Oft enden Gipfeltreffen mit keinen befriedigenden Ergebnissen, wenn es überhaupt welche gibt. Rumgestocher ist das, wenn nicht alle an einem Strang ziehen. Harper Lynwood Slim und die Igor Prado Band, eine der führenden Combos, wenn es um den Blues der Vierziger- beziehungsweise Fünfzigerjahre geht, haben für "Brazilian Kicks" gemeinsame Sache gemacht und als Gast den Pianisten Donny Nichilo in die Guidon Studios, Sao Paulo beziehungsweise Clear Lake Audio, North Carolina mitgenommen.
Lynwood Slim spielte zuerst Trompete, wechselte dann mit fünfzehn Jahren zur Harp. Neben einer ganzen Reihe von Alben unter eigenem Namen war er auch als Sessionmusiker unter anderem bei R.L. Burnside, Dave Specter, R. J. Mischo, Kid Ramos oder anderen Labelkollegen wie Mannish Boys, Candye Kane, Bobby Jones sowie Mike Zito aktiv. Außerdem hat er sich einen Namen als Produzent erarbeitet. Zusammen mit Jerry Hall gründete er 1998 das Label Pacific Blue Recording Company und 2000 folgte World Wide Wood. Mitte der Siebzigerjahre zog er von Kalifornien nach Minneapolis und war dort Frontmann der Lynwood Slim Band. Dann zog es ihn nach Chicago, wo er in Dave Specters Gruppe spielte und schließlich schloss sich der Kreis mit der Rückkehr in den Süden Kaliforniens.
Igor Prado hat sich das Spielen der Gitarre als Autodidakt beigebracht und mit seiner Band favorisiert er den Blues in den Untergruppierungen Rhythm & Blues, Jump Blues, Swing Blues sowie Spielarten des West Coast Blues. Der 12-Takter steckt immer im Tank und zusammen mit dem Harper machen die Musiker auf "Brazilian Kicks" noch mehr als das Erwähnte.
James Brown ist leider schon verstorben, aber wenn die erste Nummer der Platte läuft, dann funkt das so dermaßen stark, dass man meint "Shake It Baby" sei ein Brown-Song. Das Stück stammt von Amos Blakemore und Buddy Guy. Hier singt Igor Prado das einzige Mal. Mann, hat der feurigen Soul in der Stimme. Gigantisch! Lynwood Slim bläst die Querflöte und Denilson Martins' diverse Saxofone ergeben eine heiße Bläsersektion. Super, diese Eröffnung.
Ab "Is It True" übernimmt Lynwood Slim den Gesang und bei dem Track sind wir schon mittendrin und dabei. Es swingt und groovt herrlich entspannt. Linkshänder Prado haut ein genüssliches Solo raus und Pianist Nichilo hat ebenfalls was auf dem Kasten. Im Hintergrund wird der Song von der Einmann-Holzblasabteilung prächtig gefüllt und bei einer solchen Musik wächst die Spannung.
Mit "Bloodshot Eyes" nimmt die Sache Fahrt auf und wir hören herrlich gespielten Jump Blues. Im Zentrum des Tracks lässt man Martins große Freiheit beim Solo, seine Fills sind eine wahre Pracht und haben schon Big Band-Charakter. "My Hat's On The Side Of My Head" haut einen vollends aus den Pantoffeln. Unglaublich, dass diese Art von Blues mit Jazz sowie ein wenig Gypsy-Feeling überhaupt noch gespielt wird und auch noch sehr gut ankommt. Hölle, jetzt geht die Drehzahl aber fast an den roten Bereich. Jump Blues in Lichtgeschwindigkeit. Auf seiner Gitarre gibt es bestimmt keinen Bund und keine Saite, die von Prado hier nicht benutzt wurde. "Blue Bop" wurde von ihm geschrieben und natürlich darf bei diesem Instrumental bereits erwähnter Martins nicht fehlen.
"Little Girl" ist ein cooler Slowsong mit mächtig viel Blues-Inhalt aus der Windy City und Lynwood Slim zeigt, wozu er auf dem kleinen Instrument fähig ist. Schon wieder spürt man diese entspannte Atmosphäre bis unter die Haut. Lange hält sich die Gruppe nicht auf dem Rastplatz auf. Mit "Little Girl" fädelt das "Brazilian Kicks"-Gefährt ohne Probleme wieder in den fließenden Verkehr ein: "I Sat And Cried". Was ist denn jetzt los? Nun könnte man vor Freude vorsichtshalber das Taschentuch bereitlegen. Mit "Maybe Someday" treffen die Künstler genau zum richtigen Zeitpunkt das Bullseye. Auf hauchdünnem Eis wird Blues-Jazz oder Jazz-Blues im Stile von Big Bands zelebriert. Wer fällt einem denn dazu ein? Vielleicht Duke Ellington oder Benny Goodman. Eine Glanzleistung!
Dann folgt mit "Bill's Chance" noch so ein Ding, allerdings in der flotteren Auslage und wieder mit viel Martins-Saxofon. Von dem Mann kann man auch nicht genug kriegen.
Auch wenn das abermals groovende "The Comeback" und die Lynwood Slim Harp-Jam "Going To Mona Lisa's" nicht genauer beschrieben werden, hält man mit "Brazilian Kicks" ein hervorragendes Album in Händen. Jump Blues und die Verknüpfung zwischen 12-Takter sowie Jazz gibt es schon eine Ewigkeit. So, wie es Lynwood Slim mit der Igor Prado Band praktiziert, findet man kein Körnchen Staub auf deren Musik.
Line-up:
Lynwood Slim (vocals, harmonica, flute)
Igor Prado (vocals - #1, guitar)
Donny Nichilo (piano)
Rodrigo Mantovani (acoustic bass)
Yuri Prado (drums, percussion)
Denilson Martins (alto saxophone, tenor saxophone, baritone saxophone)
Tracklist |
01:Shake It Baby (3:23)
02:Is It True? (3:40)
03:Bloodshot Eyes (3:41)
04:My Hat's On The Side Of My Head (2:45)
05:Blue Bop (3:17)
06:Little Girl (5:49)
07:I Sat And Cried (3:04)
08:Maybe Someday (5:02)
09:Show Me The Way (4:09)
10:Bill's Change (4:44)
11:The Comeback (6:25)
12:The Way You Do (3:49)
13:Going To Mona Lisa's (4:37)
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