Life Line Project / Distorted Memories
Distorted Memories Spielzeit: 65:03
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2010
Stil: Symphonic Rock

Review vom 24.11.2010


Boris Theobald
Life Line Project, das ist Erik de Beer - und Erik de Beer ist das Life Line Project. Obwohl ... seit der Wiederbelebung im Jahr 2003 ist aus dem des Life Line Project doch eine Art richtige Band geworden. Schon seit Ende der 80er hatte der gebürtige Den Haager sein Projekt am Laufen, aber erst in der jüngsten Phase auch mit 'echter' Band statt Studiogästen. Mit seiner Mannschaft nimmt er in atemberaubenden Tempo Alben auf, bislang größtenteils Neuinterpretationen seiner betagteren Werke. Und auch auf dem 2010er-Album sind größere Teile recycelt, im Original auch von de Beers Ex-Bands Brancard und Zoundworks aus den Früh- bzw. Mitt-Achtzigern.
"Distorted Memories" - wohl gar nicht mal so schlecht geraten, der Titel des neuen Albums. Zumal Zeit hier mal so überhaupt keine Rolle zu spielen scheint. Erik de Beer komponiert Musik mit Jahrgangs-Etikett wie aus dem Weinkeller und scheint rein stilistisch die Schöpfungsgeschichte des Symphonic Progs nacherzählen zu wollen. Klanglich wird das allerdings mehr als einmal zu einer 'Er-Schöpfungsgeschichte'. In den zahlreich vorhandenen rein instrumentalen Stücken, die schon in epischen Längen angelegt sind, werden die Nerven des Zuhörers durch lang(atmig)e Moog- und Superretrosynthesizer-Pirouetten arg strapaziert, siehe "Life Line Suite" oder "Reaper Of The Keys".
Natürlich hat das Life Line Project mehr zu bieten als das - immerhin eine ziemlich reich bepackte Orchestral-Fraktion. Querflöte, Geige und die eher seltener in symphonisch rockenden Line-ups zu findende Oboe - das ist schon 'ne ganze Latte an Klangpotenzial; und das wird auch genutzt. Es wird hübsch melodisch durch die Instrumente variiert; und es fließt dabei auch ein Hauch von Jazz mit ein, siehe bzw. höre so manche Klaviereinlagen bei "Distorted Memories" oder auch die Rhythmik von "Caelum Aurum", über die von den Instrumentalisten wirklich hübsch - so hat es zumindest gelungernermaßen den Anschein - jazzähnlich improvisiert wird.
Nett sind auch die Einlagen von klassischer Orchestergitarre ("Caelum Aurum", "Interlude"), Mandoline ("Acoustic Spring"), knarzender Orgeln und Hard Rock-E-Gitarre (super Doppelsolo gegen Ende von "Life Line Suite") - hier beweist Musiklehrer Erik de Beer, dass er Tasten- wie Saiteninstrumente bestens beherrscht. Nur wirken die harmonischen und melodischen Strukturen vielerorts nicht all zu inspiriert. Man nickt die ordentlichen Leistungen wohlwollend ab und muss zwischendurch ein Ohr zudrücken, wenn die Keyboards kitschigerweise so klingen, als hätte de Beer sich in den tiefsten Tiefen der Achtziger mit einer Titelmelodie für das Traumschiff bewerben wollen (Beispiel: "Distorted Memories", ab 4:15). Unverständlich, diese klanglichen Brüche im ansonsten schön organischen, übrigens rein analog kreierten 70er-Sound.
Die Grundmelodie von "Distorted Memories" klingt außerdem (absichtlich?) wie aus einem Kinderreim geklaut - da sorgen auch die gefälligen Variationen nicht mehr für viel Spannung. Trotz ein paar gut eingepflanzter Radikal-Wechsel - was da kommt, überrascht zu selten. Eine mittelprächtige Angelegenheit ist der Gesang, den Maruschka Kartosonto bei insgesamt drei Stücken des Albums beisteuert. Beim Sing-Märchen "Frozen Heart" klingt das arg verkitscht und vom Ausdruck her sehr eindimensional. Bei der zweiten Nummer mit Gesang, "P.C. Left Is Right" hat Erik de Beer nicht nur deutlich bei "The Mission" von Queensrÿche abgekupfert (okay, vielleicht kannte er es nicht?), sondern zusätzlich zur textlich eher peinlichen Hymne auf die Politikverdrossenheit auch noch ein astreines ABBA-Stück kreiert, weia ...
Einzig das mehr als 13 Minuten lange "The Final Word" ist mit seinem Wechsel aus Gesangs- und Instrumentalpassagen ein Lichtblick (auch) in der vokalen Abteilung. Hier hat der Gesang etwas mehr Leidenschaft und Tiefgang, hier breiten sich die Melodien schön intuitiv aus, es gibt eine flotte instrumentale Laufsteg-Präsentation von Querflöte, Moog, verzerrter Gitarre, Orgel und Jazz-Piano; und es wird sehr geschickt mit Spannung und Dynamik gearbeitet. Aber auch, wenn ausgerechnet das lange Schmuckstück des Albums doch sehr positiv heraussticht - alles in allem ist die Substanz auf dem gesamten Album ein wenig dünn. Die trotz einigem Kitsch immer wieder aufkeimende Spielfreude will einem doch selten ans Herz gehen. 5 von 10 RockTimes-Uhren.
Line-up:
Maruschka Kartosonto (lead and backing vocals)
Elsa de Beer (flutes)
Dineke Visser (oboe)
Josine Fraaij (electric and acoustic violins)
Jason Eekhout (electric and acoustic guitars)
Jody van der Gijze (classical and electrica guitars, backing vocals)
Erik de Beer (electric and acoustic pianos, organ harpsichord, Moogs, synthesizers,guitars, lute, chitarrone, mandolin and backing vocals)
Iris Sagan (4 and 5 string bass guitars)
Ludo de Murlanos (drums and persuccion, roto-toms, renaissance drum, triangle, claves, tambourine and cowbell)
Tracklist
01:Ignition (0:40)
02:Distorted Memories (5:28)
03:Life Line Suite (9:57)
04:Frozen Heart (4:47)
05:Caelum Aurum (6:46)
06:Interlude (1:22)
07:Reaper Of The Keys (5:42)
08:P.C. Left Is Right (5:26)
09:Acoustic Spring (2:01)
10:Steam Roller (6:41)
11:The Final Word (13:22)
12:The Dancing Dutchess (Bonus Track) (2:46)
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