Bryan Lee And The Blues Power Band
29.04.2011, Bluesgarage, Isernhagen
Bluesgarage
Bryan Lee And The Blues Power Band
Bluesgarage, Isernhagen
29. April 2011
Stil: Blues



Artikel vom 04.05.2011


Jürgen Bauerochse
Bryan LeeIst er eine 'Lebende Legende des Blues', wie es Duke Rubillard, seines Zeichens Produzent und Gastmusiker auf dem letzten Studio-Album von Bryan Lee, ausdrückt, oder doch eine 'Institution des 12-Takters'? Mir persönlich gefällt die zweite Umschreibung wesentlich besser, denn der am 16. März 1943 in Two Rivers, Wisconsin geborene blinde Sänger/Gitarrist steht inzwischen seit vierundfünfzig Jahren auf der Bühne, sodass nun schon mehrere Generationen von Blues-Fans mit seiner Musik groß geworden sind. Somit ist der Begriff in diesem Fall durchaus angebracht.
Bryan LeeLee, der im Alter von acht Jahren sein Augenlicht verlor, kam in den fünfziger Jahren durch Radio-Sessions des Senders WLAC AM mit den Sounds von Elmore James, Albert King und Albert Collins in Berührung, die ihn sofort fesselten und nicht mehr los ließen. Doch zunächst spielte der Braille Blues Daddy (so sein Nickname) in der regional bekannten Band The Glaciers die Rhythmus-Gitarre und gab sich mit Coverversionen von Elvis Presley, Little Richard und
Chuck Berry zufrieden.
Erst nach seinem Umzug nach Chicago fand er musikalisch zu sich selbst und konnte von nun an etliche seiner Helden aus Kindheitstagen auf der Bühne begleiten.
Bryan LeeIm Jahr 1979 veröffentlichte er mit "Beauty Isn't Always Visual" sein erstes von bisher zwölf Studio-Alben, von denen das 2007 erschienene "Katrina Was Her Name" wohl das emotionalste sein dürfte, denn inzwischen war Bryan Lee nach New Orleans umgezogen und musste auf diesem Longplayer die Flutkatastrophe von 2005 verarbeiten, die auch sein Leben nachhaltig veränderte. » Seit Katrina spiele ich meine Musik jedes Mal, als sei es das letzte Mal« war seine Aussage, die deutlich macht, welche Spuren dieses Ereignis in der Seele dieses Mannes hinterlassen hat.
Bryan LeeDoch ein Bryan Lee braucht kein Mitleid. Eine Person mit diesem Lebenslauf voller Schicksalsschläge kommt immer wieder zurück, denn er hat seine Musik und die Bühne. Und das wurde auch an diesem Abend in der Bluesgarage ganz deutlich. Sofort als der Bluesmann etwas mühsam und ganz vorsichtig die Treppe hinauf geführt wurde, empfing ihn ein warmer und herzlicher Applaus, der aber auch den Respekt der Zuhörer vor diesem Mann zum Ausdruck brachte. Und auch der Braille Blues Daddy ist gut drauf. Von Anfang an stimmt die Kommunikation. Immer wieder gibt es Anekdoten zu den einzelnen Songs, von denen allerdings einige durch den etwas schwierig zu verstehenden Dialekt untergehen.
Bryan LeeDoch der Stimmung tat das keinerlei Abbruch. Das ist Blues in Reinkultur. Authentisch, roh und ungeschliffen kommen die fetten Gitarrentöne aus den Boxen, die die enge Beziehung zu den Sounds von Freddie King deutlich machen. Vom ersten Ton an steht die Fußwippe beim Publikum nicht still. Drummer John Perkins und Slim Louis am Bass sorgen dabei für unglaublich viel Druck, sodass die Bluesgarage in ihren Fundamenten erzittert. Diese Rhythmussektion bildet eine perfekte Einheit und ist schon mal die halbe Miete für einen perfekten Gig.
Bryan LeeSo haben die beiden Solisten der Blues Power Band relativ leichtes Spiel, die Fans in ihren Bann zu ziehen. Doch dazu ist auch ein perfekter Aufbau in der jeweiligen Songstruktur nötig. Und auch das wird in Vollendung beherrscht. Das Zusammenspiel zwischen dem ausgezeichneten Pianisten Enrico Capaneto und Bryan Lee funktioniert optimal. Immer wieder geben sich die Zwei Steilvorlagen zu abwechselnden Soloeinlagen, die dann vom Gegenpart weiter bearbeitet werden. Dabei reicht das Repertoire von treibenden Boogietönen, über Country Blues, Barrelhouse Piano-Songs, bis hin zum schmerztriefenden Slow Blues, dessen Soli (im positiven Sinn) fast körperlich weh tun. Ganz genau so muss diese Musik gebracht werden!
Bryan LeeDie Setlist bestand aus einer gesunden Mischung von Eigenkompositionen und Coverversionen von Elmore James (hier muss besonders das geniale "The Sky Is Crying" heraus gehoben werden) und den drei großen Kings. Doch natürlich war auch Bryans 'Erkennungsmelodie' "Braille Blues Daddy", die übrigens bei Youtube in voller Länge angesehen werden kann, ein Höhepunkt dieses Konzertes. Sehr positiv zu erwähnen sind auch die Spielzeiten der einzelnen Titel. In jedem Song war reichlich Platz für Improvisationen und Soloeinlagen, sodass eine Dauer zwischen acht und fünfzehn Minuten der Normalfall waren.
Bryan LeeAuch von den Vocals her gehört Bryan Lee sicherlich zu den Stärksten seiner Zunft. Er verfügt zwar über keine 'schöne' Stimme, ist aber jederzeit in der Lage, die Intensität zu variieren, ganz wie es der jeweilige Song benötigt. Dabei ist eine gewisse Ähnlichkeit zu Robert Cray nicht zu überhören.
Bei diesem zweiteiligen Set mit einer Gesamtlaufzeit von genau drei Stunden (!) zeigte Bryan Lee sehr eindrucksvoll, wie mit ganz minimalem Aufwand eine unglaubliche Emotionalität in der Bluesmusik erreicht werden kann. Der Mann lebt den Blues in vollen Zügen und das ist in jedem einzelnen Augenblick spürbar. So etwas kann man nicht lernen. Entweder man hat es… oder eben nicht (drei Euro fürs Phrasenschwein!)
Bryan LeeAls mit der zweiten Zugabe dann auch noch der Charlie Segar-Klassiker "Key To The Highway" angestimmt wurde, der schon seit einer Ewigkeit zum festen Repertoire von Bryan Lee gehört, war endgültig klar, dass dieser Gig zu einem der Kandidaten für meine 'Konzert des Jahres 2011'-Liste gehören wird. Bryan Lee & The Blues Power Band waren ein Musterbeispiel für Spielfreude und Bluesfeeling. Und jetzt im Nachhinein, während mir der Abend noch einmal durch den Kopf geht, kann ich ohne Zweifel bescheinigen, dass der Braille Blues Daddy Wort gehalten und gespielt hat »… als wäre es das letzte Mal.«.
Line-up:
Bryan Lee (guitar, vocals)
Slim Louis (bass)
Enricho Carpento (piano)
John Perkin (drums)
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