Eine Platte, zwei Meinungen. Wolfgang legt vor und Ulli schiebt nach.
Wolfgangs Eindruck:
Durchweg gute Kritiken haben die Vorgängeralben erhalten, auch hier im Magazin. Die in der letzten Rezension angesprochene Tradition, jedes Mal einen anderen Rezensenten vorzufinden, führe ich hiermit fort. Angesichts einiger Lobeshymnen traue ich mich schon gar nicht, etwas Gegenteiliges feststellen zu wollen. Denn, um es gleich vorweg zu nehmen, sehe ich das Eine oder Andere dann doch etwas anders.Einige Zitate aus vorherigen Rezensionen, die mir in diesem Zusammenhang auffielen, hier als Erstes:
»...denn der relaxte, treibende Sound nimmt einen sofort gefangen...«
»...Keine Minute langweilig grooven die Stücke über eine Stunde... «
»...eine losgelöste Leichtigkeit, die den Zuhörer erneut in diese irgendwie unwirklich scheinende Welt, diese herrlichen Traumlandschaften zurückzieht...«
»...Die Mischung macht es aus und die scheint auf der ganzen Linie gelungen...«
In Verbindung mit Zeitloop hatte ich den Namen Joe Weninghoff übrigens erst einmal gehört.
Die Einleitung mit dem kurz eingeworfenen E-Gitarrenlauf klingt nach "Shine On You Crazy Diamond" von Pink Floyd, doch dann versammeln sich nach und nach mehrere Einflüsse. Akustische Gitarren, im Hintergrund schwelende Keyboards und der mehr zweitrangig angeordnete Gesang versuchen eine Einheit zu bilden, ohne dass für mich wirklich alles zusammenwächst. Dazu auch noch die Perkussion, die spontan den Schluss zulässt, weniger, aber dafür mit mehr Tiefe, wäre eventuell mehr gewesen. So erkenne ich kein klares Konzept, die Musik schwebt eher vor sich hin, es fehlt an Akzenten, Akzenten, die mich aufmerksam machen, die eine 'Mitte' schaffen, die unbewusst nach etwas Besonderem suchen.
Nun gut, Musik muss nicht unbedingt spektakulär sein, auch ich bin kein Freund von 'Schneller, Besser, Höher, Weiter', doch ist für mich etwas anderes wichtig, nämlich der Aspekt des 'Zupackens', Zupacken, das nichts mit Showgehabe, mit Höchstleistungen und viel Energie zu tun haben muss, aber mit Ausdruck und tiefer Emotion. Genau das vermisse ich bei diesem Opener, sowohl im Gesang als auch im Arrangement, lediglich die E-Gitarre vermag gelegentlich gute Akzente zu setzen.
Merkwürdig, bei "Summer Sun" wird nunmehr ein Schritt in diese Richtung vollzogen, gleich von Beginn an werden klare Strukturen geschaffen, wird ein Wiedererkennungswert geschaffen, wird Zugänglichkeit praktiziert. Harmonisch im Arrangement, harmonisch im Einsatz der Stimmen, zurückhaltend, aber gezielt eingesetzte Gitarreneinwürfe, so ist das eindeutig besser. Nicht so sehr gefallen mir der leicht schwülstige Keyboardeinsatz, das hätte gern mehr im Hintergrund bleiben können sowie auch die steif wirkenden, programmierten Drums.
Aber, erleichtert kann ich feststellen, dass der erste Titel hinsichtlich meiner zu jenem geäußerten Kritik offensichtlich ein Ausrutscher gewesen sein mag, geht es doch auch mit Track drei ambitionierter zu.
Hier hätte ich die etwas zart im Hintergrund agierende E-Gitarre gern etwas präsenter gehabt. Weninghoff sollte sich trauen, mehr aus sich heraus zu gehen, so klingt es bisweilen recht zaghaft.
Die Background Vocals auf diesem Stück dafür bitte ersatzlos streichen, sie bringen Unruhe in den Titel.
Auch die hauptsächliche Sängerin Cetinyilmaz würde ich kraftvoller agieren lassen, damit sie mit ihrer ausdrucksstarken Stimme mehr akzentuieren kann, den Druck darin kann ich doch spüren, also zurück mit der Zurückhaltung.
Besser passt die Zurückhaltung insgesamt auf dem sehr ruhig gehaltenen Song "I Know I Know", der in der Tat etwas von Pink Floyd'scher Atmosphäre einbringt. Da werden nun einmal echte Drums eingesetzt, auf "Taking Me Down", doch rumpeln sie mehr als sie mich begeistern können - das bisher eindeutig langweiligste und für mich überflüssigste Stück.
