Lake / The Blast Of Silence
The Blast Of Silence
Achtzehn war ich und arbeitete in einer Disco, weil das Verhältnis Lehrlingsgehalt vs. Plattenkauf in etwa gleich war mit 2CV und Maybach. Ich fuhr damals eine Ente, aber heute immer noch keinen Maybach. Doch bevor ich jetzt abschweife, noch mal was zu diesem Tag 1976, als ein Kollege die "Lake" mit in den Schuppen brachte.
Ich schrieb Disco, aber es war eher eine dieser Locations, wo von der Woodstock LP bis zu Brass Construction so ziemlich alles lief was fetzte, rockte und irgendwie Dampf hatte.
Und dann kam Lake: dieser glasklare Sound, diese wahnsinnige Produktion, "On The Run" ließ den Tanzparcours regelrecht aus den Nähten platzen. Kurzum: das Teil schlug ein wie eine Bombe.
Apropos Bombe: "Time Bomb" solltet Ihr heute mal wieder hören. Bewusst hören, denn das Ticken der Uhr zieht sich durch den kompletten Track und gibt den Takt vor. Astrein!
Ich will jetzt nicht noch mehr in der Vergangenheit schwelgen, nichts erzählen von Nummern wie "Key To The Rhyme", "Jesus Came Down", "Do I Love You". Auch nichts vom Nachfolger "Lake II" mit Sachen wie "Scoobie Doobies", "Love's The Jailor", "Lost By The Wayside"......
Die Band brach damals sehr erfolgreich in die rockdominierten Kneipen ein und wenn man den Leuten erzählte, dass dies eine deutsche Truppe ist, erntete man im besten Fall ungläubige Blicke - sie waren einfach zu perfekt - in Allem.
Schnitt!
Fast 30 Jahre später liegt die neue Lake-CD im Player und als sei die Zeit stehen geblieben: perfekt knüpft sie an die alten Sachen an. Alex Conti, einzigster Ur-Laker hat sich gottseidank gut erinnert und dass es purer Zufall ist, Mr. Conti im Line-up zu sehen, schrieb ich bereits hier.
"Let's Go To China" eröffnet den Reigen und wie!
Was immer man von Lake erwartet - es ist dabei: Ohrwurmcharakter, lupenreine Produktion, kristallklarer Sound, ein Refrain, der süchtig macht, musikalische Perfektion.....
Sänger Mike Starrs klingt gar wie weiland James Hopkins-Harrison (gest. 1991), der sicher in der 'Allstar-Band' der von uns Gegangenen einen Micro-Job bekommen hat.
Gekrönt wird "Let's Go To China" durch Alex Contis Gitarrenspiel. Wer diesen Gitarristen noch nicht spielen gesehen hat, sollte das nachholen. Es wird schwerlich sein, jemanden in D-Land zu sehen, der auch nur annähernd mithalten kann. Gitarrenläufe, die einfach nur geil sind. So locker gespielt und doch so gehaltvoll.
Was im ersten Titel die Gitarrenläufe sind - nämlich genial, das sind bei "Here We Go Again". die Vocals. So 'ne Art 'Schubi du di doop didu'. Die Nummer groovt ohne Ende und macht aus dem griesgrämigsten Zeitgenossen im Handumdrehen einen positiv denkenden Menschen.
"The Sun Will Shine" brabbelt unbändig nach vorne, Bass und Drums sind die Treiber und urplötzlich wird klar, wen die da jagen und treiben: Alex' Gitarre nämlich, die dann aus dem Unterholz ausbrechen darf und im Wechsel mit der Hammond Bass und Drums Paroli bieten.
Nummer vier kommt mit Lake-untypischer Härte daher. Erstmal, denn nach dem 'harten' Intro switcht die Band back to Lake. Besser gesagt zu Bruce Hornsby, vom dem ist "Night On The Town". Aber die Lake-Version gefällt mit besser. Viel besser!
"Loving You" startet mit Gitarrenvergewaltigung und schaltet dann um auf den typischen, relaxten Lake-Stil. Tolle Übergänge und Alex darf rasante Läufe beisteuern. Auch Adrian Askew bekommt grünes Licht für die Tasten.
Halbzeit und damit ein paar wichtige Background-Infos.
