Lucas, White & Edsey / LWE
LWE Spielzeit: 53:42
Medium: CD
Label: ProgRock Records, 2006
Stil: Progressive

Review vom 04.12.2006


Ulli Heiser
Untrügliches Qualitätszeichen sind für mich sehr oft die Spielzeiten. Je länger der Song, desto größer der Ideenpool der Musiker, desto 'anspruchsvoller' der Inhalt - so jedenfalls meine Erfahrung. Ungeduldige Zeitgenossen, ich nenn sie mal Schnellschießer, sehen das anders.
»Was man in zwei oder drei Minuten nicht auf den Punkt bringen konnte, taugt auch nach fünf Minuten nichts«, sagte mir mal jemand. Kann man gelten lassen, wenn es um die typischen Bierschunkler geht. Ihr wisst ja, Rock'n'Roll, abrocken, Läuse fliegen lassen, Schoppenglas in der einen, Kippe in der anderen Hand. Alle drei Minuten einen neuen Song und weiter geht die Party. Ich erinnere trotzdem ganz vorsichtig an Stampfer vom Kaliber eines One Bourbon, One Scotch, One Beer. Was wären da läppische drei, vier, fünf oder so Minuten?
Aber lassen wir den Rock'n'Roll mal links liegen. Frank Lucas, Keyboarder und bekennender Fan von Jordan Rudess (Dream Theater), Drummer Chuck White sowie Bassist Steve Edsey setzen uns eine andere Kost vor. Als alter Rocker darf ich es sagen: eine Kost, deren Anspruch etwas höher geschraubt ist. Prog Rock statet der Waschzettel, schiebt aber auch gleich »...aggressive prog to smooth jazz to bluegrass from hell« nach. Das will ich aber auch meinen. Machen wir aus dem Prog Rock ein Progressive (ohne Rock), kommen wir der Sache schon näher. Musikalisch, so der Promozettel, könne man die Musik der Drei mit Bands wie Emerson Lake & Palmer, The Rudess Morgenstein Project, Bela Fleck And The Fleckstones und der Chick Corea Elektric Band vergleichen.
RMP kenn ich jetzt nicht, aber ELP kommt hin; zum Teil. So 'ne Mischung aus dem doch eher 'schweren' ELP-Eintopf mit dem leichten Süppchen einer Truppe namens Apollo 100. Viel mehr passt jedoch die jazzige Ecke. Und die Musiker dürfen brillieren. Der Bass in "Waiting For Bela" etwa. Da knarrt der Steg, die Saiten flirren und das kommt gewaltig. Ähnlich auch in "Hasta Manana", aber dort ist der Ohrenmagnet die Geige, gespielt von Gastmusiker Edger Gabriel. Mein lieber Herr Gesangsverein, die Saiten glühen, fetzen, werden verzerrt - so lecker und powervoll habe ich selten 'eine Art' Klezmer-Nummer gehört. Jetzt fehlt nur noch Giora Feidman mit seiner Klarinette. Das wäre 'ne Party....
Das Album ist instrumental. Zumindest zu 99,8 Prozent. Ab und an hat es ein paar Stimmfetzen, oder eine hocherotische Dame, die mich zu Kaminfeuer und Wein einlädt. Smoother Barjazz der Art, die den Kopf über den Umweg durch den Unterleib erreicht. Heiß Leute, ganz heiß, die Nachtkappe, ähm "The Nightcap"!
Frank hat alle Tracks selbst geschrieben und das lässt einen schon mal den Hut lupfen. Ziehen muss man die Kopfbedeckung, wenn man seinen Tastenläufen lauscht. In Verbindung mit dem Felldrescher Chuck und dem dicke Saiten-Dompteur Steve fehlen hier die Vocals nicht im Geringsten. Ja selbst eine Gitarre würde nur unnötigerweise reinriffen. Das Trio überzeugt und nach intensivem Hören der Scheibe ist man nicht minder durchgeschüttelt wie der Rocker bei den Destroyers. "LWE" möchte ich denjenigen empfehlen, die gerne auch mal von Nachbars Kirschen naschen, sich keine musikalische Barrieren bauen... die halt einfach auf gute Musik stehen.
Fusion, Klassik-Rock, Smooth Jazz, etwas Symphonic - dazu drei perfekte Musiker. Das passt!
Line-up:
Frank Lucas (keyboards)
Chuck White (drums)
Steve Edsey (bass)

Special Guest
Edger Gabriel (violin)
Tracklist
01:Liberty (8:04)
02:Sleight Of Hand And Foot(7:56)
03:A Note To Jordan (7:09)
04:Hasta Manana (7:13)
05:Waiting For Bela (6:26)
06:The Nightcap (7:16)
07:A Dog And His Boy (4:48)
08:The Good Life (4:45)
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