was die Leute zu den vielen Gitarrensoli sagen werden. Und zu den geschmackvollen Pink Floyd-artigen Slideeinlagen. Es geht so in Richtung der "Metal Rendezvous"-Scheibe.
RockTimes: Bei Gotthard hast du dir die Leadgitarren-Parts mit Leo (Anmerkung der Redaktion: Leo Leoni, Gotthard) oftmals geteilt. Bei Krokus hingegen hast du die Verantwortung für die Leadparts fast alleine übernommen. Gefällt dir das so besser, bzw. kommt dir das persönlich mehr entgegen?
Mandy: Es fordert mich natürlich etwas mehr. Bei Krokus gibt es auch keine Keyboards. Bei Gotthard war alles zwischen Akustik-Gitarren und verschiedenen Seiteninstrumenten aufgeteilt. Da gab es auch 12-saitige Gitarren oder auch Mandolinen. Bei Krokus ist es so, dass irgendwie immer um dem gleichen Sound herum getanzt wird. Es ist also nicht so, dass wir bei Krokus plötzlich mit Nylon-Saiten und dann mit Mandolinen spielen. Das neue Album bedeutet 'volle Kelle', teilweise sehr schnell aber dann auch stilistisch in den Country-Bereich hinein. Deswegen bin ich so gespannt. Man kann nicht einfach 16 - 17 Songs aufnehmen, die alle gleich klingen. Es ist also nicht einfach. Bei Gotthard gab es noch den anderen Gitarristen und auch das Piano, zwischen denen alles aufgeteilt war. So wie jetzt bei Krokus ist es richtig toll.
RockTimes: Hast du dich an dem Songwriting stark beteiligt?
Mandy: Ja habe ich. Vor allen Dingen habe ich mich mit den Songs von den alten Jungs auseinandergesetzt. Jeder Song hat ein spezielles Solo bekommen. Da ist nichts 08/15, sondern alles speziell für die einzelnen Songs gemacht. Und von mir selbst sind auch Songs dabei. Material, welches ungefähr drei Jahre alt ist, haben wir noch mal richtig aufgepäppelt. Wir hatten am Anfang alles probiert. Und als das nicht gut kam, haben wir Teile weggeschmissen und nun ist es richtig gut geworden. Ich war auch schon einmal gegen einen Song und der Meinung, dass dieser einfach nicht gut wäre. Wir haben dann alle gemeinsam etwas Neues dazu ausprobiert und am Ende war ich überrascht, wie gut der Song geworden ist.
RockTimes: Du hast ja schon vor etlichen Jahren bei Krokus gespielt. Sie haben dir, wie du selbst sagst, die Tür zum internationalen Musikgeschäft geöffnet. Was hat sich heute zu damals bei dieser Band verändert?
Mandy: Damals war das genau der angesagte Sound, so wie die jungen Leute heute Tokyo Hotel oder Ähnliches hören. Und genau das ist der Unterschied. Wir waren alle jünger und eine Art Teenie-Band. Das sind wir jetzt natürlich nicht mehr. Damals war der Trend wirklich anders. Da gab es Iron Maiden und die ganzen anderen jungen Rock Bands, diese New Wave Metal-Szene mit Iron Maiden oder Saxon und natürlich auch Krokus. Heute ist es wesentlich schwerer. Ich weiß das noch von Gotthard, wie schwer es ist, sich als neue Rockband zu etablieren. Das ist etwas ganz anderes, als wenn wir jetzt mit unserem Nostalgie-Bonus Konzerte in Amerika geben. Die Amerikaner kennen uns noch aus dem Radio und vor allen Dingen aus früheren Zeiten. Wenn du heute in Amerika etwas Neues etablieren möchtest, kannst du das fast vergessen. Außer man geht dort selbst hin und hat Kontakt zu den Record Companys. Und vielleicht hat man dann Glück und die Hebel werden in Gang gesetzt. Da kannst du in der Schweiz die geilste Rockband sein und trotzdem ist für dich in Amerika nichts möglich. Dort drüben sind nun Bands wie Nickelback oder Tool angesagt.
RockTimes: Krokus haben schon so viele Klassiker unter die Leute gebracht. Man denke nur an das Cover "American Woman", "Heat Strokes" oder "Bedside Radio". Aber auch das legendäre "Headhunter"-Album ist vielen älteren Metal-Fans noch gut im Gedächtnis. Welche Songs von Krokus spielst du am liebsten?
Mandy: Ich spiele sehr gerne "Fire" und "Easy Rocker" und vor allen Dingen auch "Screaming In The Night". Ich mag besonders die schnelleren Songs wie "Easy Rocker" und "Bad Boys". Es gibt also einige Lieder, die ich vorne ansiedeln würde. In der Schweiz spielen wir zum Beispiel immer noch "Tokyo Nights". Von der neuen Platte werden wir zukünftig dann wohl 5 - 6 Songs spielen und dazu dann halt noch die Klassiker. "Screaming In The Night" muss halt auch immer dabei sein, ganz klar!
