Livin' Blues / Hell's Session
Hell's Session Spielzeit: 31:57
Medium: CD
Label: Repertoire Records, 1991 (1969)
Stil: Blues /Bluesrock


Review vom 23.02.2007


Jürgen Bauerochse
Befasst man sich etwas intensiver mit der Musikgeschichte, so stößt man unweigerlich am Ende der sechziger Jahre auf den sogenannten 'British Blues Boom'. Mit einem Mal schossen englische Bands, die sich elektrische Gitarren umschnallten und der alten traditionellen Musik aus Amiland ihren Tribut zollten, wie Pilze aus dem Boden. Natürlich gab es mit Alexis Korner, John Mayall und Duster Bennett schon vorher Liebhaber des Blues auf der Insel, aber nun wuchs ihre Zahl fast ins Uferlose.
Selbst im Mutterland des Blues hatten viele dieser neuen Gruppen große Erfolge zu verzeichnen. So konnten Fleetwood Mac und Savoy Brown in den USA mehr Fans gewinnen als in ihrer Heimat, und Bands wie Taste , Chicken Shack , Ten Years After und Steamhammer gehörten schnell zur ersten Garde dieser Musikrichtung. Selbst Wishbone Ash und Jethro Tull hatten ihre Wurzeln im Blues und entwickelten sich, darauf aufbauend, immer weiter.
Doch auch auf dem europäischen Festland nahmen viele Gruppen diese Musik an. Bestes Beispiel die niederländische Combo Livin' Blues. Bis in die Mitte der Siebziger Jahre galten sie als Aushängeschild des elektrifizierten Blues/Bluesrock und waren immer gern gesehene Gäste bei zahlreichen Festivals. Mit dem Titel "L.B. Boogie" vom Album "Bamboozle" konnten sie sogar eine Top-Plazierung in den Charts erreichen. Doch zahlreiche interne Querelen hatten immer wieder personelle Veränderungen zur Folge und sorgten schließlich für den endgültigen Split der Band im Jahr 1976.
Für mich ist allerdings das Debüt-Album der holländischen Bluesrocker aus dem Jahr 1969 noch die hörenswerteste Scheibe. "Hell's Session" ist nicht nur der einzige Longplayer, der in der Originalbesetzung eingespielt wurde (vor den Studioarbeiten zu "Wang Dang Doodle" mussten Drummer Cesar Zuiderwijk und Bassist Henk Smitskamp gehen), es wurde auch das interessanteste Songmaterial von Leuten wie Willie Dixon, Muddy Waters und Little Walter für die Aufnahmen ausgewählt und in den harten Bluesrock-Stil von Livin' Blues umarrangiert. Für die Produktion war Joop Eggermont verantwortlich, der später auch mit Golden Earring im Studio war.
Livin' Blues spielte einen sehr bodenständigen, kompromisslosen Bluesrock, der von dem gewaltigen Organ Nicko Christiansens und der traditionell geprägten Bluesgitarre Ted Obergs lebte. Dadurch entstand eine große Dynamik innerhalb der Songs, die schnell dafür sorgte, dass Livin' Blues immer häufiger zu Headlinern bei diversen Festivitäten wurden.
"Waitin' On You" als Opener pumpt als purer Boogie gleich richtig was aus den Boxen. Satte Gitarrenriffs wechseln mit stoßweisen Harmonika-Tonfolgen. Da ist gleich jede Menge Dampf im Kessel, der aber schnell wieder in sich zusammen fällt, denn es folgt mit dem "One Night Blues" (Was für ein Name!) ein superslower Blues und gleichzeitig mein persönlicher Anspieltipp. Intensive Vocals beherrschen die Szene, bevor die Leadgitarre übernimmt. Zuerst ganz seicht und dann immer härter werdend, bis zur Ekstase. Dem Rezensenten bilden sich die ersten Schweißperlen auf der Stirn... Leider ist nach 6:37 Minuten der Spuk schon wieder vorbei.
Akustisches ist angesagt. 'Footstomping Music' at his best. Ich sehe mich zwischen riesigen Baumwollfeldern mit dem 'Mississippi Saxophon' an den Lippen. Das Delta des Blues muss in Holland liegen! Der Titelsong besteht aus einem instrumentalem Zwiegespräch zwischen Gitarre und Harmonika, in dessen Mitte ein recht intensiver Percussionteil eingearbeitet ist. "Big Road Blues" ist für die Hitparaden zuständig. Recht einfacher Rhythmus mit Pianobegleitung und mehrstimmigem Gesang. So was kommt automatisch auf die oberen Ränge der Charts!
Dann wird es wieder schwerer verdaulich. Erneut ist Slow Blues-Time angesagt. Diesmal wird der raue Gesang durch eine perfekte Harmonika unterstützt und ergänzt. Leider nur drei Minuten lang. "Black Panther" hätte ruhig noch einige Zeit weiterlaufen können.
Es folgt mit dem treffenden Namen der ruhigste Song des Albums. "Worried Dreams" liegt vom Stil her etwa auf einer Linie mit Fleetwood Macs "Albatross". Genau so mystische leise Gitarrenklänge werden hier von einer zarten Bluesharp gekonnt untermalt. Im Gegensatz zu Peter Greens instrumentalen Stück lebt "Worried Dreams" jedoch auch von den, wenn auch sehr zurückgenommenen, Vocals.
Der "Big Black Train" beschließt dieses Album. Der Song weist eine frappierende Ähnlichkeit mit dem "Hellbound Train" von den Kollegen Savoy Brown auf, so dass ich mir nicht sicher bin, wer hier von wem geklaut hat.
Nach nur knapp 32 Minuten ist diese CD durch, mit der Livin' Blues sich als beste niederländische Bluesband neben Cuby & Blizzards in die Geschichtsbücher eintragen konnten.
Line-up:
Nicko Christiansen (vocals, bongos, guitar)
Ted Oberg (leadguitar)
John La Grand (harmonica)
Henk Smitskamp (bass, keyboards)
Cesar Zuiderwijk (drums)
Tracklist
01:Waitin' On You
02:One Night Blues
03:Bowlegged Woman
04:Hell's Session
05:Big Road Blues
06:Black Panther
07:Worried Dreams
08:Big Black Train
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