Madder Mortem / Eight Ways
Eight Ways Spielzeit: 64:28
Medium: CD
Label: Peaceville Records / SPV, 2009
Stil: Prog Metal

Review vom 31.08.2009


Boris Theobald
Inwiefern wird eine Band eigentlich durch ihre Umgebung geprägt? Diese Frage stelle ich mir, während der reichlich abgedrehte Metal der Norweger von Madder Mortem meine gute Stube in ein akustisches (In-) Sanatorium verwandelt und ich mir dazu von der Promotion-Agentur der fünf Nord-Musiker per mitgelieferter Begleitinformation erklären lasse, warum Madder Mortem eigentlich so schräge Musik machen.
»The region of Hedmark, in the eastern part of southern Norway, is a land of lakes and fields and dark fir forests, of golden, tranquil summers and snowy winters. This landscape breeds stubborn, earthborn people. [...] Both band and members are born and raised in Hedmark. The view from their rehearsal room is not concrete and streets, but fields and trees set against a quiet lake. There's nothing urban about Madder Mortem.«
Mal kurz nachgelegt: Die Bevölkerungsdichte dieser norwegischen Region Hedmark liegt bei unter 7 Einwohnern pro Quadratkilometer. In Deutschland sind es 230, in Berlin beispielsweise 3848. Da muss sich der urbane Großstädter mal vorstellen, wie das Leben in Hedmark sein muss! Macht man keine Musik für die Massen, weil die Massen einfach nicht da sind? Hat die norwegische Natur wirklich den Klang der Musik von Madder Mortem beeinflusst?
Nun - die Klänge von "Eight Ways" haben tatsächlich viel von der Unberechenbarkeit der Natur 'geerbt'. Schönheit und Bedrohlichkeit liegen eng beieinander - ohne dass irgendwer künstlich dafür gesorgt hätte, dass beide Seiten in einem harmonischen Einklang miteinander verschmelzen würden. Verträumte, aber in latent angedeuteter Unruhe surreal abgehobene Klang-Sphären werden jäh und unbarmherzig von rohen Gitarren-Gewalten heimgesucht, die im nächsten Moment wieder im Nichts zergehen - wie ein Sturm, der eine sonnenüberflutete Gebirgsidylle plötzlich in eine dunkelgraue, zerklüftete und lebensfeindliche Horror-Umgebung verwandelt. Wie würde eine Mixtur aus Metal und experimentellem Psychedelic oder Art Rock klingen - 'floydig' über der Welt schwebend und mysteriös distanziert wie Björk - düster wie Nevermore und hart wie Soilwork? Stellenweise käme Madder Mortem raus.
"Eight Ways" hält sich selten an Konventionen. Refrains und Strophen kann man suchen. Man kann sie auch finden, wenn man will - zumindest wiederkehrende Passagen, ob man diese nun als Chorus und Strophe bezeichnen würde, oder nicht. Der Aufbau der Songs erinnert doch viel mehr an Naturphänomene - wann es hell und dunkel, wann es rau und sanft wird... man muss sich überraschen lassen. Spannend geht es alle Male zu - sprunghaft, zuweilen: eine gute Stunde des musikalischen Grenzgangs. Zahme Passagen - auch da verzeichnen die Melodien bereits avantgardistische Ausschläge - werden Stück für Stück gesteigert und 'übersteigert', bis die Gitarren dissonant werden und bis Sängerin Agnete M. Kirkevaag kontrolliert die Kontrolle über ihre starke und identitätsstiftende Stimme verliert.
Schreie und Sprechgesang, Polka, Folk und Metalcore - es gibt nichts, was es nicht gibt bei Madder Mortem. Außer vielleicht sich erfüllende Erwartungshaltungen an schubladenhafte 'progressive' Musik und das wohlige 'Ich-weiß-schon-was-als-nächstes-kommt-Gefühl' eines Prog Metal-Rezensenten, der all zu oft das all zu Orthodoxe in besagten Schubladen entlarven darf/kann/soll/muss. In so fern stellen sich Madder Mortem quer gegen die Hörgewohnheiten - das ist zwar erfrischend. Für viel mehr als zwei, drei Hördurchgänge zur interessierten musikalischen Sinn-Suche reicht es bei mir dann aber doch nicht. Ich sehne mich wieder nach Menschen- statt Naturmusik, obwohl diese Norweger einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen haben. Mit einer Tasse gut durchgezogenem Nerventee zur Hand gebe ich mir eventuell doch noch den vierten Durchlauf - Details gibt es immerhin reichlich zu entdecken...
Line-up:
Agnete M. Kirkevaag (vocals)
BP M. Kirkevaag (guitar, vocals)
Odd E. Ebbesen (guitar)
Tormod L. Moseng (bass)
Mads Solås (drums)
Tracklist
01:Formaldehyde
02:The Little Things
03:Armour
04:Resolution
05:A Different Kind Of Hell
06:Riddle Wants To Be
07:Where Dream And Day Collide
08:The Flesh, The Blood And The Man
09:Get That Monster Out Of Here
10:Life, Lust & Liberty
11:All I Know
12:The Eighth Wave
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