Eine richtig gute Biografie über Farrokh Bulsara, der als Freddie Mercury innerhalb kürzester Zeit zu einer DER Legenden der Rockhistorie aufstieg, zu finden, ist gar nicht so einfach. Am besten gelang das noch Greg Brooks und Simon Lupton vor fünf Jahren. Zu scheu, ja misstrauisch war der privat äußerst Introvertierte gegenüber der schreibenden Zunft. Zumeist bleibt jeder Versuch, aus Interviewfetzen und Zeitzeugenbefragungen ein komplettes Puzzle zusammenzufügen, reines Stückwerk. Wenn der Mercury-Intimus Peter Freestone es versuchte, schwankte man als Leser zwischen den Polen 'fasziniert' und 'abgestoßen'. Garantiert muss niemand jedes peinliche Detail kennen, um einen Menschen zu verstehen!
Auch "The Great Pretender - Ein Leben in Bildern" ist kein grundlegendes Werk über den Paradiesvogel Freddie Mercury und will das vielleicht auch gar nicht sein. Es ist vielmehr ein streckenweise atemberaubendes Bilderbuch, das von einem sehr persönlich gefärbten biografischen Abriss des britischen Musikjournalisten Sean O'Hagan eingeleitet wird.
Interessanterweise bezeichnet sich O'Hagan als einen »Queen-Ignoranten«, der die Band in den Spätsiebzigern und Achtzigern als »große, aber entbehrliche Showbiz-Nummer« wahrgenommen hat. Erst durch eine witzige Plakatwerbung in der Londoner U-Bahn vor etwa zwölf Jahren, bei der der berühmten »I see a little silhouetto of a man…«-Strophe aus der "Bohemian Rhapsody" eine zentrale Bedeutung zukam, setzte eine neue Auseindersetzung mit dem Phänomen Freddie Mercury bei dem Autor in Gang. Aus der daraus folgenden Gedankenkette entsprang der Text zum biografischen Teil von "The Great Pretender".
Der Titel ist schon sehr interessant und - wie ich finde - überaus geschickt gewählt. Denn bereits die Übersetzung (zu deutsch Prätendent) offenbart Zweifel des Autors, ob Freddie Mercury der anmaßende oder rechtmäßige Thronanwärter ist. Zwischen genau diesen 'Leitplanken' - Magier oder Hochstapler - bewegt sich O'Hagans Analyse.
Das Bild, das er zeichnet, ist allerdings altbekannt und bietet recht wenig neue Einblicke. Hier der scheue, verletzliche Schöngeist - dort der hemmungslos genusssüchtige Partylöwe. Hier der akribisch seinen Weg an die Spitze des Rockolymp planende Egozentriker - dort der allseits offene, warmherzige Kollege und liebevolle Freund. Wirklich schlauer ist man nach den nicht einmal dreizehn (allerdings großformatigen) Seiten jedenfalls nicht.
Die Stärke von O'Hagans Text ist dagegen seine überaus persönliche Annäherung an das Phänomen Freddie Mercury. Eben die Sichtweise eines Musikjournalisten des von dem Sänger verhassten New Music Express. Also eines Teilnehmers des 'Stellungskrieges' Queens gegen den britischen Journalismus, der quasi immer in Front der mercury'schen 'Schützengräben' stand. In dieser kritischen Herangehensweise, die stark von einer 'Altersmilde' oder vielleicht sogar '-weisheit' geprägt wird, liegt die Stärke dieser (zu) kurzen Abhandlung.
Dem zweiten Kapitel, "Ein Leben in Bildern", wird zehnmal mehr Raum bemessen. Deshalb darf das Gesamtwerk auch ruhig als 'Bilderbuch' bezeichnet werden, was aber keinesfalls despektierlich gemeint ist! Dazu sind die Fotografien durch die Bank zu gut, zu ausdrucksstark und berührend. Zu deutlich werden in der weitgehend chronologischen Abfolge der Bilder, die vielschichtigen Veränderungen, die die (viel zu kurze) Zeit an Freddie Mercury vollzog. Bilder sagen in diesem Fall wirklich mehr als tausend Worte! Die spektakulärsten sind vom Foto-Guru Mick Rock - am intimsten die aus Brian Mays Privatsammlung.
Jedes Foto ist mit einer kleinen Geschichte unterlegt, die dem Leser bei der Einordnung der Abbildung behilflich sind. Diese stammen unter anderem vom Queen-Gitarristen selbst sowie dem oben bereits in unrühmlichen Zusammenhang angesprochenen Peter Freestone, Mercurys persönlichem Assistenten. "Ein Leben in Bildern" - hier liegt fraglos die Stärke von "The Great Pretender".
Zu hohe Erwartungen sollte man nicht an das vorliegende Werk stellen. Eine umfassende Biografie von Freddie Mercury wird es aufgrund von fehlendem, brauchbaren Ausgangsmaterial niemals geben. Autoren können sich also immer nur dem Phänomen Freddie Mercury annähern, bestenfalls neue Facetten dieses glamourösen Idols ans Tageslicht befördern. Dies gelingt "The Great Pretender" in der reichhaltigen Fotostrecke ganz hervorragend. Vor allem die Zerbrechlichkeit des Todkranken wird auf berührende Weise herausgearbeitet. Auch die völlig unterschiedlichen Seiten seiner Persönlichkeit werden in starken Bildern versucht, darzustellen.
Alles in allem ein gutes Rockbuch, das 'was hermacht' - ganz sicher auch unter dem bald zu dekorierenden Weihnachtsbaum…
Kapitel |
01:Vorwort
02:I See A Little Silhouetto Of A Man
03:Ein Leben in Bildern
04:Bildnachweis |
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Externe Links:
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