Leningrad Cowboys
Garage, Saarbrücken, 07. Dezember 2011
Garage Leningrad Cowboys
Garage, Saarbrücken
07. Dezember 2011
Stil: Punk'n'Polka
Fotos: Christian Stöhr
Konzertbericht

Artikel vom 11.12.2011


Steve Braun
Der 'Bueno Vodka Social Club' machte, total Balla-Balla... äh Balalaika, Station in Saarbrücken und 'keine Gefangenen' - die Garage stand Kopf!
Leningrad CowboysDass wir dieses Ereignis erleben durften, verdanken wir dem glücklichen Umstand eines vor vielen Jahrhunderten 'in die Hose gegangenen' Amerika-Abenteuers. Schenkt man den Legenden Glauben, brachen zwei Vorfahren der Leningrad Cowboys im strengen Winter 1379 von Sibirien aus über die zugefrorene Beringsee nach Alaska auf. Es verschlug sie bis nach Kalifornien, nahe der mexikanischen Grenze. Zwar fanden sie Öl und Gold in rauen Mengen, was man aber beides nicht trinken konnte und somit völlig wertlos war. Da dieser Landstrich aus diesem Grund völlig unbewohnbar für Cowboys war, kehrte man in die russische Tundra zurück, um sich wieder der Wodkaproduktion und der Zeugung kleiner, musizierender Nachfahren zu widmen.
Leningrad CowboysDie heutigen Leningrad Cowboys wurden aus diesem Genpool (sogar Väterchen Vladimir Ilyich Ulyanov - besser bekannt als Lenin - soll ein paar Spritzer beigesteuert haben) kurz nach der Oktoberrevolution 1917 in Mexico/Sibirien gegründet. Obwohl sie anerkanntermaßen 'die schlechteste Band der Welt' sind, bilden sie doch eine wunderbare, verschworene Einheit, denn sie haben alle eine gemeinsame Mutter - nur unterschiedliche Väter, die allesamt unbekannt sind.
Wer es schon immer wusste: Elvis lebt! Nach seinem vermeintlichen Tod ist er im sibirischen Mexico untergetaucht und serviert nun unter dem Pseudonym 'Rock Lobster', als appetitlicher Hummer getarnt, allabendlich den Cowboys flüssige und hochgeistig-inspirierende Nahrung, ohne die ein Abend mit den Leningrad Cowboys undenkbar wäre.
Leningrad CowboysEin erstes Déjà-vu-Erlebnis stellte sich ein, wenn man das diesjährige Bühnenbild auf sich einwirken ließ: Diesen Traktor, den ein Schlagzeug krönt, konnte man sofort aus der "Total Balalaika Show" wiedererkennen - jener legendären Show in Helsinki mit dem Ensemble der Roten Armee aus dem Jahr 1993. Nun - knapp zwanzig Jahre später - ist der (rote) Lack ab und das rostige Vehikel mag schon bessere Zeiten gesehen haben. Dagegen haben sich die Leningrad Cowboys für das neue Album Buena Vodka Social Club eine Rundumerneuerung gegönnt. Von der alten Garde sind nur noch Sakke 'Rock Lobster' Järvenpää und Pemo Ojala dabei. Sänger Ville Tuomi und seine beiden zuckersüßen Tanzmiezen Anna Sainila und Hanna Moisala kann man als absolute Glücksgriffe bezeichnen. Auch der studierte Gitarrist Pauli Hauta-aho und Drummer Sami Järvinen sorgen als weitere Neuzugänge für zusätzliche Glanzlichter. Der Rest der Truppe kam geschlossen 2003 dazu, als man nach einem Break für die "Global Balalaika Show" weltweit und sogar noch weit darüber hinaus (!!) tourte.
Leningrad CowboysNach einem, mit mehreren Minuten vielleicht etwas zu langatmig geratenen Intro mit mexikanischen Klängen, stürmten elf Toreros und zwei Bailaoras die Bühne der Garage und legten ein punkig-verrücktes Back In The USSR vor. Gleich noch mit "Machine Gun Blues" eine Salve aus dem neuen Album hinterher gefeuert... ein Einstand nach Maß.
Im regulären Set verließ man sich - trotz der beiden Singles "All We Need Is Love" und "Gimme Your Sushi" - auf bewährtes Material, wobei die Cover-Versionen von Klassikern der Rockmusik (mal wieder) die Highlights waren. "Fight For Your Right" und Enter Sandman waren als Stimmungskanonen am Anfang des Sets bestens platziert. Gimme All Your Lovin' und der Doors-Klassiker "L.A. Woman" standen dem in nichts nach - das Saarbrücker Publikum war für die zweite Hälfte des Sets bestens eingeheizt.
