David Munyon / Big Shoes
Big Shoes Spielzeit: 76:48
Medium: CD
Label: Stockfisch, 2008
Stil: Singer/Songwriter

Review vom 23.04.2009


Norbert Neugebauer
Es scheint, dass Cover-Alben wieder in Mode kommen. Bei David Munyon darf sich der Hörer aber recht sicher sein, dass es sich bei seinen "Big Shoes" nicht um eine Verlegenheitslösung mangels eigener Ideen handelt. Der Amerikaner aus Alabama gehört seit Jahrzehnten zu den kreativsten Songwritern, dessen Songs u.a. von Eric Burdon gesungen werden.
Vor allem in Mitteleuropa hat er eine gute Fangemeinde, weswegen er auch vorzugsweise bei uns aufnimmt. Neben diversen Veröffentlichungen in Eigenregie (und nur auf dem eigenen Home Records Label-Shop sowie bei Konzerten erhältlich) ist sein jüngstes Werk bei Stockfisch erschienen. Unsere RockTimes-Leser wissen ja längst, dass hinter diesem Label eine deutlich hörbare Philosophie steckt - audiophiler Klang und ein 'Wohlfühl'-Soundbild. Bei dieser Produktion ist es nicht anders und das kommt David Munyon zugute.
Mir fehlen die Vergleichsmöglichkeiten zu anderen Aufnahmen aus seiner großen Diskografie, aber der Stockfisch-Hausmarken-Sound trägt den Mittfünfziger trotz beschränkter stimmlicher Möglichkeiten (samt Lispeln) sicher durch die Fremdvorlagen. Ja, diesen Singsang muss man schon mögen, sonst kann man die Scheibe gleich wieder weglegen. Sein Gitarrenspiel dagegen perlt sehr ansprechend durch die Adaptionen.
"Big Shoes" wird man wohl mit 'Große Fußstapfen' übersetzen und Munyon meint damit sicher einerseits den Reigen der wirklich prägnanten Namen auf seinem Autorenzettel, andererseits auch die Werke selbst, die weitgehend Monumente der Rockmusik darstellen. Es gehört schon reichlich Selbstvertrauen und Mut dazu, sich daran zu messen. Nun, Munyon reduziert die Vorlagen zunächst auf ihr Grundgerüst und formt sie dann sanft unter Mithilfe der Pauler'schen Studiomannschaft zu balladesken Songs um, die klar die eigene Handschrift tragen. Diese Art der Bearbeitung ist sicher nicht jedermanns Ding, aber auf eine Neuinterpretation von epochaler Bedeutung wird hiermit sicher auch nicht abgezielt.
16 Songs auf fast 80 Minuten, da kann sich der Hörer auch seine persönliche Auswahl zusammenstellen, wenn er mit der ein- oder anderen Version nicht so glücklich wird. Und so ist es auch bei mir.
Es gibt einfach Stücke, die sind als Original so manifestiert, dass es daneben keine gültigen Neuinterpretationen geben kann. Dazu zählen "Imagine" und "Yesterday". Andere sind so fest mit einem Sound im Kopf verbunden, dass eine Umsetzung in einen anderen Stil schon sehr gewöhnungsbedürftig klingt. Das 'Ausblenden' funktioniert bei John Fogertys "Who'll Stop The Rain" absolut nicht, genauso wenig bei "Purple Rain" - als Schmuse-Nummern taugen die beiden einfach nicht.
Kommen wir zu meinen Highlights:
Zu einer echten Gänsehaut-Nummer hat Munyon Youngs weinerlichen "Sugar Mountain" gemacht, die brüchige Stimme eingebettet in ein wehmütiges Klangbild, das mit der wunderbaren Flöte von Ian Melrose Elbenland-Stimmung verbreitet - der schönste Song auf dem Album. Gleich danach rangiert "Angel From Montgomery", mit dem Charme eines verblichenen Familienpotraits werden Erinnerungen heraufbeschworen. Ähnlich von der Gefühlslage dann auch "A Hard Rain's A-Gonna Fall" mit Waldzither, Banjo und Streichbass, "Father And Son", nur mit Klampfe und dem Maucksch'schen Schnurrbass, sowie "500 Miles", bei dem wir wieder Melroses keltischen Flöten begegnen. Recht ansprechend ist auch Springsteens "Atlantic City", wobei Munyon den spröden Lovesong nur etwas aufgepeppt hat.
Das eindrucksvollste Cover ist mit über neun Minuten auch das längste und steht am Schluss eines sehr gemischten Albums: "Industry" - die bedrückende Lee Clayton-Ballade, in der Munyon mit seiner Begleittruppe (hier sei Inés Breuer mit ihrer dunklen Soundcollage stellvertretend genannt) alle Register zieht und Weltuntergangsstimmung pur zelebriert. Nochmal dicke Gänsehaut.
Die restlichen Titel würde ich pauschal in die Kategorie 'Geschmackssache' stellen, je nach persönlicher Vorliebe wird sich das Feld in 'Skip'- oder 'Repeat'-Nummern teilen. Wie immer klasse Sound, hervorragende Musiker und ein anständiges Booklet - allerdings hat Stockfisch diesmal auf die bisher verwendete handgefällige Coverhülle mit den runden Ecken zugunsten der Standardplastikbox verzichtet.

David Munyon ist derzeit auch wieder auf Tour in Deutschland.
Tracklist
01:Ol'55 (Tom Waits)
02:Who'll Stop The Rain (John Fogerty)
03:Imagine (John Lennon)
04:Sugar Mountain (Neil Young)
05:Louisiana Rain (Tom Petty)
06:A Hard Rain's A-gonna Fall (Bob Dylan)
07:Father And Son (Cat Stevens)
08:500 Miles (Hedy West)
09:Purple Rain (Prince)
10:Hello In There (John Prine)
11:Forever Young (Bob Dylan)
12:Fire And Rain (James Taylor)
13:Yesterday (Lennon/McCartney)
14:Angel Of Montgomery (John Prine)
15:Atlantic City (Bruce Springsteen)
16:Industry (Lee Clayton)
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