Jackie Leven ist ein Besonderer in der Singer/Songwriter-Szene, weitab der üblichen Klampfer-Gilde. Seit Ende der 60er Jahre als Musiker aktiv (unter anderem als Frontmann der Band Doll By Doll, deren vier Alben derzeit zur Wiederveröffentlichung angekündigt sind), hat der Multi-Instrumentalist seit 1994 rund ein Dutzend Solo-Alben herausgebracht. Zwar kenne ich nicht alle, aber die gute Hälfte, die in meiner Sammlung keinen Staub ansetzt, ist ohne Ausnahme erstklassig. Der kauzige Schotte, mit einer weit verzweigten keltischen Abstammung, hat einiges hinter sich und ist dem Gevatter schon einmal knapp vom Karren gesprungen. Und das hört man in seinen Songs, die einerseits voller Sarkasmus und Ironie stecken, andererseits aber Gemälde mit einer immer wieder erstaunlichen Farbfülle sind. Jedes Stück ein kleines, modernes Epos, ist er ein Mann poetischer Sprachbilder, die nicht selten von seinen persönlichen Dämonen handeln. Das gilt auch für sein neues Studio-Album mit dem seltsamen Titel "Oh What A Blow That Phantom Dealt Me!
Als 'Celtic Musican' gehören die Kneipen dieser Welt natürlich zu seinem Revier, wo immer er auch ist. Und da er viel in Europa tourt, kennt er viele Bars, lernt viele Typen kennen und hört viele Geschichten. Davon und vom Unterwegssein erzählt er mit warmer, tiefer und immer wieder erstaunlich melodischer Stimme auf seiner neuen CD in meist ruhigen, undramatischen Songs.
"Oh What A Blow That Phantom Dealt Me!" - dem Booklet nach soll dieser Ausruf von Don Quichotte stammen, aber dafür würde ich (angesichts der weiter aufgeführten 'Zitate') nicht unbedingt meine literarische Reputation aufs Spiel setzen. Von was für Phantomen aber redet der Mann?
Beim Durchhören fällt mir zunächst auf, dass das neue Album bei weitem nicht so melodramatisch und schicksalsbeladen ist, wie die Vorgänger in meiner Sammlung. Kein irritierendes »Come gathring 'round assholes, chop me a line…« zum Intro und so verzweifelte Seufzer wie »O Lord your sea is so huge and my boat is so small« fließen auch nicht mehr aus den Lautsprechern. Im Gegenteil, es tönt recht locker und entspannt, vor allem im Mittelteil.
Der Auftakt ist in gewohnter Manier mit anspruchsvollen, spannenden Arrangements mit dem typischen Celtic-Touch. Das erste Phantom wartet in der Bar und wird durch ein Frauenbild an der Wand geweckt. Dann ist es ein ganzes trostloses Puff-Kaff irgendwo, durch das der Tourbus im Boogierhythmus rollt und schließlich in einem gesichtslosen Hotel strandet. "Standing In Another Man's Rain" ist wohl die englische Metapher für 'im falschen Film sein'; Szenen von unterwegs, die aus der räumlichen Distanz zum vertrauten Partner zu seltsamen Gefühlen und Träumen führen. Gefährliche, unkontrollierbare 'kindliche' Neigungen; oberflächliche Normalität mit dunklen Ahnungen, die Schatten lauern überall …
Und dann haben wir noch 'Gast-Phantome'. Auf "I've Been Everywhere" steckt der Leven einem blasierten Zeitgenossen mal, wo überall in Deutschland er schon aufgetreten ist - ein Musiker wie ein Irrlicht auf kaum zählbar vielen Bühnen. Zwei Widmungen an die 1979 verstorbene Singer/Songwriterin Judee Still und an den skurrilen Weggefährten früherer Tage, Kevin Coyne, der 2004 für immer ging, leiten zum doch etwas düstereren Finale über. Den anlässlich eines Barbesuchs in Kufstein bei einer Flasche Absinth kennengelernten Johnny Dodd ist das "The Skaters" mit seiner sinistren Erzählstimme vorbehalten. Eher untypisch dann der Schluss, das gegen die kantigen Vorgänger etwas poppige "Mellow My Madness" mit D.J. Unfit For Work (keine Ahnung, was das für ein Phantom ist).
Jackie Leven hat wieder eine seiner ungewöhnlichen CDs vorgelegt, variiert gekonnt die unterschiedlichsten Stile Folk, Rockabilly, Chanson, Blues, aber immer mit gefühlvollen Meldodiebögen, dem besonderen Feeling und kreativen Arrangements, deren Vocaltracks er teilweise in einer ukrainischen Kirche einspielte. Seine Gastmusiker sorgen für die vielen attraktiven Facetten, ohne dass die Aufnahmen deshalb überladen wurden. Für die Produktion (gewohnt erstklassiger Sound) zeichnet er selbst mit David Wrench verantwortlich, der auch als Gastmusiker und Programmierer mitwirkte. "Oh What A Blow That Phantom Dealt Me!" ist vielleicht nicht sein emotional dichtestes Werk, der dunkle Mann scheint im Alter etwas weicher zu werden. Aber ohne Zweifel ein gutes, dessen 'Phantome' vielleicht sogar noch wachsen. Aber Fürchten machen sie beim angenehmen Hören nicht.
Im Booklet sind bis auf die letzten beiden Songs die Texte beigefügt. Die lohnt es genauso mitzulesen, wie auf die vielen Feinheiten der Gestaltungselemente zu achten.
An Levens Alben hat man lang.
Line-up:
Jackie Leven (vocals, acoustic and electric guitars, Baritone ukulele, Chinese toy piano, tamborine, block, finger cymbals
David Wrench (engineering, drum programming, vocal counterpoint, cut supervision)
Johnny Dowd (counterpoint vocal, narrative)
Leon Hunt (piano)
Michael Mosgrave (keyboards, melodica, flute, pocket trumpet, flugel horn, French horn, slide guitar, accordion, vocals, tin whistle, Hofner Galaxy guitar, crows, irish linen pipes,
(vocals, fretted and fretless basses, acoustic bass)
Gentleman Jamie Mathews (harmonica, jews harp)
Tim Robinson (snares, darbouka)
Deborah Greenwood (vocals)
Rachel Hattersey (voice)
Tracklist |
01:Vox Humana
02:One Man One Guitar
03:Another Man's Rain
04:Kings Of Infinite Space
05:Childdish Blues
06:I've Been Everywhere
07:The Long Hard Field
08:The Silver In Her Crucifix
09:Here Come The Urban Ravens
10:The Skaters
11:Mellow My Madness
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