RockTimes: Im jetzigen Line Up dürfte Marc Storace der dienstälteste Krokus-Mann sein. Wie kommen Marc und du mit den jungen Musikern zurecht?
Mandy: Generell sehr gut. Wir haben jetzt eine unheimlich tolle Rhythmus-Section. Ich habe noch nie mit so einem guten Rhythmus-Gitarristen zusammen gearbeitet, der so präzise spielt. Ich kann da super solieren und bewege mich dabei auf sicherem Boden. Du verstehst, was ich meine. Und auch der Stefan Schwarzmann ist ja jetzt bei uns. Den kenne ich noch von früher und er hat auch unheimlich viel Energie in die Band hinein gebracht. Es ist wirklich wieder wie zu Zeiten von "Headhunter", also alles wieder voller Überzeugung. Und auch Marc hat sich wieder unheimlich mit seiner Stimme gesteigert. Plötzlich singt er wieder alle Oktaven und auch auf der neuen Platte ist der Gesang von Marc noch immer sehr beeindruckend. Und Dennis Ward ist der Produzent, was auch eine große Bereicherung für Krokus ist. Die letzte Platte war nicht schlecht, aber die Neue ist wirklich echt, hat mehr Wärme und mehr 'Balls'. Ich bin auf die Kritiken gespannt. Also wir alle zusammen sind eine harmonierende Band.
RockTimes: Du bist ein begnadeter Gitarrist. Welche Gitarristen haben dich persönlich am meisten beeinflusst?
Mandy: Also da gibt es 20 Gitarristen minimum, die ich sehr mag. Es fängt an bei Chuck Berry über Johnny Winter und geht bis zu Jimmy Page. Aber auch Al Di Meola. Alle die finde ich in ihren Bereichen unheimlich gut. Meola ist zwar virtuos, aber ich habe noch seine ersten Platten und da hörst du noch genau, wie er anschlägt und die Bewegung des Plektrums. Virtuos darf es schon sein, so lange es dem Song angepasst ist. Es ist halt manchmal schwer, dass unter einen Hut zu bekommen.
RockTimes: Bei Krokus spielst du eine weiße Fender Stratocaster. Nun ist diese Gitarre zwar berühmt und legendär, aber für Heavy-Sounds eigentlich nicht prädestiniert. Welche PU`s verwendest du und welche Veränderungen hast du an der Gitarre noch vorgenommen, damit du Deinen Sound erreichst?
Mandy: Das ist eine Original-Strat mit einem Humbucker-PU. Und da bekommst du schon einen Heayy-Sound, vor allen Dingen für den Rhythmus, hin. Ich habe die Gitarre, so wie sie ist, in Nürnberg gekauft und nur noch einstellen lassen. Es ist alles so, wie ich sie original erstanden habe. In Nürnberg gibt es einen tollen Gitarrenladen, aber ich weiß nicht mehr genau, wo das war. Dort gab es wirklich die geilsten japanischen Gitarren, Gretch-Gitarren und eben auch Fender und Gibson. Meine Gitarre hat schon einen Vintage-Look, aber ich habe nichts verändert.
RockTimes: Was machen Deine Solo-Projekte? Warum hat es mit Deinen eigenen Sachen bisher nicht so geklappt? Was hatten die Labels auszusetzen?
Mandy: Das Interesse war einfach nicht groß genug. Ich meine, heutzutage hat jeder seine eigene CD draußen. Darum ging es mir nicht. Wenn ich etwas Eigenes herausbringe, dann soll auch im Anschluss damit noch etwas laufen. Also nur einfach eine CD rausbringen….nein, dann warte ich lieber. Vielleicht brauche ich die Songs noch mal für jemanden anders, der mehr Platten verkauft. Ich bin zur Zeit sehr glücklich mit Krokus und auch ausgefüllt. Ich wollte keine Extremsachen, wie z.B. Steve Morse , machen. Die neue Krokus-Platte ist natürlich keine Solo-Platte, aber genau so etwas hätte ich vielleicht gemacht. Einfach gute Rockmusik mit einem Sänger. Und ich hatte gute Songs und die Platte hätte ich nicht unbedingt nur Mandy Meyer genannt. Sondern es hätte wohl einen eigenen Bandnamen gegeben. Die Zeit ist nicht verloren und ich habe mich in dieser Zeit musikalisch auch wieder weiter entwickelt und gesteigert. Die Songs, die ich damals geschrieben habe, sind sicherlich nicht verloren. Ich hatte ja damals in Amerika auch schon Songs für "House Of Lords" geschrieben.
RockTimes: Du warst in Amerika und England schon wohnhaft. Jetzt bist du wieder in Deiner Heimat, der Schweiz, sesshaft. Welches Land bietet dir persönlich die besten Möglichkeiten, dich musikalisch zu entfalten?
