Kummerbuben / Schattehang
Schattehang Spielzeit: 49:38
Medium: CD
Label: Chop Records, 2010
Stil: Folk Rock

Review vom 14.07.2010


Christoph Segebard
Da haben wir's wieder - man lernt nie aus! Und wenn man denkt, man kennt alles, gibt's immer noch was Neues, das man ausprobieren kann. Ich hab' diese Wahrheit selbst kürzlich neu entdecken dürfen - und zwar, als mir die Kummerbuben ins Haus geflattert sind.
Diese Band tut Folgendes: Sie vertont schweizer Volkslieder neu. Dies geschieht zwar mit konventionellen Mitteln (Gitarre, Kontrabass, Schlagzeug, Akkordeon), klingt letztendlich aber alles Andere als das.
"Schattehang" zeigt uns, wie sich sowas anhören kann. Die Gruppe spielt zumeist auf sehr melancholische, manchmal düstere Art und Weise. Der dunkle, rauchige Gesang von Simon Jäggi tut sein Übriges dazu - sehr eindringlich, das Ganze.
Die Kummerbuben sind keine Quatschmacher. Sie ignorieren nicht das ursprüngliche Feeling dieser Musik, um sie durch seelenloses Geschrote nachzuäffen. Sie schaffen es stattdessen, die knorrige Schönheit, den gewissen Starrsinn dieser alten Volksweisen beizubehalten und ein neues Gewand zu schaffen, dass wie die Faust aufs Auge dazu passt. Ein paar moderne Einschläge sind dabei, die den traditionellen Charakter aber nicht übertünchen oder verleugnen.
Ernsthaft, aber nicht verbissen geht es zu Werke. Um den sehr eigenen Sound in sich aufzunehmen, benötigt man schon ein paar Durchläufe. Es braucht etwas Zeit, um diese spezielle Atmosphäre in sich aufzunehmen und auf sich wirken zu lassen. Diese heimeligen, teils sehr alten Texte lassen ein merkwürdiges Gefühl in einem aufkommen, das man nur schwer beschreiben kann. ...Ich hab' beim Hören irgendwie den Geruch von uralten Büchern in der Nase.
Ich bin der Meinung, dass es so tolle Künstler wie die Kummerbuben erfordert, den Geist dieser Volkslieder auf diese herausragende Weise einzufangen. Man befindet sich beim Hören von "Schattehang" auf einer Zeitreise, und das Fenster nach draußen in die Wirklichkeit ist zu schmutzig, um viel erkennen zu können.
Ein kleines Problem gibt's für mich natürlich: Ich versteh' kein Wort. Schweizerdeutsch an sich ist für uns Deutsche schon kaum zu verstehen, aber altes Schweizerdeutsch ist ein Ding der Unmöglichkeit. Bestenfalls Satzfetzen bekommt man mit - und das auch nur sehr selten. Da hilft natürlich auch der im Booklet abgedruckte Text nix. Aber irgendwie ist es immer gerade eben genug, um die Stimmung und eventuell die grobe Handlung des Lieds zu erfassen und erahnen zu können. Man kann sich auch im Geiste seine eigenen Geschichten bauen; die Musik macht es einem leicht. Ein weiterer Punkt, der für die Gruppe spricht.
Aber apropos Booklet: Die ganze Aufmachung von "Schattehang" ist super. Cover und weitere Bilder in Holzschnitt-Optik, ganz in Schwarz und Weiß gehalten im Digipak. Dazu gibt's zu jedem Titel einen Kommentar zu Autor und Zeitgeist.
Dieses Album hat eine unwiderstehliche Qualität, aber ist natürlich nichts für Jedermann. Wem das Beschriebene gefällt, dem sei eine fette Empfehlung ausgesprochen. ...Ich mag mir kaum vorstellen, wie toll es für einen Schweizer sein muss!
Line-up:
Simon Jäggi (Gesang)
Mario Batkovic (Akkordeon, Gesang, Gitarre "I dr Aare")
Daniel Durrer (Tenor- und Baritonsaxofon)
Urs Gilgen (Elektrische und akustische Gitarre, Banjo, Mandoline, Geräusche)
Higi Bigler (Kontrabass)
Tobi Heim (Schlagzeug, Perkussion, Gesang, Gitarre "Stomperli")
Tracklist
01:Andermatt
02:Händschelied
03:Has
04:'S het deheim e Vogel gsunge
05:Anneli, wo bisch geschter gsi?
06:I dr Aare
07:La Marie
08:Lügemärli
09:Stomperli
10:Wo chunnt dr Chrieg här?
11:Le coq est mort
12:Alperose
13:Stäcklichrieg
14:Guet Nacht, mys Liebeli
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