Lynyrd Skynyrd / 01.03.2010, Karlsruhe, Schwarzwaldhalle - Support: Lake
Rocktimes Konzertbericht
Lynyrd Skynyrd
Support: Lake Schwarzwaldhalle Karlsruhe
01. März 2010
Konzertbericht
Stil: Southern Rock (Lake: Rock)
Fotos: Markus Hagner

Artikel vom 05. März 2010


Steve Braun
Lynyrd Skynyrd Ich muss zugeben, mit einer gehörigen Portion Skepsis nach Karlsruhe gefahren zu sein. Als ich Lynyrd Skynyrd zum letzten Mal (1996 Loreley und Saarbrücken) sah, war die Band in einer großartigen Verfassung - vielleicht der besten seit 1977 - und das, obwohl Gary zu dieser Zeit augenscheinliche Alk-Probleme hatte. Heute - vierzehn Jahre später - ist die Hälfte dieser grandiosen Besetzung tot: Leon, Billy, Hughie und auch noch Ean. Keine andere Rockband ist in vergleichbarer Weise gebeutelt worden und so hält einzig noch Gary Rossington das 'Southern Cross' hoch.
Okay: Johnny, Rickey und Michael sind bereits feste Größen, aber kann Skynyrd einen solchen Aderlass und so viele neue Gesichter verkraften? Oh ja, ist man nach Karlsruhe geneigt zu sagen ... und wie!
Lynyrd Skynyrd God & Guns war für mich persönlich eine Enttäuschung, weil es nur unwesentlich besser als Vicious Cycle, wohl der kreative Tiefpunkt Skynyrds, war. Obendrein 'durften' wir, die Die-Hard-Fans, sechs lange Jahre auf diesen neuen Output harren. Bei einer solch langen Wartezeit legt sich jede Band die Messlatte verdammt hoch. Allerdings bin ich gerne bereit zuzugeben, die "God & Guns" in ihrer 'Langzeitwirkung' unterschätzt zu haben. Nicht nur, dass Skynyrd offensichtlich mit diesem Spätwerk den 'dritten Frühling' erleben - nein, es sind wirklich drei, vier Songs zu verzeichnen, die neue Klassiker der Band werden könnten. Allen voran sind in diesem Zusammenhang "Skynyrd Nation" und "Still Unbroken" zu nennen. Songs dieses Kalibers waren auf der "Vicious Cycle' Fehlanzeige - alles was von dieser Scheibe blieb war Schall, Rauch und eine erbärmliche Ode an zwei Kriegsverbrecher!
Lynyrd Skynyrd Wer Skynyrd allerdings 2009 auf das Altenteil und Gnadenbrot geschrieben hatte, liegt bzw. lag daneben. Die Band wirbelte in Karlsruhe über die Bühne, dass es eine helle Freude war! Allen voran natürlich die Stimmungskanone Rickey Medlocke, der alleine schon das Eintrittsgeld (stattliche 49 Mücken) wert war.
Der junge, alte Mann 'brennt' einfach noch und man sieht, dass sich eine halbwegs vernünftige Lebensweise in diesem Business offensichtlich auszahlt. Krasser Gegenpart dazu: Gary Rossington. Mensch, sah DER erschreckend schlecht aus. Ich stand keine zwei Meter von ihm entfernt und dachte, dass es mich nicht überraschen würde, wenn der Gute während des Spiels zusammenbrechen würde. Bleiches Gesicht, müde Augen, sparsamste Bewegungen, zudem kein Zucken der Gesichtsmuskulatur - es war gespenstisch. Spielerisch war er in Karlsruhe allerdings meist auf Ballhöhe, auch wenn der ein oder andere Einsatz daneben ging. Johnny Van Zant gab den souveränen, eloquenten Conférencier, der das Publikum vom Beginn bis zum Ende zu 'pushen' wusste.
Aber es war vor allem das 'Frischfleisch', das sich als wahre Frischzellen-Kur für die alten Cracks entpuppte. Mark Matejka ist ein richtig Guter, was er immer wieder ("That Smell" oder "Sweet Home Alabama") beweisen konnte. Der Mann war/ist agil auf der Bühne, flink auf dem Griffbrett und bestens in die Band integriert. Robert Keans erscheint wie eine Reinkarnation Leon Wilkesons. Ein 'Hungerhaken' wie dieser spielt er seinen Viersaiter in einer ähnlich 'knurrigen' Weise; den Hals des Arbeitsgerätes - charakteristisch wie Leon - immer ganz nah am Ohr.