Was jetzt - ein Herr singt? "The Fields Inside", ja, Marco Platzer ist es, sorry, aber das kommt mir auch recht steif und bemüht, leider geht mir die Spannung, die sich ab dem zweiten Titel angenehm aufgebaut hatte, wieder verloren. Ob sie wiederkommt? Erst einmal nicht, bis "Mountain Peaks" eine gute Abwechslung bringt. Das Ganze wirkt hier stimmiger, und mit einem gewissen angenehm altmodischen Ausdruck deutet sich auch bei diesem Titel an, was ich für entwicklungsfähig innerhalb des Konzepts halte. Wenn sich dann nach dem kurzen Gitarrensolo bei fast Minute Fünf die Keyboards breitflächig in den Vordergrund drängen, dann macht sich doch noch ein gewisses angenehmes Wohlgefühl bei mir breit. Und genau hier sehe ich dann auch das Potential: Bei langen Stücken wie diesem kann Entwicklung stattfinden, sich Freiheit entwickeln, die bei den kurzen Titeln in ein Korsett gezwängt wird, das nur dann nicht störend wäre, wenn die Arrangements prägnanter wären.
Also, loslassen, improvisieren was das Zeug hält und lange Klanglandschaften wie diese malen! Die Palette hierfür wird dann noch einmal mit dem letzten Song herausgeholt. Dieser und der vorgenannte Track sind für mich die Höhepunkte sowie als kleiner 'Hit' das Stück "Summer Sun"! Zusammen mit "Family Affair" für mich persönlich immerhin vier gute Stücke...
Für die totale Entspannung ist mir die Musik nicht 'watteweich' genug, mir fehlt etwas, vielleicht hinsichtlich der Abwechslung auch der auf früheren Platten spielende Flötist. So vermisse ich eine gewisse 'Abgeklärtheit', teilweise dümpelt die Musik zu sehr an der Oberfläche und wirkt dadurch flach, und offenbart nicht die wahre Schönheit, die ihr eigentlich im Kern innewohnt. So empfinde ich den Sound oft als zäh, steif und starr und uneinheitlich. Das liegt vielleicht auch daran, dass instrumental fast nur Weninghoff tätig ist, einige Begleitmusiker würden möglicherweise ganz gut tun, und ein echter Drummer, der Flexibilität in die Musik bringen könnte. Die einzelnen teilweise recht guten und interessanten Elemente finden nicht immer zusammen und lassen mich leider eher gelangweilt als erfreut zurück.
Ulli sieht das so:
Da Wolfgang mit Zitaten beginnt, habe ich einen leichten Revieweinstieg, denn ich kann es ihm gleichtun:
»Angesichts einiger Lobeshymnen traue ich mich schon gar nicht, etwas Gegenteiliges feststellen zu wollen. Denn, um es gleich vorweg zu nehmen, sehe ich das Eine oder Andere dann doch etwas anders...«. Und das ist gut so: Die gegenteilige Meinung, meine ich. Schlecht wäre es, wenn ein Schreiber auf Grund vorheriger Meinungen seine eigene anpassen würde. Machen wir nicht und weil Ehrlichkeit am längsten währt, kommt es schon mal vor, dass sich ein Musiker für negative Kritik bedankt und Besserung verspricht. In der Tat, das ist vorgekommen. Selbstverständlich ist die Reaktion von Musikern bei negativen Reviews in der Regel eher eine andere. Aber das ist uns eigentlich egal, und jedes Review ist immer 'nur' die subjektive Meinung einer Person. In krassen Fällen lassen wir auch schon mal mehrere Redakteure zu Wort kommen.
Die neue Loving The Sun-Platte ist übrigens kein krasser Fall, aber wir haben das Album zweimal bekommen. Einmal vom Promoter und dann auch vom Protagonisten selbst. Selbstverständlich gibt das dann auch von jedem Albumbesitzer Feedback.
Mein Eindruck, als ich "The Path Of Love" das erste Mal hörte, war allerdings ein anderer. Starkes Teil mal wieder, dachte ich und hab sie abends in Ruhe bei einem guten Glas Wein sehr genossen. Ich finde es auch spannend, dass selbst innerhalb 'kompatibler' Geschmacksmenschen die Meinung divergieren kann. Nicht viel - denn schließlich heißt es nicht Kreissägensoundliebhaber vs. Kuschelrocker - aber immerhin.
Nichtsdestotrotz, mir haut der Opener gleich auf die Zwölf und ich denke, da zeigt sich bereit, wieso mein Kollege zu einem etwas anderen Schluss gelangt. »... die Musik schwebt eher vor sich hin ...«. Genau! Genau das ist es: Tranceartig, repetativ mit leicht psychedelischem Timbre und exakt das ist es und das soll es. Nicht mehr und nicht weniger. Nicht denken, nicht auf etwas warten - »Let the music do the talking«. Diesmal mit geballter Verve weiblicher Stimmen erfährt der Multiinstrumentalist Joe Weninghoff die treffischere Unterstützung. Einige der Stücke sind in der Tat sehr ohrgefällig, wie auch Wolfgang schreibt. Geradezu perfekt in Harmonie und Darbeitung, das mit leichtem Slideeinsatz garnierte und countryangehauchte "Friendship". Ganz anders und nicht minder perfekt läuft "I Know, I Know" wie psychedelischer Honig in meine Gehörgänge. Die Vocals lassen träumen und irgendwie hat das Stück etwas, was nicht gleich zu greifen ist, man muss es wieder und wieder hören - und wirken lassen. Ob es mal in Richtung Pink Floyd tendiert, oder Assoziationen an "Tubular Bells" weckt, es ist einfach klasse.