An dieser Stelle möchte ich Uli Twelker vom GoodTimes Magazin (ein Magazin übrigens, welches die Redaktion empfiehlt) danken, denn Uli schrieb die Liner-Notes und deshalb wissen wir, wieso auf dem Cover nicht einfach Lake, sondern: "Alex Conti presents" steht.
Darüber hinaus sieht das Lake-Logo auch aus, als sei es fünfmal durch die Waschmaschine gezogen: total verwaschen also.
Seit drei Jahren steht das heutige, von Alex ins Leben gerufene 'neue-Lake' Line-up':
Mike Starrs (lead vocals)
Alex Conti (guitar, vocals)
Adrian Askew (keyboards, vocals), der 2004 George Kochbeck ablöste
Michael "Bexi" Becker (bass, vocals)
Mickie Stickdorn (drums)
Unbekannte sind das keine, stand doch Mike mit Colosseum II und Luciferīs Friend auf der Bühne, Adrian u.a. mit Atlantis, Inga Rumpf, Lucifer's Friend, Rudolf Rock & die Schocker. Mickie arbeitete mit und für Inga Rumpf, Heinz Rudolf Kunze, Peter Schilling, Elephant, Jennifer Rush, Falco und Georgie Red. Michael ist, wie Alex, Mitglied der Hamburg Blues Band. Dass auch Alex kein Neuer ist zeigt seine Historie: Atlantis, Elephant und die Hamburg Blues Band. Die Listen sind im Übrigen nicht vollständig.
Wieso nun nicht eine Reunion mit den noch lebenden Lake-Members Dieter Ahrendt, Geoff Peacy, Martin Tiefensee und Detlef Petersen, zumal die Genannten Interesse an einer 'Wiederauferstehung' bekundeten?
Ganz einfach: sie wollten bestimmen, wer neuer Sänger wird. Dumme Situation für Alex und er entschied sich für den Blast anstelle der Silence. Nomen est omen also, was den CD Titel angeht.
Unzweifelhaft klingt die Scheibe in meinem Player nach Lake. Ob das Line-up eine Interimslösung ist und ob irgendwann mehr Originalmusiker unter diesem Namen touren, wird die Zeit zeigen. Genießen wir erstmal diese Band und gehen weiter im Text.
"Driving With Your Eyes Closed" (ja, von Don Henley) ist auch eine etwas 'härtere' Nummer, immer wieder von verträumten Keyboardpassagen gebremst. Gas gibt dann Alex per gespanntem Stahl.
Fast orchestral startet "You Know How I Feel", um dann ruckzuck in den Groove zu wechseln, den man von der Band gewohnt ist und der Lake einst berühmt gemacht hat. Der Rhythmus von Gitarre, Bass und Drums lässt automatisch mitzappeln.
"Josie", im Original von Steely Dan passt wunderbar in den Titelreigen einer Band wie Lake. Weniger zufrieden bin ich mit der nächsten Nummer. "It's Not My Cross To Bear" (Gregg Allman) wird zwar genial dargeboten. Alex' Gitarrenspiel lässt nichts offen und auch Adrian an der Hammond trifft es. Aber irgendwie geht mir die Allman-Version nicht aus dem Sinn und ich gebe zu: sie berührt mich mehr.
Der letzte Track "Say You Will" ist dann wieder Lake wie man sie kennt. Lake-Drive, Lake-Melodie, Lake-Groove, Lake-Gitarre.
Die neue Lake-CD begeistert und das ist mit ein Grund, wieso demnächst fast die halbe RockTimes-Redaktion zum Konzert in den 'Ducsaal' fährt und sich schon tierisch darauf freut.
Danke an Bärbel von 'Life On Stage' (wir sehen uns dann im Ducsaal bei Lake wieder) und an Günter Luers vom 'Günter Luers Veranstaltungsservice, Hamburg', die uns diese CD in den Redaktions-Player zauberten.


Spielzeit: 58:29, Medium: CD, Mad As Hell Productions, 2005
1:Let's Go To China 2:Here We Go Again 3:The Sun Will Shine 4:Night On The Town 5:Dancin' With Steve 6:Loving You 7:Driving With Your Eyes Closed 8:You Know How I Feel 9:Josie 10:It's Not My Cross To Bear 11:Say You Will
Ulli Heiser, 10.04.2005