Toni Krahl / Toni Krahls Rocklegenden
Toni Krahls Rocklegenden 240 Seiten, gebunden mit Bildteil
Erschienen im: Verlag Neues Leben Berlin, 2016
1. Auflage
Sprache: Deutsch
Medium: Buch
ISBN 978-3-355-01 840-1, 19,99 Euro
auch als eBook erhältlich


Review vom 24.02.2016


Mario Keim
»Ich bin immer noch hier« singt Toni Krahl in dem 1990 erschienenen Lied "Amerika" authentisch und in der Tat ergibt sich die Frage, warum der charismatische Sänger der Berliner Band City allen Widrigkeiten zum Trotz die DDR zu keinem Zeitpunkt verlassen wollte. Nicht als Jugendlicher, der 1968 gegen den Einmarsch von Truppen in Prag protestierte und kurz in Haft kam, aber auch nicht später, als das preisgekrönte 'Musik-Kollektiv' ins nichtsozialistische Ausland reisen durfte, die Pässe aber zwischenzeitlich immer wieder bei der DDR-Obrigkeit abgegeben werden mussten und die Reisetätigkeit wegen Differenzen innerhalb der Gruppe verwirkte. Toni Krahl wusste, wo sein angestammter Platz ist.
Darüber schreibt er rückblickend in seiner Autobiographie "Toni Krahls Rocklegenden". Schnell wird klar, dass es in dem Buch alles andere als Legenden sind, begegnet uns doch hier ein grundehrlicher Künstler und Mensch. Auffallend ist, wie intensiv dieser bis heute enge Freundschaften zu Gleichgesinnten pflegt, die letztlich auch für sein Schaffen als Sänger und Texter wichtig sind. Und nicht nur das: Treue zählt ebenfalls zu den wichtigsten Eigenschaften des Sängers beziehungsweise seiner Band, denn dort wo City einmal in kleineren Sälen spielten, gehören sie heute immer noch zu den angestammten Gästen. Es sind die Starthelfer von einst gewesen, denen Toni Krahl und Co. ihre Verbundenheit bis in die Gegenwart erweisen.
Der 66-jährige berichtet in 60 kurzweiligen Kapiteln nicht nur über langjährige Freundschaften, sondern gibt sehr intime Einblicke in die Plattenindustrie vor und nach 1990. Als Plattenproduzent mischte er dort schließlich nach dem Fall der Mauer mit seinem Label K & P Music (Anmerkung: Hinter K und P stehen Toni Krahl und Fritz Puppel) erfolgreich mit. Das Buch ist kein City-Tagebuch; im Mittelpunkt steht der Sänger, doch die meiste Aufmerksamkeit widmet er natürlich seiner Band, der er seit 1975 angehört und die bis heute stolze fünf Millionen Fahrtkilometer im Auto gemeinsam zurückgelegt hat.
1987 entpuppte sich für die Band als wichtiges Jahr: Den Kunstpreis (der DDR) statt Sanktionen gab es für das Album "Casablanca", angesiedelt zwischen DDR-Realität und (Film)-Fiktion. »Es war der Soundtrack zum Untergang der DDR«, schreibt Krahl über dieses Gesamtkunstwerk und macht die Tragweite des grandiosen Albums deutlich. Im gleichen Jahr gab es in der Bundesrepublik zudem eine Goldene Schallplatte für das Album "Am Fenster" (in Westdeutschland als "City" erschienen). Und zwar genau zehn Jahre nach dem Erscheinen der Schallplatte mit dem Erfolgshit Nummer eins, der bis heute unübertroffen in der 44-jährigen Bandgeschichte bleibt und der ein Markenzeichen geworden ist. Die 1987er Scheibe war aber in kommerzieller Hinsicht ebenfalls wichtig: »Dieses, unser Konzept-Album "Casablanca" hat uns bis heute den Arsch gerettet. Ohne es hätten wir nicht überleben können«, heißt es aus der Feder Krahls.
City setzten aber noch in einer anderen Richtung Maßstäbe: »Wir gehörten immer in dieser Dreiergruppe und wurden in einem Atemzug genannt: Puhdys, City, Karat. Wir wurden aber noch in einer anderen Dreiergruppe genannt: City, Silly, Pankow.« Und Letztere waren bekannt als die Widerspenstigen, Kritischen und Nonkonformen.
Doch eines war City wichtig: Puhdys, City und Karat auf einer Bühne gleichzeitig sollte es einfach nicht geben. Das passierte dann nur einmal nach 1990 und später im Konzertpaket 2014 - mit einem Nachschlag 2016, obwohl die Puhdys als Band seit Jahresbeginn endgültig in der Rockerrente angelangt sind. Der Titel dieser gemeinsamen Tour lautet "Rocklegenden".
"Toni Krahls Rocklegenden" liefern kurze Anekdoten, die nicht nur unterhaltsam, sondern zuweilen auch recht spannend sind, weil zu Beginn einer Episode nie so richtig klar scheint, wie die Geschichte endet. Keine 'Hochliteratur' wolle der Berliner schreiben, beteuert er einmal in diesem Buch.
Der City-Sänger entpuppt sich jedoch als richtig guter Erzähler, wenn er darüber berichtet, wie Mikis Theodorakis versuchte, eine Tournee durch Griechenland zu verhindern, wie es zu der Wiedervereinigung der Band 1993 kam und wie bei ihm alles anfing: Natürlich mit einer Platte der Beatles.
Das Buch ist unterhaltsame, vor allem kurzweilige Kost und eignet sich nicht nur für den musikaffinen Leser.
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