The Blues Is Alright - Nordirische Gitarrenlegende Gary Moore gastierte in Erfurt
Als der Mann aus Belfast vor fast zwei Jahrzehnten den Blues einer Verjüngungskur unterwarf, konnte keiner erahnen, mit welchen Konsequenzen der kommerzielle Erfolg ihm jene Art der Musik, die er schon im zarten Knabenalter so sehr liebte, den weiteren Weg weisen sollte.
Im tiefsten Inneren pulsiert der Blues durch seine Adern, lässt sein Herz aber auch vom Rock'n'Roll antreiben.
Seit 1989 zelebriert Gary Moore nun fast ausschließlich den Blues, zum Leidwesen vieler Hard Rock-Fans, welche ihm die wohl erfolgreichste Phase seiner Solokarriere bescherte. Trotz traumhaften Grillwetters hatten sich an jenem Pfingstsonntag doch zahlreiche Moore-Jünger, oder besser Musikliebhaber der Generation 40 Plus, in die Erfurter Thüringenhalle aufgemacht, um ihrem Helden aus alten Tagen endlich wieder einmal im Osten der Republik huldigen zu können.
Der sechsundfünfzigjährige Nordire servierte dem Oratorium der halbgefüllten Lokalität von Beginn an und ohne Kompromisse (einen musikalischen Vorturner ersparte man sich an diesem Abend) eine voluminöse Rezeptur von zeitlosem Rhythm & Blues, ein paar Tröpfchen Soul und reichlich Rock'n'Roll.
Natürlich durfte eine Auswahl aus seinem aktuellen Album Close As You Get neben seinen betagteren Stücken nicht fehlen, die sich aber nahtlos ins Programm einfügten.
Das Publikum, welches doch überwiegend den erfahreneren Semestern zuzurechnen war, ging von Anfang an bedingungslos und lautstark mit, um vielleicht auch der um ein Vielfaches übersteuerten PA Paroli zu bieten oder ihre angespannten, von Tinnitus bedrohten Gehörgänge zu überspielen.
Der Mann in Schwarz nötigte seine Marshall-Verstärker zum Inferno, erklärte seinen Auftritt zur Gitarrenschlacht.
Sensiblere Intermezzos waren an diesem Abend eher rar gesät, die, kaum hat man es genossen bzw. realisiert, immer wieder in die drahtige, unnachgiebig harte Farbe umschlugen, welche das Konzert dominierte.
Der Meister suhlt sich weitestgehend in Fremdkompositionen, unterzieht Bluesstandards dem Charme seiner Duftmarke und gebärdet sich musikalisch selbstverliebt. Handwerklich mit seinem Gitarrenarsenal vermählt, und liefert weit weg vom Mikrofonständer seine exorbitanten Soli und brachiale Feedback-Orgien.
Ein großes Plus sind seine perfekten aber dennoch nicht tonsklavischen, durch einen kräftigen Anschlag bestimmten Griffbrettpräzisiösen, die seinem Brachialblues einen virtuosen Tenor verleihen.
Der häufige Wechsel seiner Arbeitsinstrumente verlangte vom Gitarrenroadie während des Konzertes ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Aktivität.
Seine Drei-Mann-Begleitband mit Vic Martin an den Tasten, Pete Rees am Bass nebst seinem alten Schlagzeugkumpel Brain Downey aus seligen Thin Lizzy-Tagen, sorgte dabei für eine angemessene, teilweise schon ehrfurchtsvoll tragende Grundierung, durfte sich dabei aber selten in den Vordergrund musizieren. Ansonsten ist er der Star, degradiert seine Kollegen zu reinen Statisten.
Beim Kuschelblues "I Love You More Than You'll Ever Know", einer von Moore noch nicht veröffentlichten Al Kooper-Komposition, dürfen sich die strapazierten Ohren bei samtigen Hammondorgelklängen erholen, um die musikalische Anmut bzw.Grandezza eines Peter Green zu erhaschen.
Gary Moores aktuelles Album, das eine Art Liederzyklus des Blues mit den Themen
Verlassenheit, gescheiterte Liebesbeziehungen, Einsamkeit, Wut und Trauer formt, lässt Gary nach einer Durststrecke zögerlich wieder den Weg eigener Kreativität bestreiten.
