Da gibt es diese Tage... Man steht eigentlich recht gerne auf, hüpft im Letkiss-Stil die Treppe runter, dass der alte Horst Wende seine wahre Freude daran hätte. Der Berufsverkehr ist moderat und man betritt frohgelaunt die Arbeitsstätte. Keine fünf Minuten später fragt man sich, wieso es verdammt noch mal keine Maul-Maut gibt...
Stunden später ist man wieder zu Hause und sichtet die neuen Reziexemplare. Die Laune hebt sich kaum, denn außer ein paar Knüppelbands für die Grunz- und Schuppenschleuderfraktion ist nichts dabei. Bis auf die Platte von J Mascis, aber dessen Band Dinosaur Jr. gehört auch nicht unbedingt zum täglichen Brot. Die Neugierde siegt und nach den ersten Takten steht fest, dass "Tied To A Star" nichts mit den jungen Dinosauriern zu tun hat.
Gleich das erste Stück "Me Again" lässt die Unbill des Tages vergessen, so herrlich warm, harmonisch und positiv schwingen die Saiten der akustischen Gitarre mit dezenter Pianobegleitung durch den Nachmittag. Das flotter gespielte "Every Morning" lässt die Mundwinkel nun vollends nach oben gleiten.
Mascis, ursprünglich als Drummer gestartet, wird vom Rolling Stone als Nummer 86 in der Liste der 100 besten Gitarristen geführt. Spin.com listet ihn gar auf Position fünf. Nun gut, Musikfans kennen diese Gegenüberstellungen, die immer wieder gerne für engagierte Diskussionen sorgen, weil die persönlichen Saitengötter natürlich immer zu schwach bewertet sind. Und sicher auch, weil diese Vergleiche irgendwie für den Allerwertesten sind. Ist der sterile, aber wieselflinke Saitenhexer nun besser, weil er pro Sekunde mehr Noten schafft als das Tränen der Glückseligkeit aus den Augen treibende, langsamere Pendant? Ich bin in diesem Fall klar bei Altkanzler Kohl und repetiere sein »Entscheidend ist, was hinten rauskommt«.
J Mascis gehört auf "Tied To A Star" auf jeden Fall zu der Spezies Gitarristen, die zu begeistern wissen. In bester Singer/Songwriter-Manier hält er die Stimmung dezent, aber nie langweilig. Seine Fingerfertigkeit an den Saiten ist unüberhörbar und stets zu genießen. Wenn in "Better Plane" eine elektrische Gitarre zu hören ist, so geschieht das im Kontext dieses Albums - will sagen, sie schwebt sphärisch in Crazy Horse-Tradition durchs Geschehen. Und irgendwie sind bei Mascis selbst auch leichte Ähnlichkeiten zum guten Neil auszumachen.
Für sein akustisches Werk hat sich der Protagonist die passende Unterstützung geholt. Das Piano bedient Ken Maiuri vom wohl berühmtesten Laienchor der Welt, dem Young@Heart Chorus. Pall Jenkins (Black Heart Procession) greift mit in die Saiten und steuert, ebenso wie Mark Mulcahy von Miracle Legion seine Stimme bei. Charlyn Marie Marshall aka Chan Marshal aka Cat Power tut dies sehr gekonnt bei "Wide Awake".
Klar, dass J Mascis die Schlagzeugparts selbst eingespielt hat. Schließlich kommt er aus diese Ecke und wenn man bedenkt, dass ihn Nirvana als Drummer haben wollte (er hat abgelehnt), steht fest, dass er da eine ebenso gute Figur abgibt, wie an der Gitarre. Hört man im Vergleich zu seiner akustischen Arbeit mal in die Dinosaur Jr.-Sachen rein, muss man konstatieren, dass er das Gitarrenspiel in all seinen Facetten beherrscht. Mir persönlich sagt die akustische Variante allerdings weit mehr zu. Zumal "Tied To A Star" weit mehr bietet, als ein Singer/Songwriter-Album von der Stange. Die Kompositionen stammen allesamt von ihm und auch das kann er perfekt. Mascis scheint ein Tausendsassa, denn in seiner Vita gab es auch mal die Doomband Witch.
"Tied To A Star" ist eines jener Alben, das man immer wieder hören kann. Eines, das scheinbar ruhig und gesetzt nie stört, aber auch eines, das im Detail trotz moderaten Grundtenors spannende Momente hervorbringt und zeigt, wie perfekt der Mann mit den langen weißen Haaren abseits seiner ganz anders klingenden Hauptband auch anderen Fraktionen einen Tag zu verschönern weiß.
Line-up:
J Mascis (vocals, guitars, drums)
Ken Maiuri (piano - #1,4,6,8,10)
Pall Jenkins (guitar - #1,4, vocals - #2,8)
Mark Mulcahy (vocals - #2,6)
Chan Marshal (vcals - #4)
Tracklist |
01:Me Again
02:Every Morning
03:Heal The Star
04:Wide Awake
05:Stumble
06:And Then
07:Drifter
08:Trailing Off
09:Come Down
11:Better Plane
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