Ligro / Dictionary 3
Dictionary 3 Spielzeit: 63:50
Medium: CD
Label: Moonjune Records (Cargo Records), 2015
Stil: Fusion, Jazz, Avantgarde

Review vom 27.05.2015


Markus Kerren
Kann man die Musik des indonesischen Trios Ligro wirklich beschreiben? Ja und nein - und wenn, dann wirklich auch nur ansatzweise. Oder um meinen geschätzten Kollegen Joe mal zu zitieren, der die Vorgängerscheibe Dictionary 2 reviewte: »Man muss bei dem Dreier nur mit allem rechnen, weil ihre Musik unberechenbar ist.« Dieser Satz bringt die Fusion-, Jazz- und Avantgarde-Musik Ligros eigentlich ziemlich gut auf den Punkt.
Jazz ist die Ausgangsbasis für Ligro und es ist der Jazz jener Sorte, die mich (zumindest beim Opener "Bliker") desöfteren mal an die stilistisch in dieser Richtung angesiedelten Arbeiten von Frank Zappa denken lässt. Total abgefahren was sowohl viele der Tonfolgen als auch der Tempiwechsel innerhalb des Stücks betrifft - und dennoch zu großen Teilen eingängig sowie melodiös. Überhaupt ist der eröffnende Titel mein persönlicher Favorit auf dieser Scheibe, woran der Gast Ade Irawan ganz sicher nicht schuldlos ist. Auffallend oft steht er mit seinem perlenden Spiel entweder bei abgedrehten Soli oder klugen Untermalungen während dieser 14 Minuten im Vordergrund.
Der direkte - nochmal eine Minute länger andauernde - Nachfoger "Pentagonal Krisis" ist dann ein wahrer Showcase für den Gitarristen Agam Hamzah, der hier die Saiten seiner Gitarre abwechselnd im cleanen oder stark verzerrten, fast schon Fuzz-Sound zum Glühen bringt. Und während Hamzah sich zeitweise in seinen Soundorgien geradezu zu verlieren scheint, taucht ganz urplötzlich (erst leise, dann immer lauter werdend) Adi Darmawan auf, der die Melodieführung auf dem Bass übernimmt und dem eigentlichen Song einen zweiten hinzu zu fügen scheint. Schließlich fällt die Nummer nach einem wahren Höllenritt wieder in sich zusammen, als wenn sie nie dagewesen wäre. Krass, aber dafür auch verdammt interessant!
Auch nach der ersten halben Stunde dieses dritten Albums von Ligro braucht man erst gar nicht mit kürzeren Songs zu rechnen, auf strukturierte Inhalte zu warten oder gar auf etwas Entspannung zu hoffen. Selbst wenn die ersten Minuten von "Tragic Hero" in einem sehr sanften Klanggewand daher kommen, so ist man sich als Hörer eigentlich sicher, dass da ne Bombe in der Torte ist... sein muss. »Bei Ligro muss man nur mit allem rechnen, weil ihre Musik unberrechenbar ist.« Ja, genau, denn bei diesem Song passiert bis zum Schluss dann tatsächlich doch nicht mehr allzu viel, zumindest ziehen die erwarteten musikalischen Stürme, Regen, Schnee und Hagel (im sprichwörtlichen Sinn, also nicht negativ gemeint) nicht erneut das gleiche Donnerwetter ab, wie bei den ersten beiden Titeln. Also den (Band-unerfahrenen) Hörer schon wieder reingelegt...
Auf die letzten beiden Tracks muss ich nicht mehr näher eingehen, da auch hier das (scheinbar konzeptlose und daher geniale) Konzept von Ligro weiter fortgeführt und entwickelt wird. Nicht unerwähnt bleiben darf allerdings auch der Schlagzeuger Gusti Hendy, dessen äußerst variables (was sowohl Feeling, Technik als auch Ideenreichtum angeht) Spiel die vorliegende Scheibe erst zu dem macht, was sie ist.
"Dictionary 3" ist nicht unbedingt ein Album zum Relaxen, hier geht zu allergrößten Teilen ganz mächtig die Post ab. Die Scheibe kann anstrengend sein, wenn man sie unbedacht und/oder im falschen Moment am falschen Tag auflegt, aber sie kann auch ein total abgefahrener Trip in musikalische Welten sein, die einen mitreißen, durchschütteln, zum Trocknen an einen Ständer hängen und kurz vor dem zu Bett gehen nebenbei wieder von der Leine lassen. Jazz, Rock, Fusion, Avantgarde... vertreten ist hier alles und das sogar richtig stark, wenn man die musikalische Arbeit der Instrumentalisten betrachtet.
Und noch einmal kann ich Joe nur beipflichten: Auch "Dictionary 3" ist ein Album für Aufgeschlossene, die sich an weit angelegten Improvisationen und musikalischen Gedankensprüngen (für Fortgeschrittene!) erfreuen können. Diese Leute werden allerdings ein wahres Fest mit dem indonesischen Trio Ligro abfeiern.
Line-up:
Agam Hamzah (guitars)
Gusti Hendy (drums & percussion)
Adi Darmawan (bass)

With:
Ade Irawan (piano & keyboards - #1)
Tracklist
01:Bliker 4 (14:16)
02:Pentagonal Krisis (15:11)
03:Tragic Hero (13:50)
04:The 20th Century Collaseu (11:40)
05:Lonely Planet (8:20)
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