Lemmy / The Movie
Lemmy Spielzeit: 100:00
Medium: DVD
Technische Daten:
Sound: 5.1 Digital
Bild: 4:3
Format: PAL
Region-Code: 2 (Europa)
Sprache: Englisch
Untertitel: Deutsch
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Label: WVG Medien GmbH, 2010
Stil: Dokumentation

Review vom 06.02.2011


Markus Kerren
Ehre, wem Ehre gebührt! Dem mittlerweile 65-jährigen Ian Fraser Kilmister, der seit einer gefühlten Ewigkeit nur noch auf den Namen Lemmy (der Spitzname stammt übrigens von seiner in jungen Jahren notorischen Angewohnheit bzw. Frage 'Ey, lemme a fiver?', mit der er sich durch Gepumptes über Wasser hielt) hört, wird in Form einer Dokumentation ein kleines Denkmal gesetzt. Nicht, dass der Mann ans Aufhören denkt, im Gegenteil: »Wenn die Zeit schließlich gekommen ist und wenn's nach mir geht, dann falle ich auf irgendeiner Bühne tot um. Mit meinen Stiefeln an!«, so ein O-Ton vom Protagonisten des vorliegenden Streifens.
Und die Frage, warum sich Mr. Rock'n'Roll - der ganz sicher nicht mehr näher vorgestellt werden muss - den ganzen Stress mit endlosen Tourneen immer noch antut und es auch mit seinem für einen normalen Menschen höchst ungesunden Lebensstil nicht mal etwas ruhiger angehen lässt, braucht man erst gar nicht zu stellen, denn die hatte er bereits in dem 1980 erschienenen Song "Ace Of Spades" beantwortet: »That's the way I like it, baby, I don't wanna live forever!« Noch Fragen?
Lemmy hat alles durch, was man in einem Rock'n'Roller-Dasein so erleben kann. Er war Roadie und Drogenbeschaffer für Jimi Hendrix, extrovertierter wie genialer Bassist (und für ein paar Songs auch Sänger) der Space Rocker Hawkwind, gründete im Anschluss die mittlerweile seit über 35 Jahren bestehende Band Motörhead, hatte Unmengen von Groupies, vernichtete Mengen von Whisky und Wodka, mit denen man wahrscheinlich mittlerweile das Mittelmeer (wäre da kein Wasser mehr) neu auffüllen könnte und genoss (fast) jede auf dieser Erde bekannte Droge, die verfügbar war. Er empfiehlt diesen Lebensstil jedoch nicht, und auf die Frage, wie er es geschafft hat, all dies zu überleben, hat er die simple Antwort »Ich bin einfach nicht gestorben, hargh hargh, hargh. Ich weiß auch nicht, ich habe wohl einfach Glück gehabt. Außerdem habe ich niemals Heroin genommen, denn daran habe ich schon in jungen Jahren zu viele meiner Freunde sterben sehen!« parat.
In der vorliegenden Dokumentation bekommen wir einen hochinteressanten und ziemlich nahen Einblick in Lemmys Leben. Die gefilmten Szenen spielen sich in seiner Wohnung in Los Angeles, in Bars, im Studio, beim Einkaufen im Plattenladen, im Tourbus, Backstage und natürlich auch auf der Bühne ab. Dazu gibt es jede Menge Statements von Leuten wie z. B. Slash, Ozzy Osbourne, James Hetfield, Alice Cooper, Duff McKagan, Nikki Sixx, Dave Grohl und vielen weiteren L.A.-Rockern, in denen allesamt Bewunderung und vor allem Respekt ausgedrückt werden. Aber auch sein alter Motörhead-Kumpel 'Fast' Eddie Clarke sowie seine heutigen Kollegen Phil Campbell und Mikkey Dee kommen zu Wort. Jede Menge interessante und witzige Geschichten gibt es da zu hören, aber am beeindruckendsten in diesem Film ist eigentlich Lemmy selbst, der mit einer unglaublichen Ehrlich- und Natürlichkeit agiert.
Es muss im Jahr 1981 gewesen sein, als ich Lemmy und seine Band kennen lernte. Eines Abends schaute ich mir eher gelangweilt die neueste Ausgabe des Musikladens an, als Manfred Sexauer zwischen zwei fröhliche Pop-Songs flötenden All Girl-Bands eine Gruppe mit dem Namen Motörhead ankündigte. Bereits bei den ersten Akkorden hatte ich das Gefühl wie von einem Wirbelsturm gepackt und meterweit gegen die Wohnzimmer-Wand zurückgedrückt zu werden. Meine Augen erfassten einen jungen Mann im Publikum - direkt vor der Bühne an seinem Tisch - der umgehend den Kopf einzog und sich die Ohren zuhielt. Und außerdem auf der Bühne die drei wohl gemeinsten, brutalsten und asozialsten Typen, die ich jemals gesehen hatte.
Mein Mund stand offen und ich konnte meine Augen nicht vom Bildschirm nehmen. Am Ende der Nummer 'erschoss' Lemmy das Publikum mit seinem Bass und der Drummer Phil 'Philthy Animal' Taylor machte in bester Keith Moon-Manier Kleinholz aus seinem Schlagzeug. Aber da war noch was: Nämlich ein Song ("Motörhead"), der alles hatte, was mich begeisterte. Und, nicht zu unterschätzen, die Gewissheit, dass diese drei Typen kein Act waren, sondern mit jeder Faser ihres Körpers meinten, was sie da machten.
Und genau diese Authentizität kommt auch auf der vorliegenden DVD ganz hervorragend zum Vorschein. "Lemmy" ist ein sehr starker, kurzweiliger und hochinteressanter Film geworden, den man sich gerne immer wieder ansieht und der statt der 100 Minuten nach meinem Geschmack ruhig auch doppelt oder dreifach so lange hätte sein können. Leider habe ich für dieses Review lediglich die erste von zwei DVDs zur Verfügung gestellt bekommen und diese auch noch ohne Menü. Deshalb kann ich hier auch nichts über eventuelles Bonus-Material, geschweige denn von DVD 2 berichten.
Äußerst beschissen empfinde ich lediglich, dass die deutsche (im Gegensatz zur englischen und amerikanischen) Version des Films um gute zehn Minuten zensiert wurde. Diese beschäftigen sich wohl mit Lemmys Faszination und Sammel-Leidenschaft bezüglich des Dritten Reichs. Sicherlich ist diese Leidenschaft (und keinesfalls Überzeugung) ein sehr sensibles Thema, andererseits dürfte mittlerweile jedem, der dem Mann einmal zugehört hat und bis drei zählen kann, bewusst sein, dass Lemmy absolut nichts mit dieser Weltanschauung bzw. diesem Gedankengut gemein hat.
Ob man sich nun die deutsche oder eine ausländische (Voll-) Version zulegt, mag jedem selbst überlassen bleiben. Ansonsten: Ganz klare Kaufempfehlung, auch für Nicht-Lemmy- bzw. -Motörhead-Fans!
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