Leningrad CowboysDann, endlich: Elvis kehrte erstmals seit 1977 auf die Bühne zurück und brachte... ausgerechnet einen Uriah Heep-Gassenhauer, "Easy Livin'", was schon fast an Majestätsbeleidigung grenzte. Getoppt wurde die Nummer einzig durch den "Ring Of Fire" - Cashs Johnny dürfte im Grab gewaltig rumort haben, Mission erfüllt!!
Neben "Frijoles y Lager" servierte Rock Lobster nun auch "Sweet Home Chicago" und musikalisches Sushi. Zum Kim Wilde-Superhit "Kids In America" (von 1981) durften Anna Sainila und Hanna Moisala neben ihren tänzerischen auch ihre gesanglichen Qualitäten präsentieren. Zu diesem Zeitpunkt waren die Partys auf der Bühne wie im Saal auf ihrem Höhepunkt angekommen. Die Truppe wirbelte wie die Derwische herum, dass man gar nicht wusste, wohin man zuerst schauen sollte. Man konnte den Spaß, mit dem alle Beteiligten ihre irrwitzige Schwachsinns-Show abfeierten, förmlich mit Händen greifen. Gut, früher haben sie mehr gesoffen, aber ihre Rock'n'Roll-, Punk-, Polka-, Metal- und Don Kosaken-Mixtur ziehen die Leningrad Cowboys noch immer mit gleicher Leidenschaft durch.
Leningrad CowboysZwei Songs gehören definitiv ans Ende einer jeden Show der Finnen: Der Tom Jones-Heuler "Delilah" und ihre 'Erkennungsmelodie' "Those Were The Days", das die gut dreihundert Saarbrücker noch minutenlang mitgrölten, während die Cowboys sich bereits zur verdienten Zigarettenpause zurückgezogen hatten.
Ein Drumsolo von Sami Järvinen leitete den Zugabenblock mit Born To Be Wild ein, das seinem Titel nun wirklich alle Ehre machen sollte. Jetzt gab es kein Halten mehr - auf der Bühne wie im Saal. Der "Buena Vodka Social Club" wurde hinterher gefeuert und der hibbelige Sänger Ville Tuomi hing wie ein Klammeraffe an den Seilen über dem Bühnenrand, was dem Erste-Hilfe-Personal den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Trotz eines lockeren Promillchens meisterte die 'Rampensau' auch diese Turnübungen bravourös. Nachdem die Leningrad Cowboys endgültig die Bühne verlassen hatten, wurde ihr eigener Klassiker "Kasakka", seit dem "Leningrad Cowboys Go America"-Film purer Kult, noch im Saal weitergefeiert.
Ein 75-minütiges Set plus einer viertel Stunde sind völlig in Ordnung, aber angesichts der fröhlichen Show, hätte man nur zu gerne noch eine halbe Stunde dranhängen können. Doch in Anbetracht der 'Bühnenkilometer', die jeder einzelne Cowboy an diesem Abend absolviert hatte, gingen neunzig Minuten völlig in Ordnung. Es gab wohl keinen Saabrigger, der an diesem Abend traurig die Garage verlassen hätte...
Line-up:
Ville Tuomi (lead vocals)
Sakke Järvenpää (vocals)
Varre Vartiainen (guitar, vocals)
Pauli Hauta-aho (guitar, vocals)
Timo Tolonen (bass)
Sami Järvinen (drums)
Okke Komulainen (keyboards, accordion)
Tume Uusitalo (vocals, guitar)
Pemo Ojala (trumpet, flugelhorn, vocals)
Pope Puolitaival (saxophone, vocals)
Jay Kortehisto (trombone, vocals)
Anna Sainila (dancer, vocals)
Hanna Moisala (dancer, vocals)
Tracklist
01:Back In The USSR
02:Machine Gun Blues
03:Fight For Your Right
04:Enter Sandman
05:Gimme All Your Lovin'
06:Gasolina
07:L.A. Woman
08:Easy Livin'
09:All We Need Is Love
10:Space Tractor
11:Ring Of Fire
(Frijoles y Lager)
12:Sweet Home Chicago
13:Gimme Your Sushi
14:Kids In America
15:Pretty Fly
16:Delilah
17:Those Were The Days (A-molli)

Rumpsuttelua Ja Kaljoittelua:
19:Born To Be Wild
20:Buena Vodka Social Club
21:Kasakka
Externe Links: