Manu Lanvin And The Devil Blues / Mauvais Casting
Mauvais Casting Spielzeit: 43:09
Medium: CD
Label: Verycords (Soulfood), 2012
Stil: Rock'n'Roll, Blues Rock

Review vom 26.07.2012


Markus Kerren
Kennen die Franzosen den Blues? Bestimmt... Können die Franzosen den Blues auch spielen? Okay, da war ich mir bisher - wie ich gestehen muss - nicht ganz so sicher. Allerdings weiß ich mittlerweile, nachdem schon wochenlang "Mauvais Casting" von Manu Lanvin in meiner Anlage rotiert, Bescheid. Und da hat mir der Pariser, der mittlerweile in die USA übergesiedelt ist, doch kräftig auf die Sprünge geholfen! Drei Alben hatte Lanvin bisher (zumindest in Frankreich) auf dem Markt, bevor er mit dem zu der Zeit in Frankreich lebenden Blues-Rocker Calvin Russell (rest in peace, brother!) in Kontakt kam und er sogar dessen letztes Album "Dawg Eat Dawg" produzieren durfte.
Die Zeit, die er mit Russell verbrachte, hat ihn dann als Begleiterscheinung wieder ganz erheblich in Richtung seiner alten Vorliebe, den Rock'n'Roll und Blues, geführt, was auf den zwölf neuen Tracks auch unüberhörbar festzustellen ist. Bereits die ersten Akkorde einer mit dem Slide-Röhrchen gespielten Dobro lassen aufhorchen und sorgen umgehend für gesteigerte Aufmerksamkeit. Während sich u. a. die Rolling Stones eingehender mit der "Route 66" beschäftigten und ein gewisser Bob Dylan einen ganz intensiven Blick auf den Higway 61 warf, trägt die in französischer Sprache von Manu Lanvin vorgetragene Eigenkomposition den Namen "Sur la route 61".
Bei diesem Song bleiben (von eventuellen Übersetzungsschwierigkeiten abgesehen) keine Fragen offen. Hier wird geradeaus nach vorne gerockt und das Ganze mit einer heulenden, klagenden Harmonika abgerundet. Direkt der erste Song macht schon mächtig Eindruck! Und der US-Immigrant dachte offensichtlich nicht mal im Traum daran, auf dieser Scheibe irgendwann qualitativ einzubrechen. Der Titelsong ist ein cooler Groover, bei dem man die schwüle, fiebrige Nervosität eines ganz ordinären Nachmittags im Mississippi-Delta geradezu greifen kann. Die französische Sprache stört übrigens überhaupt nicht und passt hervorragend zu den Songs.
Aber Lanvin hat für dieses Album (übrigens zum ersten Mal überhaupt) auch englischsprachige Nummern aufgenommen, wie zum Beispiel bei dem Swamp Blues "Tomorrow". Und nein, auch der Wechsel zwischen englischen und französischen Lyrics kann dieser Scheibe nichts anhaben, die der ehemalige Pariser übrigens fast im Alleingang eingespielt und gesungen hat. Denn dafür sind die einzelnen Tracks schlicht und ergreifend zu gut. Sie sind nicht nur gut, sie klingen auch noch sehr authentisch. Fast so, als wäre Lanvin bereits mit 'muddy water' getauft worden und niemals auch nur in die Nähe irgendeines Ozeans gekommen. Okay, ein leichter Akzent ist da, aber das ist geschenkt.
Sehr romantisch (und ausnahmsweise doch mal irgendwie französisch) geht es bei dem abschließenden "Mon Amour" zu. Dennoch spielt der Blues auch hier eine große Rolle und Lanvins Gesang überzeugt (selbst wenn er keine außergewöhnliche Stimme hat) auf allen Ebenen. Und wenn wir gerade bei den Slow Songs sind: "Tendre est la nuit" ist eine ganz feine Ballade mit der Akustischen und einer heulenden Lap Steel vorgetragen. Man kann es drehen und wenden, wie man will, "Mauvais Casting" überzeugt in jeder Ecke und jedem Winkel. Nicht vergessen zu erwähnen will ich auch die (leider namentlich ungenannten) Background-Ladies, die ebenfalls einen richtig starken Job abgeliefert haben.
Können die Franzosen den Blues denn nun auch spielen? Weiß ich immer noch nicht so ganz genau, aber was ich mittlerweile sehr genau weiß, ist dass zumindest Manu Lanvin das drauf hat. Und zwar richtig, richtig gut! Von daher kann ich dieses Album wirklich jedem ans Herz legen, der etwas mit dieser Stilrichtung anfangen kann und keine absolute Abneigung gegen die französische Sprache hat. Es gibt keinen einzigen mittelmäßigen Track auf diesem Album, der Sound, die Produktion sowie Arrangements sind so rau wie stimmig. Sollte Lanvin auf der Bühne so abgehen, wie auf dieser Scheibe (und sich auch mal nach Deutschland verirren), dann gnade uns Gott.
Ah, der letzte Satz inspiriert mich jetzt doch noch zu einer letzten (leicht abgewandelten) Feststellung: "Mauvais Casting" zu lauschen, ist gleich 'Musik hören wie Gott in Frankreich'!
Line-up:
Manu Lanvin (lead vocals, guitars, bass, drums, piano, banjo, ukulele, mandolin, harp, theremin)
Nikko Bonniere (additional instruments)
Tracklist
01:Sur la route 61
02:Don't Beat A Woman
03:Mauvais casting
04:Donne-moi la fievre
05:Laisse-moi respirer
06:Tendre est la nuit
07:Lil' White Man
08:Not In The Mood
09:Tomorrow
10:My Good Old Friend
11:Sir AD And Mr. A&R
12:Mon amour
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