Lis Er Stille / The Collibro
The Collibro Spielzeit: 66:28
Medium: CD
Label: VME/Brutal But Sentimental Records, 2010
Stil: Progressive Post Rock

Review vom 22.09.2010


Ingolf Schmock
Einfallsreichtum und das Umsetzen von innovativen Ideen unter dem Banner entspannender Lebensweisen zählten schon immer zu den Stärken nordischer Völker, Umstände derer sich durchaus dessen musizierende Zunft gerne annehmen, um ihre hyperkreativen Schnapsideen auszubrüten.
Nun haben sich seit einigen Jahren fünf etwas finster dreinblickende Gesellen aufgemacht, Dänemarks sonst musikalisch wässrige Poplösungen und krude Schredderware stiefmütterlich zu behandeln, um ihr vermeintlich eigenes Süppchen zu montieren.
Das Quintett oszilliert auf ihrem mittlerweile dritten Studioerguss eine etwas irritierende Lösung aus sehnsuchtsgetränktem Bombast, raumgreifender Metal-Kauzigkeit und prätentiösem Post Rock-Gehabe, welche sich im ersten Hördurchgang kompositorisch sehr verkopft und allenthalben durch distanziertes Kalkül abzugrenzen vermag.
Mit der endlosen Dramaturgie einer Jahrmarktskapelle vertonen die schmerzhaft lebendigen Arrangements mit satter geschliffener Instrumentierung und nebulöser Brachial-Ästhetik den von grauen Gedanken umschmückten und zeitgenössischer Klassik verhauchten Größenwahn.
Die Protagonisten bemühen sich über weite Strecken stagnierende Post Rock-Strukturen mit klassischem Experimentiergeist aufzubrechen, und mit prallen Piano-Interventionen nebst scheppernden Gitarrenmustern zu umspielen, verlieren sich trotz aufgeblähter bzw. mit breiter Borste aufgetragener Klanganstriche dennoch nie im selbstverliebtem Solieren.
Die von schwülstigen Streichern geprägten Merkmale spielen auch auf "Collibro" eine tragende Rolle, auch wenn die bisweilen schmierigen Dröhnungen neuerdings durch opulente Tasten-Gewänder verhüllt werden. Dabei sind die musikalischen Anspielungen bzw. Zitate britischer Psyche und Alternative Rock-Ikonen wohlwollend mit den kreativen Funken der Jungs verbunden, als dass man die vermeintlichen Ursprünge für übermächtig empfindet.
Martin Byrialsens Wechselbäder zwischen eisigem Bariton und unheilvoll vorantreibend falsettierender Fistelstimme, das archaische Sägen der Saiten nebst einem dramatisierenden Tastengrund und hypnotisierender Electronica, addieren sich des öffterem zu einem kosmischen Endzeit-Soundtrack.
Glücklicherweise vermögen es die königlichen Rock-Expressionisten, dem verdichtendem Kleister und den Verzweifelungsgesängen einen Hauch Karges entgegenzusetzen, beherrschen die unumwundene Stringenz bzw. ein handwerkliches Augenmaß für andächtige Sprengkräfte, um das ausdruckstarke Tempi-Wechselspiel am Atmen zu erhalten.
Auffallend ist dabei die demonstrative Demontierung rockistischer Refrains, stattdessen destillieren die Instrumentalisten aus dem dichten Sound-Dschungel, ein Sinne umnebelndes Gesöff aus unkonventionell komponierter Schwere und technoider Westentaschen-Symphonie.
So vermögen etwa die beiden prachtvollen und jenseits von Zehn-Minütern auftrumpfenden "Shards Of The Ending" und "The Real Children" mit feurigen Klaviergirlanden, zähflüssigen Orgelschwällen nebst schnarrendem Gitarrenwust und bisweilen hohepriesterlich beschwörenden Sing-Ritualen, ein ineinander verschachteltes Düsterkino mit Floydschen Ressourcen zu verzetteln, und bei Letzterem sogar mit schockgefrorener Streitaxt zu attackieren.
Lis Er Stille faszinieren und irritieren den mit konventionellen Prog-Hörgewohnheiten verhafteten Konsumenten gleichermaßen, füttern ihr kompositorisches ausgewogenes und bisweilen experimentelles Vermächtnis mit der finsteren Schönheit verschlissener Post Rock-Prothesen versus psychedelischer Ursuppe und Miniaturen aus dem Klassik-Setzkasten.
Diese musikalischen Arbeiten schaffen es beileibe, mit ihrem emotionierten Brückenschlag zwischen selbstverzehrender Zerschlagenheit und gebremstem Optimismus zu fesseln, wenn nicht gar sich als perfektes Vorspiel zum laubbunten bzw. melancholieschwangeren Herbst zu empfehlen.
Line-up:
Martin Byrialsen (vocals, keyboards, piano)
Tue Schmidt Rasmussen (guitars)
Asbjorn Helboe (bass, synth)
Jon Gotlev (drums)
Tracklist
01:All The Blood
02:Send In The Scouts
03:Recalling The Color
04:Like A Common Wave
05:Shards Of The Ending
06:Through The Quest Of Your Designs
07:Break Or Seal
08:The Real Children
09:The Painted
10:Behold The Remnant Parts Of Me
11:In The Seed
12:Beneath The Broken Country
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