Spielzeit: 56:10 Medium: CD Label: Crosscut Records (in-akustik), 2013 Stil: Blues Review vom 18.02.2013 Markus Kerren

Nur für den Fall, dass es tatsächlich noch Freunde der Rockmusik geben sollte, die den guten Chuck Leavell noch nicht kennen: Der Mann wurde im Jahr 1972 Mitglied bei der Allman Brothers Band und veredelte unter anderem den Klassiker "Jessica" mit seinem Spiel. Nach dem Split gründete er seine eigene Combo Sea Level und da es mit dieser 1978 gerade richtig gut am Anlaufen war - und es dazu finanzielle Unstimmigkeiten mit den Brothers gab - zog er es vor, bei der Reunion lieber nicht mit von der Partie zu sein. Seit 1981 gehört er der Tourband der Rolling Stones an und hat sich dort zu einem sehr wichtigen Mitglied gemausert.

Seit Anfang der Siebziger ist Leavell ein sehr gefragter Studiomusiker und seit 1998 veröffentlicht er auch Soloalben, wobei das mir nun vorliegende "Back To The Woods..." sein insgesamt fünftes ist. Was er damit im Sinn hatte, beschreibt er in den Liner Notes. Nämlich den Pionieren des Blues-Pianos seinen Tribut zu zollen, ohne deren Spiel 100 %ig zu kopieren. Vielmehr wollte er dem ganzen einen etwas moderneren Anstrich verpassen, ohne die Tradition sowie die Charakteristiken alter Meister wie Otis Spann, Memphis Slim oder Leeroy Carr entscheidend zu verändern.

Ist das vorliegende also vor allem ein Pianoalbum? In erster Linie natürlich ja, aber erstens ist bei jedem Track auch eine Band am Start und zweitens war es noch nie Leavells Art, sich dick und fett in den Vordergrund zu stellen. Und so bleibt sein Spiel während dieser 15 Songs auch immer songdienlich, dezent und mit viel Geschmack ausgestattet. Der Protagonist war zwar noch nie ein Sänger vor dem Herrn, aber zu diesen bluesigen Titeln passt seine Stimme erstaunlich gut. Und bei fünf der Songs stehen dann auch Gäste vor dem Mikro. Da wäre zum Beispiel der Col. Bruce Hampton, der den Boogie Woogie "I Got To Go Blues" stimmlich veredelt.

Danny Barnes steht für "Naptown Blues" und "Memphis Town" vor dem Mikro, ebenso wie die richtig gute Candi Staton für "Mean Mistreater" und "All The Blues Is Wrong". Aber mit John Mayer (bei "Wish Me Well" und "Boots And Shoes") und Keith Richards ("Evening Train" und "Boots And Shoes") hatte sich Leavell sogar noch richtige Rock-Prominenz eingeladen, die es ihm mit ihren großartigen Gitarrenspuren dann auch dankten. Und logischerweise war auch Chucks alter Kumpel Randall Bramblett aus seligen Sea Level-Tagen angetreten, um immerhin auf drei der Tracks mitzuwirken.

Geboten wird ein Bluesalbum der Spitzenklasse, dessen gut 56 Minuten so schnell zu verfliegen scheinen, dass man jedes Mal mit einem erstaunten »Schon?« wieder in Richtung Repeattaste läuft. Einen wahrhaft grandiosen Job macht auch die 'feste' Rhythmusabteilung in Gestalt von Chris Enghauser (am akustischen Bass) und Louis Romanos (Schlagzeug), die das exakt richtige Feeling für diese Nummern auf der Pfanne haben. Die Produktion ist herrlich erdig und die Tracklist wurde so clever ausgewählt, dass jederzeit Bewegung in dieser Platte sowie auch der Fußwippe des Hörers ist.

Wer auf Pianoblues steht und diese Musik nicht unbedingt mit dem Schleier vieler Jahrzehnte versehen haben muss, der kommt an "Back To The Woods..." nicht vorbei. Die beteiligten Musiker sind allererste Sahne und das Material (das glücklicherweise aus vielen, eher unbekannteren Stücken besteht) wird jederzeit mit viel Hochachtung und Respekt behandelt. Ein wunderschönes Bluesalbum, das natürlich gerade jetzt in den kalten Monaten ganz besonders viel Spaß macht. Dazu kommt auch noch ein im Digipak fest eingeheftetes, sehr ausführliches Booklet, das die Vollbedienung bzw. das Rundumpaket ganz vortrefflich abrundet.

Line-up:
Chuck Leavell (piano, organ, lead vocals)
Chris Enghauser (stand-up bass)
Louis Romanos (drums, cajon - #12)

With:
Keith Richards (acoustic guitar - #2, electric guitar - #9)
Danny Barnes (guitars - #4,7,8,13,14, banjo - #6, tuba - #7,13, lead vocals - #6,13)
John Mayer (electric guitars - #3,9)
Candi Staton (lead vocals - #10,14)
Col. Bruce Hampton (lead vocals - #8)
David Blackmon (violin - #8)
Randall Bramblett (tenor saxophone - #5,10,11)
Davis Causey (electric guitars - #4,5,10,11)
Tom Ryan (baritone saxophone - #5,11)
Neal Fountain (guitar - #1, electric bass - #11,12)