Wolfgang! Wir müssen uns mal beide mit einem eiskalten Pfälzer Riesling am Feuer niederlassen. Dein herbes norddeutsches Pils und den lauwarmen Gin aus den Jazzkellern lassen wir außen vor. Deinem »Da werden nun einmal echte Drums eingesetzt, auf "Taking Me Down", doch rumpeln sie mehr als sie mich begeistern können - das bisher eindeutig langweiligste und für mich überflüssigste Stück« muss ich energischst widersprechen. Dieses Stück packt mich! Akzentuierte Drumschläge begleiten ein, wie ich finde, dahinschleichendes (im positivsten Sinne) Stück. Klar, da kommt nichts, keine Spitzen, keine 180 Grad-Breaks. Es chillt gemütlich und könnte meinetwegen viele weitere Minuten so dahindriften. Wie gesagt, du bist zur Pfälzer Weinprobe eingeladen ...
Wir sind d'accord bei "Mountain Peaks". Mit ewtas Vorstellungskraft, die u.a. die weiblichen Vocals 'ausblendet' kann ich mir diesen Track auch als Lee Clayton-Nummer vorstellen. Und nochmals d'accord, was die Tracklänge angeht: Loving The Sun brät sich so richtig ins Hirn, je länger die Stücke dauern. Gerade bei "The Bride" wird das klar. Die Keys bauen sich gemächlich auf, der Song beginnt 'Stimmung' zu erzeugen, die Percussion lässt die Schultern so langsam in den Rhythmus mit einsteigen und dann ist er auch schon vorrüber. "Never Loose Your Faith In Love", ja, da sind wir wieder einer Meinung. Klasse, was die Musiker da an Feeling in Richtung Hörer transportieren. Auch die Länge stimmt und gibt uns die Chance, tief einzutauchen in den Loving The Sun-Kosmos. Zurücknahme der Intrumente und die Vocals in den Vordergrund ... das sind gekonnte, abgerundete Breaks, die einen mit Spannung auf den wiedereinsetzenden Groove warten lassen. Das ist großes Kino.
Die 'fehlende' Flöte wurde erwähnt. Ich setz noch einen drauf: Eine dezent abgemischte, hier und da gedämpfte Trompete würde wahrscheinlich (mir sicherlich) vielen die Begeisterungstränen in die Augen treiben. Ja es stimmt, der »Popanteil ist größer geworden«, aber er verwässert nicht - ja, das Wort Pop ist bei dieser Band auch nicht in dem Sinne zu verstehen, wie man ihn im Allgemeinen definiert.
Ich jedenfalls freu' mich schon jetzt auf Joes nächsten Output und vielleicht höre ich eine leise Trompete, wenn ich diese kommende Scheibe zusammen mit Wolfgang beim Riesling goutiere ...
Line-up:
Alev Cetinyilmaz (vocals - #1, 2, 3, 4, 8, background vocals - #1, 3)
Andrea Heukamp (vocals - #1, 11, background vocals - all tracks)
Mary Craven (vocals - # 5, 6)
Christina Pollmann (vocals - #9)
Juliane Büker (vocals - #11)
Marco Platzer (vocals - #7, 10)
Uwe Hasenkox (drum fills - #6, percussion - #9)
Alfredo Hernandez (percussion - #1)
Joe Weninghoff (electric guitar, acoustic guitar, bass, drumloops, keyboards (all songs), percussion instruments - #1, 3, 5, 8, 10, 11, slide guitar - #4, 5, 6, 9, background vocals - #4)
Tracklist |
01:The Path Of Love [Cetinyilmaz/Christoffers/Weninghoff] (7:22)
02:Summer Sun [Christoffers/Weninghoff] (4:59)
03:Family Affair [Cetinyilmaz/Weninghoff] (5:40)
04:Friendship [Christoffers/Weninghoff] (5:21)
05:I Know, I Know [Craven/Weninghoff] (5:58)
06:Taking Me Down [Craven/Weninghoff] (4:51)
07:The Fields Inside [Platzer/Weninghoff] (4:28)
08:So Happy About [Christoffers/Weninghoff] (6:03)
09:Mountain Peaks [Pollmann/Weninghoff] (9:37)
10:The Bride [Platzer/Wenninghoff] (4:38)
11:Never Loose Your Faith In Love [Christoffers/Weninghoff] (8:00)
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