So ganz verwunden habe ich aber Billy Powells Tod im vergangenen Jahr immer noch nicht. Es schmerzte etwas, Grand Piano und Hammond durch zwei schnöde Keyboards ersetzt zu sehen. Auch wenn Peter Keys seine Sache gut machte, fehlte da etwas ...
Lynyrd Skynyrd Dale Krantz-Rossington und Carol Chase standen wie immer etwas abseits und die große Show lief an ihnen vorüber. Schade, denn vor allem Carol hätte auch 'mal einen kleinen Solopart verdient. So machte wenigstens sie gute Miene zum 'bösen' Spiel, während man bei Rossingtons Frau schon so etwas wie Lustlosigkeit zu erkennen glaubte. Zur Zugabe erschienen die Beiden dann schon nicht mehr.
Ein Wort zum Sound muss angebracht werden und der Gehörlose, der Skynyrd abmischte, hätte es verdient gehabt, geteert und gefedert oder - besser noch - gelyncht zu werden. Was nützt die schönste Show auf der Bühne, wenn man aus den Boxen einen einzigen Soundbrei in unerträglicher Lautstärke geboten bekommt? Komme mir keiner mit der Behauptung, die Schwarzwaldhalle hätte keine vernünftigen Soundbedingungen. Der taube Mann hatte wahrscheinlich geglaubt, er befände sich im Wildparkstadion - unmöglich! Dass es besser, sehr viel besser geht, bewiesen eine Stunde zuvor Lake mit einem glasklaren, transparenten Sound. Eigentlich hätte man sein Eintrittsgeld zurückverlangen müssen, eine solche Lautstärke ist nicht nur inakzeptabel sondern auch geradewegs Körperverletzung! Wann kommt endlich ein Gesetz zum Gesundheitsschutz der Zuhörer nach dem Schweizer Vorbild? Dort sind maximal 100 db erlaubt - alle (auch die Heavy Metalfraktion) halten sich daran und der Freude beim Konzerterlebnis tut's letztlich keinen Abbruch.
Lynyrd Skynyrd 'Atze Detzes' »It's a long way to the top if ya wanna Rock'n'Roll« eröffnete die Show Skynyrds, die mit einem wahrhaftig donnernden "Skynyrd Nation" in ihren Set einstiegen. Wer auf Überraschungen gehofft hatte, lag erwartungsgemäß daneben. Es waren dann doch nur die altbekannten Gassenhauer (siehe Trackliste), aber offensichtlich wollten und wollen die Leute von Skynyrd immer wieder ein 'Greatest Hits-Set' hören - die Stimmung war vom Anfang bis zum Ende prächtig! Johnny und vor allem Publikumsliebling Rickey genossen es sichtlich, immer weiter am 'Stimmungsrädchen' drehend.
Drei Songs vom aktuellen Album waren es letztendlich, die man als Frischware geboten bekam. Neben dem bereits angesprochenen "Skynyrd Nation" waren das der Single-Hit "Still Unbroken" und das - da mit zwei Akustischen interpretiert - im wahren Wortsinne 'hörenswerte' "God & Guns".
Besonders gefreut hatte mich persönlich die vielleicht schönste Ballade Skynyrds, "Tuesdays Gone", mit der ich nicht gerechnet hätte. "Sweet Home Alabama" als letzter Song, "Free Bird" als Zugabe - alles wie gehabt.
Line-up Lynyrd Skynyrd:
Johnny Van Zant (vocals)
Gary Rossington (guitar)
Lynyrd Skynyrd Rickey Medlocke (guitar, vocals)
Mark Matejka (guitar)
Michael Cartellone (drums)
Robert Keans (bass, vocals)
Peter Keys (keyboards)
Dale Krantz Rossington (vocals)
Carol Chase (vocals)