Die Vergangenheit zeigte, dass vieles an seinen Interpretationen zu gefällig wurde oder gar zur Effekthascherei degenerierte. Aber unbeirrt von allen Verkaufszwängen huldigt er heute wieder seinen weißen britischen Lehrmeistern wie John Mayall oder Peter Green, dessen Gibson Les Paul er immer noch spielt.
Er bemüht sich auch im Konzert redlich der saitentechnischen Brillanz als Selbstzweck
abzuschwören, um sie seiner Melange aus Blues und einer Prise hartem Rock unterzuordnen.
An diesem lauschigen Abend gelingt es ihm, Chuck Berrys "Thirty Days" eine elektrifizierte Seele einzuhauchen oder Mayalls "Have You Heard" in ein verzauberndes, schier endloses Gitarrenepos zu verwandeln. Er bewegt sich rasant zwischen eigenem, fremden, schnellerem und entspannterem Songmaterial.
Der Sound seiner Gitarren ist grobschlächtig und von der Glut tiefster Hölle beseelt, wuchtig und mühelos improvisierend, sein Gesang teils überzogen, aber immer reinrassig.
Er spielte sich den Teufel aus dem Leib, erreichte mit seinen dröhnenden, manchmal zu überlangen Soli königliche Sphären, welche man sonst einzig in der Saitenkunst Eric Claptons wähnte. Deshalb ist es sicherlich auch kein Zufall, dass mit "All Your Love" und "HaveYou Heard" zwei Klassiker im Repertoire sind, die 'Slowhand' vor über vierzig Jahren schon mit John Mayalls Bluesbreakern zelebrierte. Mit Stücken wie Jimmy Rogers "Walking By Myself" und "Still Got The Blues", einige seiner größten Hits, bereitete es ihm natürlich keine Probleme, das Publikum bei der Stange zu halten. Er bringt überraschend sogar die alte Thin Lizzy-Nummer "Don't Believe A Word" als bluesige Adaption mit hardrockigem Finale und zur Freude der Fans zum Einsatz.
Spätestens jetzt hätten die Konzertgänger der Generation 40 Plus "Over The Hills And Far Away" schon gerne gehört, segneten aber stattdessen aus lauten Kehlen den Blues mit "The Blues Is Alright " ab.
Mit der letzten Zugabe, "Parisienne Walkways" vom 78er Album ("Back On The Streets"), das er damals zusammen mit Phil Lynott, dem leider zu früh verstorbenen Thin Lizzy-Sänger komponiert hatte, entließ er nach knapp neunzig Minuten Spielzeit sein Publikum in die Stille, in eine lauschige Mainacht.
Trotz aller Euphorie müssen im Fazit doch einige Mankos angemerkt werden: Auf manche klangliche Härte und bloße (an Körperverletzung heranreichende) Lautstärke hätte man zugunsten eines transparenteren, ausbalancierten Sounds verzichten können. Ohrstöpsel anstelle von Hörgeräten wären hier jedenfalls dringend angeraten gewesen.
Der sonst gut aufgelegte Musiker erachtete es für nötig, die Arbeit der zugelassenen Fotografen zu minimieren bzw. zu limitieren und sich deshalb nur während des zweiten Songs des Abends, übrigens eines seiner wenigen Kurzen, bei denkbar schlechter Beleuchtung ablichten zu lassen. Wer weiß, vielleicht fürchtete der Künstler den unübersehbaren Spuren des Alters großformatig ins Antlitz blicken zu müssen.
Pluspunkt des Abends waren die Vorteile des Rauchverbots, das sich als spürbar und wohltuend herausstellte, und Schule bei Indoor-Konzerten machen sollte.
(Keine rauchenden Gitarren also ☺ [die Redaktion]).
Entgegen jeglicher Abstriche, wobei übrigens auch das Verhältnis von Preis und Leistung keine unbedeutende Rolle spielte, hinterließ dieses Konzert zufriedene, glückliche Gesichter, natürlich auch mit der Gewissheit, einen der verdammt großen Altmeister seiner Zunft erlebt zu haben.
RockTimes bedankt sich für die freundliche Unterstützung bei Michael Rosenburg (MM Konzerte GmbH) und den Mitarbeitern der Thüringenhalle Erfurt.
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