Lethal / Programmed
Programmed Spielzeit: 46:56
Medium: CD
Label: Metalblade, 1990
Stil: Prog Metal


Review vom 12.03.2008


Boris Theobald
Lethal wären mit ihrer Musik wohl zu Weltstars geworden. Wären da nicht Queensryche gewesen und hätten die Welt des Heavy Metal schon ein paar Jährchen zuvor revolutioniert. Und "Programmed", das in Underground-Kreisen legendäre Erstlingswerk der Amis hat nun mal teils frappierende Ähnlichkeit mit den Werken der Queensryche-Frühphase, der "EP" und "The Warning". Allerdings anno 1990, als die Vorreiter aus Seattle sich sound- und songtechnisch schon längst mit ihren "Rages", "Operations" und "Empires" ständig neue Metal-Denkmäler errichtet hatten.
"Programmed" klingt da noch wie ganz klassischer US-Metal à la Crimson Glory, Metal Church, Jag Panzer, ausgestattet mit extrem lebendigen Früh- Iron Maiden-Riffs. Dabei weisen die zehn Tracks aber eine rhythmische Komplexität und ein völlig abgedrehtes Songwriting auf, wie man es nun wirklich nur von den frühen Queensryche kennt. Die außergewöhnlich hymnischen Gitarren-Hooklines in DeGarmo-Manier in spannungsgeladenen Harmonien einschließlich der spielerischen Klasse tun ihr Übriges zur Standortbestimmung - sogar parallel spielende Gitarren sind zu hören. Mehr nach Queensryche klingen kann man nicht. Es sei denn, der Sänger heißt Tom Mallicoat. Der hört sich nicht nur ähnlich wie Geoff Tate an - nein, er klingt meistens exakt wie Geoff Tate. Mit einem nicht minder genialen, opernhaften Vibrato gesegnet, screamt dieser Mensch voller Inbrunst und Leidenschaft, theatralisch und ekstatisch, springt in unvorhersehbaren Psycho-Gesangslinien durch die Oktaven als gäbe es kein morgen. Die Songs sind ihm perfekt auf die Stimme geschneidert. Die meisten sind hochmelodische Powermetal-Kracher von einer druckvoll fesselnden Dynamik.
"Programmed", "What They've Done" und die grandiose Power-Mitsinghymne "Immune" sind komplex auf engstem Raum, stecken voller abgedrehter Melodieschlenker und aberwitziger Breaks und gehen trotzdem butterweich ins Ohr. Die progressiv schwermetallische Eleganz kennt man von Queensryche-Stücken wie "Queen Of The Reich", "Blinded", "Deliverance", "Prophecy" oder "Child Of Fire". Der geniale Opener "Fire In Your Skin" gehört mit zu den verrücktesten und genialsten Songs der Metalgeschichte. Ein spannendes Clean-Gitarren-Intro mit hervorstechenden Bassmelodien, militärisch anmutende Marsch-Drum-Versatzstücke, dazwischen mal wieder totale Breaks, galoppierende Rhythmen, ein Frickelsolo samt Tempowechsel, und dann dieses bewundernswerte Organ Tom Mallicoats, das sich in übermenschlichen Tonhöhen tummelt.
Trotz kompakter Länge ist der ein oder andere Song mit epischem Anstrich versehen, außer jenem Opener z.B. auch "Killing Machine" und die größte Hinterlassenschaft der Bandgeschichte, "Another Day", das als Gänsehautballade mit traumhaft melancholischen Gitarren-Arpeggios und zum Heulen schönem, anmutvollem Gesang startet und dann schier explodiert. So haben Lethal - wenn man die unabdingbaren Vergleiche mit Queensryche weiter bemüht - auch so etwas wie ihr "The Lady Wore Black". Und selbst wenn der Band ein großes Epos im Stile von "Roads To Madness" fehlt, ebenso wie ein echtes musikalisches Alleinstellungsmerkmal, so ist diese dreiviertel Stunde auf höchstem Niveau doch ein völlig zu Unrecht (fast) versunkener Schatz der Metalgeschichte.
1995 legten Lethal mit der EP "Your Favorite God" nach, und es gab sogar noch ein weiteres Album. "Poison Seed" war 1996 nochmal richtig klasse. Während Queensryche gerade an ihrem Mega-Flop "Hear In The Now Frontier" bastelten, bewiesen Lethal Mitte der 90er, dass sie sich nicht verbiegen ließen und schwammen sich mit differenzierterem Sound und Songwriting sogar ein wenig von den frühen Einflüssen los. Das geschah allerdings zu einer Zeit, in der noch viel weniger Menschen Notiz von der Band nahmen. Und so bleibt vor allem bzw. ausschließlich das unterm Strich auch stärkste Werk, nämlich "Programmed" im Langzeitgedächtnis des Metal-Undergrounds gespeichert.
Wie viele andere Bands im Genre, siehe u.a. Mystic Force, schafften Lethal leider nie den kommerziellen Durchbruch, weil ihre Nische schon besetzt war. Selber Schuld oder großes Karriere-Pech - das kann jeder für sich selbst entscheiden. Auf jeden Fall bewiesen sie immer wieder Durchhaltevermögen und zeigten, dass sie es auch nach Jahrzehnten noch voll drauf haben, z.B. auf dem Bang Your Head Festival 2007 in Deutschland - mit einer Setlist prall gefüllt mit "Programmed"- Stücken. Ein neues Album nicht ausgeschlossen!
Line-up:
Tom Mallicoat (vocals)
Eric Cook (guitar)
Dell Hull (guitar)
Glen Cook (bass)
Jerry Hartman (drums)
Tracklist
01:Fire In Your Skin
02:Programmed
03:Plan Of Peace
04:Another Day
05:Arrival
06:What They've Done
07:Obscure The Sky
08:Immune
09:Pray For Me
10:Killing Machine
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