Setlist:
01:Skynyrd Nation
02:What's Your Name
03:Gimme Back My Bullets
04:I Know A Little
05:That Smell
06:Simple Man
07:Whiskey Rock-A-Roller
08:Down South Junkin'
09:Needle And The Spoon
10:Tuesday's Gone
11:God & Guns
12:Still Unbroken
13:Band Intro (Drums)
14:Gimme Three Steps
15:Call Me The Breeze
16:Sweet Home Alabama

Encore:
17:Free Bird
Nicht vergessen wollen wir natürlich den Support-Act, die deutschen Rockdinos Lake, die einen ganz hervorragenden Auftritt hinlegten. Nicht nur, weil sie mit einem erstklassig abgemischten Sound Skynyrd in Lake den Schatten setzten - nein, die Mannen um das einzig verbliebene Originalmitglied aus den 1970ern, Alex Conti, stellten mit eben diesem auch den besten (im Sinne von technischen Fähigkeiten) Gitarristen des Abends. Was vielleicht nicht alle wissen: Lake und Skynyrd (streng genommen Alex Conti und Gary Rossington) sind alte Bekannte. In den 70ern 'supportete' man Skynyrd bei einer US-Tour.
Wie sagten wir seinerzeit über Lake? »Klingen wie Steely Dan, aber MIT Eiern!« Gefällige Rocksongs, ebenso anspruchsvoll wie eingängig arrangiert, waren das Markenzeichen der Hamburger. Lake 2010 ist vor allem auf den großen Alex Conti zugeschnitten. Zur Seite stehen ihm neben dem Urgestein Mickie Stickdorn, der für unzählige deutsche und britische Acts trommelte, der unglaublich mannschaftsdienliche spielende Bassist Holger Trull und der virtuose Keyboarder mit dem unaussprechlichen Namen Jens Skwirblies, der Detlef Petersen in nichts nachstand.
Alle Vier können gut singen, sodass Lake zusätzlich mit ihren Satzgesängen zu brillieren wussten. Der junge Sänger Chris Thornton Jr., der an diesem Abend Geburtstag feierte, war und ist eine ebenfalls eine sehr gute Wahl.
Lake Knapp vierzig Minuten hatte man Zeit, das Publikum auf den Headliner vorzubereiten, was ihnen gut gelang, auch wenn aus dem Publikum keine ernsthaften Zugabeforderungen laut wurden. Mit einem großartigen Song, Bruce Hornsbys "Night On Town", starteten Lake in ihren Set. Das 'synthielastige' "On The Run", mit einem sphärischen Solo Contis und einem wilden Solo-Ritt Skwirblies veredelt, und Steely Dans "Black Friday" folgten. "Jesus Came Down" widmete man dem unvergessenen Ex-Sänger James Hopkins-Harrison, der 1991 auf tragische Weise an einer Überdosis Heroin starb. Zum Schluss gab es noch einen Song vom letzten Album, dem 2006er The Blast Of Silence, obendrauf.
Line-up Lake:
Lake Alex Conti (guitar, vocals)
Chris Thornton Jr. (lead vocals, guitar)
Jens Skwirblies (keyboards, backing vocals)
Holger Trull (bass, backing vocals)
Mickie Stickdorn (drums, backing vocals)

Setlist:
01:Night On Town (Cover: Bruce Hornsby)
02:On The Run
03:Black Friday (Cover: Steely Dan)
04:Jesus Came Down
05:Dancing With Steve
Fazit des Abends: Nach der großen Wiedersehensfreude mit Lake überraschten Lynyrd Skynyrd mit einer gänzlich unerwartet erfrischenden Show. Ein Lob geht auch an das begeisterungsfähige Karlsruher Publikum. Inakzeptabel, hochgradig ärgerlich bleibt der Sound in 'klingender' (was die Ohrgeräusche angeht) Erinnerung. Wenn man sich die Auflagen anschaut, die der bürokratische, deutsche Michel an solche Konzertveranstaltungen stellt, bleibt es skandalös, dass offenbar keiner der Verantwortlichen an die Gesundheit der Konzertbesucher denkt!
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