Mit Anaïs Mitchell lernen wir eine Singer/Songwriterin der jüngeren Generation aus Vermont kennen, die neben den 'Klassikern' wie der Carter Family, auch psychedelische Rockbands und Literaten zu ihren Einflüssen zählt. Sie hat eine 'Folkoper' geschrieben, die jetzt als ihre mittlerweile dritte CD erhältlich ist. Erschienen ist das Album auf dem Label der Kollegin Ani DiFranco, die darauf ebenfalls zu hören ist.
"Hadestown" basiert auf der bekannten griechischen Sage von Orpheus und Eurydike, allerdings vorausschauend in die Jetztzeit der amerikanischen Finanzwelt nach dem Desaster versetzt. Bereits 2006 kam das von Mitchell zusammen mit Ben t. Matchstick und Michael Chorney konzipierte Stück als 'akustische Rock Oper' auf eine heimische Bühne. Mit einer 22-köpfigen Mannschaft ging das Team später auch auf Tournee im Bus durch Neu-England. Die CD-Fassung ist ein überarbeitetes, eigenständiges Werk, bei der neben der Autorin (singt mit heißer-girrender Stimme die 'Eurydice') und DiFranco (Persephone) eine Reihe weiterer Musiker aus ihrem Umfeld in Vermont mitwirkt. Produziert wurde es von dem ebenfalls als Musiker beteiligten Todd Sickafoose. Davon gibt es eine Neufassung für die Live-Performance, die demnächst auch in London zu sehen sein wird. Weitere Europa-Termine sind derzeit nicht gelistet, anschließend wird wieder in den USA getourt.
Während mit den unterschiedlich besetzten Rollen und einer Spielzeit von rund einer Stunde der Begriff 'Oper' durchaus herkömmlich zu verstehen ist, muss 'Folk' sehr weit gefasst werden. 'Folk' meint hier eine Verwendung geläufiger zeitgenössischer (vorwiegend) amerikanischer Musikstile. Und da haben sich Mitchell / Chorney sehr versiert bedient, was das Werk abwechslungsreich und auch kurzweilig macht. Die Instrumentierung ist rootsmäßig vorwiegend akustisch.
Wer sich mit dem Inhalt näher auseinandersetzen möchte, findet dazu das Libretto auf der Homepage (ob es im regulären Booklet ebenfalls nachzulesen ist, wissen wir nicht, uns liegt nur eine Promo-Version vor). An der Formalsprache der klassischen europäischen Oper orientiert sich die Autorin nicht, eher an Brecht / Weill'schem Purismus; es geht gleich hinein ins pralle Leben und da treffen die Protagonisten mit ihren kräftigen Charaktären schnell aufeinander. In den weiteren Rollen hören wir Greg Brown als Unterweltherrscher Hades mit wunderbar knarzig-tiefem Bass, Justin Vernon (Bon Iver-Mastermind) als Orpheus, Ben Knox Miller als Götterbote Hermes und die Haden-Schwestern (Töchter von Bass-Ass Charlie Haden) als Schicksalsgöttinnen.
"Hadestown" ist ein ernst zu nehmendes Werk, das jedoch, dank der Songschreiberkunst Mitchells ("Papers" stammt von Chorney und "Lover's Desire" ist eine afghanische Weise) und den ins Ohr gehenden, teilweise flippigen Arrangements Sickafooses keineswegs intellektuell wirkt. Musikalisch ist es ein Streifzug durch die neuere amerikanische Musik, von Folklore, frühem Jazz und Swing, Country über Soul und Gospel bis zu Indie-Pop mit avantgardistischen und kammermusikalischen Ausflügen sowie fernöstlichen Anleihen. Auf CD klingt das ausgesprochen interessant und die Lust, das auf der Bühne zu erleben, wird zumindest beim Rezensenten sofort geweckt. Natürlich ist das keine Musik zum Bedudeln, sondern ein ansprechendes Hörerlebnis, für das sich der Fan entsprechend Zeit und Muße nehmen sollte. Außergewöhnlich!
Tracklist |
01:Wedding Song
02:Epic (Part I)
03:Way Down Hadestown
04:Songbird Intro
05:Hey, Little Songbird
06:Gone, I'm Gone
07:When The Chips Are Down
08:Wait For Me
09:Why We Build The Wall
10:Our Lady Of The Underground
11:Flowers (Eurydice's Song)
12:Nothing Changes
13:If It's True
14:Papers (Hades Finds Out)
15:How Long?
16:Epic (Part II)
17:Lover's Desire
18:His Kiss The Riot
19:Doubt Comes In
20:I Raise My Cup To Him
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Externe Links:
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