Nach dem Volltreffer mit dem Album Hello Troll aus dem Jahr 2008 folgt nun eine weitere Platte des Helge LienTrios, aufgenommen in der gleichen Besetzung. Die Musik wurde in ganzen drei Tagen im für viele ECM-Einspielungen bekannten und berühmten Rainbow Studio in Oslo komplett eingespielt,. Für HiFi-Kenner dürfte interessant sein, dass diese Aufnahmen als 'audiophile hi-resolution 24bit/192kHz recording' eingespielt wurden.
Der japanische Name des Titelsongs ist musikalisch absolut passend dargestellt. Ein meditativ fernöstlicher Charakter durchweht den Song, gleichermaßen nachdenklich, melancholisch, aber auch sehr schön und ein gutes Gefühl vermittelnd. "Natsukashii" beschreibt, »wie etwas so Unscheinbares wie ein alter Schuh plötzlich intensive Erfahrungen frei setzen kann. Eben in diesen Momenten, in denen Realität durch Traum ersetzt wird und ein einfacher Akkord tiefste Geheimnisse enthüllen kann, widmet sich der norwegische Pianist« (laut Pressemitteilung). Auch "Afrikapolka" gibt titelmäßig eine bestimmte Richtung vor und tatsächlich erinnern mich einige Passagen stark an den südafrikanischen Jazzmusiker Dollar Brand/Abdullah Ibrahim. Das Stück treibt mit stark perkussivem Antrieb voran. "Bon Tempi" ist von ähnlichem strukturellen Aufbau, fliegt nur etwas langsamer.
Auffällig in diesem Konzept ist, dass der Drummer aus meiner Sicht eine große Betonung auf die Trommeln legt und die Band dabei nicht unbedingt swingend antreibt, sondern eher zur Gestaltung des Gesamtkonzepts beiträgt.
Offener wird er oder/und wird es dann auf "E". Steht der Buchstabe für Elan (?), denn davon gibt es eine Menge. Der Song entwickelt sich ständig aus dem Moment heraus, hier wird auch der Schlagzeugeinsatz fordernder, energischer - ein sehr mitreißendes Stück. Ganz klasse ist ebenso die Interaktion und das blinde Verständnis der Musiker untereinander. Der Bass wird auf "Sceadu" nun gestrichen. Der Titel weist dramatische Züge auf: Das Piano wird plötzlich enorm breitflächig, dann ebbt die Energie wieder ab und der Bass streicht erneut. Das ist Filmmusik für den Film im Kopf - einer von zehn spannenden Einzel-Soundtracks sozusagen.
Sprach ich bei "Hello Troll" von frischem Wind, der durch die Pianotrio-Landschaft blies, kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass dieser Wind nicht abgeflaut ist. Er bläst weiterhin, vielleicht sogar noch etwas stärker und einen Tick abwechslungsreicher. Dieses neue Album ist nicht nur ein würdiger Nachfolger, es geht gar einen Schritt weiter.
"Meles Meles", lyrische Musik mit einem kleinen Hauch von Keith Jarrett, scheint das ideale 'ECM-Stück' zu sein, aber auch der folgende Song, der mit zu den jazzigsten von "Natsukashii" zählt - "Hymne (Til Jarl Åsvik)" - kann in dieser Richtung durchaus mithalten. Nun bringt "Umbigada" wieder rockende Momente - hier würde sich nun sogar ein Fender Rhodes-Piano gut machen. Doch nach kurzem rockigen Einstieg löst sich der Rhythmus nach und nach auf und es findet vermehrt ein Dreiergespräch statt - alle drei Musiker gleichermaßen mit Solo- und Rhythmusfunktion.
Bassisten - zumeist dann, wenn ein Upright Bass gespielt wird - laufen manchmal Gefahr, im Gesamtbild unterzugehen. Bei "Small No Need" drängt sich Frode Berg etwas in den Vordergrund. Leider ist mit "Living In Different Lives" nach knapp zweiundvierzig Minuten bereits wieder Schluss. Mit viel Gefühl werden wir verabschiedet, das Stück scheint eine Geschichte erzählen zu wollen. Das ist eben die musikalische Umsetzung von "Natsukashii"!
"Natsukashii" ist erneut ein fantastisches Piano-Jazz-Album mit abwechslungsreicher, emotionaler Musik voller Tiefe im Ausdruck. Sie speist sich aus Quellen des Jazz, der Klassik und der Folklore, aber auch rockige Elemente bleiben nicht außen vor. Ein Muss für jeden Fan von Pianotrios, und das nicht nur für reine Jazzfreunde.
Line-up:
Helge Lien (piano)
Frode Berg (bass)
Knut Aalefjær (drums)
Tracklist |
01:Natsukashii (3:51)
02:Afrikapolka (4:59)
03:Bon Tempi (4:49)
04:E (6:16)
05:Sceadu (6:09)
06:Meles Meles (5:18)
07:Hymne (Til Jarl Åsvik) (6:35)
08:Umbigada (2:20)
09:Small No Need (6:17)
10:Living In Different Lives (5:15)
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