Der Blues kommt aus Liverpool - nein, ich habe nicht zu heiß gebadet oder leide an geistiger Umnachtung. Aber unter diesem Motto kann und muss man das Konzert an diesem Donnerstagabend sehen. Da hatte der Jim Knopf-Macher Rainer Pullwitt aber mal ein ganz feines Näschen, als er sich entschloss, die Sängerin Connie Lush und ihre Band Blues Shouter aus der Stadt am Mersey River direkt nach Algermissen zu holen. Für mich war dieser Name, genau wie für die meisten anderen Besucher des Gigs, bisher noch gar nicht untergekommen, und auch im RockTimes-Index ist diese englische Blues-Lady noch nicht vertreten. Doch ein paar Schnipsel auf YouTube machten mich schon ziemlich neugierig auf diese Band - und meine Eingebung sollte mich diesmal nicht täuschen.
Schon als ich im Vorfeld des Termins mit der Gruppe Kontakt aufgenommen hatte, erwiesen sich die Musiker als äußerst freundlich und zuvorkommend. Schon zehn Minuten nach meiner Mail hatte ich Antwort, wobei sich die Band von der Aussicht auf einen Konzertbericht eines Gigs auf deutschem Boden durchaus angetan zeigte.
Was Connie Lush in den letzten Jahren an Preisen eingeheimst hat, ist schon beeindruckend. Fünf Mal hintereinander wurde sie zur 'Besten Bluessängerin im UK' gewählt und zweimal errang sie diesen Titel auch auf europäischer Ebene. Wahrlich keine schlechten Voraussetzungen für eine große Stimme. Doch auch das Songwriting gehört zu den Stärken der Blues-Lady, denn neben den Eigenkompositionen für den Hausgebrauch schreibt sie auch regelmäßig Musik für das britische TV und arbeitet außerdem noch als DJ für den Radiosender Jazz FM.
Als das Quartett pünktlich um 20.30 Uhr ihr zweiteiliges Set begann, wurde sehr schnell klar, dass der reine 12-Takter den größten Teil der Musik dieser Truppe ausmacht. Der Blues war praktisch in jedem Song mehr oder weniger präsent und wurde trotzdem in vielen verschiedenen Varianten gespielt, die sich vom Country Blues bis zum Blues Rock erstreckten. Dabei bewiesen alle vier Musiker, dass sie über ein enormes Feeling für diese Sounds verfügen, das so unerlässlich bei den blauen Tönen ist. Die Rhythmus-Sektion mit Drummer Colin Lamont und Bassmann Terry Harris spielte unauffällig aber grundsolide und legte so ein perfektes Fundament zu den gefühlvollen und tiefgehenden Stücken.
Mehr im Zentrum des Geschehens stand natürlich der ganz ausgezeichnete Gitarrist Peter Wade, der während des Konzertes ständig zwischen herkömmlicher Leadgitarre und der Slide hin und her pendelte. Makellos sein Spiel, das des Öfteren von sehr einfühlsamen Parts geprägt wurde, aber auch sehr schnell in richtig wuchtige Ausbrüche ausartete, wenn er zu solieren begann und dann aber richtig Alarm machte. Für mich hatte er seinen stärksten Moment, als er im Duett mit Connie eine herrlich intensive Version des Elmore James-Klassikers "It Hurts Me Too" anstimmte und dabei das Slide-Röhrchen so richtig zum Glühen brachte.
Übertroffen wurde er nur noch von der Frontfrau selbst. Hier konnte man vom ersten Takt bis zur letzten Note sehen: Diese Frau lebt den Blues mit jeder Pore ihres Körpers. Ständig in Bewegung und oftmals mit geschlossenen Augen vertiefte sie sich in ihre Musik und verlieh ihr damit jede Menge Ausdruck und Tiefgang. Und dazu kommt natürlich diese unglaublich gute Stimme, die mich immer wieder an Maggie Bell erinnerte. Genau so ausdrucksstark und intensiv wie die ehemalige Stone The Crows-Frontfrau sorgte Connie für jede Menge Gänsehaut im Publikum. Ein total ungezwungener und launiger Umgang mit den Zuhörern sorgte noch zusätzlich für herrlich entspannte Stimmung im Saal.
Wie schon erwähnt machten die Eigenkompositionen von Connie Lush den Großteil dieses Auftrittes aus, bei denen mir besonders der Song "Queen" mit seiner herrlichen Slidegitarre und das kräftig abrockende "Send Me No Flowers", bei dem die ganze Flexibilität von Connies Stimme zum Tragen kommt, im Ohr hängen geblieben sind. Doch auch der intensive "Morning Blues" zählte zu den Highlights des Abends, denn auch hier gab es richtig schöne, singende Bottleneck-Sounds auf die Löffel. Es war wirklich beeindruckend, mit welcher Leichtigkeit Connie Lush ihre Stimme im Griff hat und dabei so ein tolles Volumen aus sich heraus holt.
Doch so ganz ohne Coverversionen kam die Band dann doch nichts aus. Neben dem schon angesprochenen Elmore James-Song wurde auch die Liebe der Sängerin zu Ray Charles deutlich, der gleich zweimal in der Setlist vertreten war. Neben einem starken Slow Blues aus seiner Feder muss auch noch "Mr. Bojangles" besonders erwähnt werden, denn hier ließ sich Connie nur von Drummer Colin Lamont begleiten. Klar, dass dadurch die Intensität der Vocals nur noch gesteigert wurde. Direkt im Anschluss folgte dann übrigens noch "Nobody's Fault But Mine" im gleichen Schema. Und wieder war Gänsehaut pur angesagt. Um sich so richtig warm zu spielen, hatte Lamont direkt vor diesen beiden Songs ein mehrminütiges Schlagzeugsolo hingelegt, das natürlich auch ausgiebig abgefeiert wurde.
Ausgerechnet ein Gospel-Titel sorgte dann für den absoluten Höhepunkt des Abends (neben einer starken Fassung von "Rollin' And Tumblin'"). Noch nie habe ich "When The Saints Go Marching In" in so einer Interpretation gehört. Nachdem man sich minutenlang in eine amerikanische Kapelle versetzt fühlte, um den Herrn zu preisen, ging der Song dann immer mehr in härtere und rockigere Töne über, bis Peter Wade dem Ganzen mit einem saustarken Gitarrensolo die Krone aufsetzte. So ganz nebenbei sei noch erwähnt, dass es auch der längste Song des Abends war. Ein unglaublich schönes Stück Musik!
Nach knapp zwei Stunden und zwei Zugaben war dann leider schon wieder Schluss. Aber dieses Konzert war echt beeindruckend, und ich habe in Sachen musikalischer Weiterbildung wieder etwas dazugelernt und eine tolle Sängerin kennengelernt.
Danke mal wieder an Rainer Pullwitt für die problemlose Akkreditierung und dass Du diese starke Lady geholt hast!
Line-up:
Connie Lush (vocals)
Peter Wade (guitar)
Terry Harris (bass)
Colin Lamont (drums)
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