Mandy: Gut, in den 80ern war ich der Meinung, dass ich unbedingt nach Amerika gehen musste. Ich glaubte, dass das unbedingt erforderlich war um weiter zu kommen. Und das war ja auch der Fall. Ich hatte dort die Band Cobra mit Jimmy Jamison von Survivor und später ja auch eine längere Zeit mit Asia in England. Ich musste damals einfach ins Ausland gehen. In der Schweiz hätte ich das alles niemals erreicht.
RockTimes: Aber gerade Asia war ja stilistisch etwas ganz anderes.
Mandy: Ja genau. Es war damals Zufall, als mich John Kolodner anrief. Ich sagte, dass ich aus einer ganz anderen musikalischen Richtung und Schule komme. Aber die wollten damals mehr in Richtung von Journey gehen und ich war total überrascht. Die waren ja damals alle schon Millionäre. Also sagte ich mir damals: "Ich versuche es mal". Der Kolodner musste damals irgendwie von mir beeindruckt gewesen sein. Er hatte mich in Amerika bei verschiedenen Club-Gigs beobachtet. Und als ich ihm einen Brief geschrieben hatte, dass die Sache mit Cobra nicht mehr so gut lief, da rief er mich gleich an und teilte mir mit, dass Asia einen neuen Gitarristen suchen. Kolodner war ja eine echte Nummer, der ansonsten mit Whitesnake und Aerosmith gearbeitet hatte. Und so bin ich damals dann nach England gegangen. Das war dann für mich nach den ganzen 'Shredding-Moments' mit Krokus schon etwas anderes. Diese Zeit war für mich eine unheimliche musikalische Ernährung. Diese Leute hatten eine ganz andere musikalische Richtung, die ich vorher so noch nicht gespielt hatte. Nicht das Gitarre spielen war anders, sondern die Art der Kompositionen. Für mich war das musikalisch ganz eindeutig eine Bereicherung.
RockTimes: Neben Krokus hat die Schweiz schon eine Menge an guter Bands aus diesem Genre auf dem Markt zu bieten. Ich erinnere da natürlich an Gotthard, aber auch an Shakra, China oder ähnliche Acts. Wie beurteilst du die Schweizer Rock-Szene heutzutage?
Mandy: Ich glaube, die ist immer mehr im Kommen. Ich denke, dass es schließlich nicht auf den Stil ankommt, sondern auf die einzelnen Persönlichkeiten. Es gibt zwar jede Menge guter Rockbands, aber es muss halt jemanden geben, der 'Eis den Eskimos verkaufen' kann. Es kommt bei uns immer wieder vor, dass auch viele junge Boys und Girls ankommen und kreischen, und die wissen, was Rock ist und bedeutet. Wie es eben früher auch bei Deep Purple war. Aber viele andere kennen diese Art von Musik gar nicht mehr.
RockTimes: Was waren in Deiner inzwischen langen Karriere als Gitarrist die schönsten Momente und was waren die größten Enttäuschungen?
Mandy: Hm, also so richtig große Enttäuschungen hatte ich bisher eigentlich nicht. Weißt du, ich gehe selten mit schlechten Gedanken in eine Situation, wo ich nicht weiß, was dabei herauskommen wird. Gut, ich hatte mal ein paar Songs mit John Waite aufgenommen und die Enttäuschung war dann, dass wir nichts zusammen gemacht haben. Aber das war jetzt auch nicht unbedingt eine riesige Enttäuschung. Enttäuschungen hat man privat, Trauer im Zusammenhang mit Familienangelegenheiten oder Ähnliches. Also, ich liebe die Musik, aber ich nehme das Ganze jetzt nicht so ernst, dass ich wirklich persönlich enttäuscht bin. Man muss da auch etwas flexibel sein und wenn man zu sensibel an die Sache heran geht, dann ist das wirklich nicht gut. Die schönsten Momente sind immer dann, wenn die Leute gut drauf sind. Und dabei spielt es keine Rolle, ob du in einem kleinen Club oder in einer großen Halle auftrittst. Ich habe auch schon schlechte Auftritte gehabt, weil es auf der Bühne einfach nicht gut geklungen hatte. Gleichzeitig hatten die Fans vor der Bühne echte Freude, weil alles toll klang. Das ist vielleicht etwas egoistisch, aber wenn ich auf der Bühne einen schlechten Sound habe, es aber vor der Bühne gut rüber kommt, dann habe ich selbst wenig Freude. Ich brauche schon auch das gute Feeling. Aber umgekehrt kann das natürlich genauso passieren. Da bist du manchmal eine Marionette auf der Bühne und kannst nichts dran machen. Du weißt manchmal gar nicht, was da abgeht.
RockTimes: Mandy, dass war ein wirklich tolles und informatives Gespräch mit dir. Jetzt wünschen wir von RockTimes natürlich dir und der gesamten Band, dass sich Eure Mühen gelohnt haben.
"Keep on rockin'" und "See you on tour!!!".


Interview mit Mandy Meyer
Ralf 'Jogi' Ruhenstroth, 02.06.2006