Duff McKagan, Ex-'König der Biere', Ex- Guns N' Roses-Bassist, Ex-Alki, Ex-Kokser, dem Teufel von der Schippe gesprungen, erzählt aus seinem Leben.
Wer hier die ganz große Abrechnung mit Guns N' Roses und speziell natürlich Axl Rose erwartet, wird das Buch wahrscheinlich derbe enttäuscht zur Seite legen. Schmutzige Wäsche wird schon gewaschen, allerdings in erster Linie die eigene (und wenn der Zuber dann schon dasteht, wird das ein oder andere fremde Teil auch mal kurz durchgezogen). Der große Schwerpunkt der rund 400 Seiten liegt allerdings tatsächlich auf Duffs Lebensgeschichte, seiner Alkohol- und Drogenabhängigkeit und vor allem seinem unkonventionellen Weg aus dieser herauszukommen.
McKagan beginnt seine Geschichte im Prolog in der 'Jetzt-Zeit', bei einer Party seiner dreizehnjährigen Tochter. Mit Erleichterung stellt er fest, dass die anwesenden Kids weder Drogen konsumieren noch Sex haben, im Gegensatz zu ihm selbst in diesem Alter.
Über einen kleinen Exkurs zu seinem absoluten Tiefpunkt - die geplatzte Bauchspeicheldrüse, die ihn fast das Leben gekostet, bzw. ihm die Aussicht auf eine lebenslange Dialyse beschert hat - schlägt er den Erzählbogen in seine eigene Kindheit und Jugend.
Trennung seiner Eltern als er selbst neun Jahre alt war, eine erste Nahtoderfahrung als Kind. Erste prägende musikalische Begegnungen – die Beatles, Rolling Stones, Jimi Hendrix von den Geschwistern im Elternhaus, später
Iggy & The Stooges, der ihn in Richtung Garage Rock und Punkrock führt. Erster Alkohol gegen Panikattacken und Klaustrophobie. Der Zwanzigjährige, der in einem alten Ford Richtung Süden fährt, weg von der Punkszene in Seattle, in der seine Freunde an Heroin sterben, nach Hollywood, wo er als Hilfskoch in einem Restaurant anfängt. Über eine Anzeige lernt er Slash und Steven Adler kennen.
Guns N' Roses findet sich durch eine katastrophendurchsetzte erste Tour mit liegengebliebenem Tourfahrzeug, von Los Angeles nach Seattle zu den Gigs trampenden Musikern (pleite natürlich – was auch sonst?) zu DER Band zusammen. Zu Alkohol und Tabletten gesellt sich bei Duff Koks dazu. Er puscht sich damit auf und trinkt, um diese Wirkung dann wieder abzubremsen. Andere Bandmitglieder nehmen Heroin. Duff und Axl haben ähnlich gelagerte Probleme – Axl starke Stimmungsschwankungen, Duff nach wie vor Panikattacken. Im garagengroßen Proberaum, der auch Party- und Schlafstätte ist, entstehen im gemeinsamen Songwriting die Grundlagen für ihren späteren Erfolg – auf "Appetite For Destruction" und "Lies", einige auch auf "Use Your Illusion", die Gigs werden zahlreicher und größer.
Sie finden ihren Weg nach oben, schließen einen Vertrag über sechs Platten mit Geffen ab und erhalten einen Vorschuss, von dem sie allerdings auch die Produktion des Albums zahlen müssen, das erst ein gutes Jahr später erscheint. Je größer ihre Erfolge werden, umso größer werden aber auch ihre Schwierigkeiten – die von jedem Einzelnen und die der Bandmitglieder miteinander. Guns N' Roses beginnt schleichend zu zerfallen, das Gemeinschaftsgefühl geht verloren, jeder geht eigenen Interessen und Projekten nach. Für Duff gipfelt das im oben schon angesprochenen Tiefpunkt, der für ihn Initialzündung für seinen ganz eigenen Weg raus aus Alkohol und Drogen ist. Sport wird seine Ersatzdroge. Die damit, speziell auch dem Kampfsport verbundene Auseinandersetzung mit sich selbst ist es, die ihm dann die Abstinenz ermöglicht. Er erweitert seinen Freundeskreis, gründet eine Familie und nimmt ein Wirtschaftsstudium auf. Die Musik bleibt ein wichtiger Teil seines Lebens, mit Velvet Revolver und Loaded auf deutlich kleineren Bühnen, aber auch im 2011 gegründeten Anlageberatungsunternehmen für Rockmusiker. Er schreibt Kolumnen für Seattle Weekly und ESPN.com.
Mit dem ganzen, von mir hier nur grob angerissenen Hintergrund schrieb Duff McKagan 2011 dieses Buch, das jetzt in (leider an ein paar Stellen etwas hakeliger) deutscher Übersetzung vorliegt.
Gut zu lesen ist es, obwohl nicht wirklich chronologisch aufgebaut, verliert man doch nie den roten Faden. Vom sprachlichen her hat man den Eindruck, dass da einer ziemlich locker erzählt, aber das, was er da erzählt, von vorn bis hinten Hand und Fuß hat. Zweifellos hat sich McKagan sehr mit seinem Leben und seinem Handeln, seiner Eigenverantwortung auseinandergesetzt.
Dass seine Darstellung der Guns N' Roses-Interna natürlich seine Sicht der Dinge sind, gibt er unumwunden zu und stellt es dem Buch auch ausdrücklich voran. Ich habe beim Lesen die mehrfach wiederkehrenden Stellen, an denen die Band hinter der Bühne auf Axl wartet und Duff schildert, wie seine Ängste mit dem lauter werdenden Publikum zunehmen, als sehr eindringlich, glaubwürdig und ziemlich fair geschildert empfunden.
Ein tolles Buch für jeden, der sich für Menschen im Allgemeinen, Musiker im Besonderen, ihre Erfahrungen und Entwicklung interessiert. Weniger geeignet ist es wahrscheinlich für B-Blätter-Leser, die sich normalerweise ihre Meinung durch möglichst schmutzige Details BILDen oder zu den verbissenen Faktensammlern gehören. Und 'echte' Guns N' Roses Fans? Haben sehr wahrscheinlich schon die englische Erstauflage verschlungen...
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