Magenta / Live At The Point 2007
Live At The Point 2007 Spielzeit: 147:00
Medium: DVD
Label: Tigermoth Records, 2009
Stil: Prog Rock


Review vom 12.07.2009


Boris Theobald
"Live At The Point 2007" ist schon die zweite Konzert-DVD der 2001 von Keyboarder Rob Reed gegründeten Band Magenta. Der dazugehörige Gig wurde am 23. November 2007 gefilmt, vor heimischem Publikum, zu Hause in Cardiff. "The Point", das ist eine zum Konzertsaal umgewandelte Kirche aus dem Jahr 1900 mit Rundbogen-Optik und elektrischen Fackeln an der Wand - eine angenehm intime Heimbühne, wo Magenta von ein paar hundert Zuschauern warmherzig empfangen werden.
Wer Magenta im Gegensatz zum Waliser Publikum noch nicht kennt - sie sind einzigartig! Obwohl man im Booklet des Debüt-Albums "Revolutions" erstmal folgendes Zitat findet: »Any similarities or coincidences with any bands past or present is entirely intentional!« Gemeint sind die großen Prog Rock-Pioniere der 70er Jahre, aber auch Neo-Progger wie Marillion oder IQ.
So verwundert es nicht, dass Magenta während dieses 106 Minuten langen Auftritts mit Stücken der drei Alben "Revolutions" (2001), Seven (2004) und vor allem "Home" (2006) am laufenden Band Erinnerungen wecken. Doch so einfach lässt sich die Musik dann doch nicht in Schubladen stecken. Das Songwriting ist nämlich reichlich individuell - und so hat man ausnahmslos kurzweilige Kunstwerke am Start, die nicht entweder nach x oder nach y klingen, sondern nach außergewöhnlich vielen Einflüssen innerhalb weniger Takte.
Aus zerbrechlichen Genesis'schen Clean-Gitarren-Sphären entspringen plötzlich neo-proggige Slow-Mo-Soli, an heavy Rush-Parts schließt sich nahtlos ein positiv-leichtfüßiges Steve Howe-Geplänkel an. Mit Bottleneck ausgestattet schwebt Gitarrist Chris Fry durch Floyd'sche Klanglandschaften, wird aber viel schneller als gedacht wieder von rockigen Drives auf den Boden zurückgeholt. Apropos: Magenta rocken sehr ordentlich - das ist ein Markenzeichen der Band, die im Gegensatz zu den meisten Genre-Kollegen mit zwei Gitarristen ausgestattet ist.
Classic Rock-Jams lassen Keyboarder Rob Reed neben Mellotron- und diversen Retro-Synthesizer-Sounds auch mal die Hammond- oder Kirchenorgel einprogrammieren, bevor das nächste introvertierte Break ansteht und Sängerin Christina Booth einen von vielen balladesken Solo-Spots hat. Kaum vorherzusehen, welche Wendung ein Song als nächstes nehmen wird - auch das ist einer der großen Pluspunkte bei Magenta. Und dann diese kreativen und inspirierten Melodien... noch keine fünf Töne am Stück kommen einem im Entferntesten bekannt vor!
Allerspätestens aber, wenn es um den Gesang geht, dann ist die Band richtig eigenständig und unverwechselbar. Wer einmal gehört hat, wie Christina Booth jede Melodie mit ihrer zauberhaften Stimme in eine andere Dimension hievt, wird nie mehr auf die abwegige Idee kommen, Magenta einfach so in den großen Prog Rock-Topf zu kloppen. Sie kommt auf der Bühne erfrischend natürlich rüber (dazu gehören auch mal ein paar nur 'fast' perfekte Töne), ohne künstlich übersteigerte Show-Elemente, dafür mit einem herrlich trockenen britischen Humor, der zu Ansagen führt wie »Your are most kind, you can come again.«
Christina hat ein sagenhaftes Talent und einen immensen Ambitus, innerhalb dessen sie in jeder Stimmlage faszinierend klingt. Die Schönheit der Stimme hypnotisiert bei magischen Melodien wie in "Envy", fragilen Balladen wie "Towers Of Hope" oder dem "High Hopes"-beeinflussten Wunderwerk "Sloth". Und beim unerhört straighten Rocker "Speechless" ist sie nicht nur kraftvoll und perfekt präsent, sondern auch passend zum Song ein Stück weit 'Rock-röhrig' extravagant - ein Hauch von Stolen Babies.
Die Frontfrau überzeugt mit Stimmkraft und Ausstrahlung - der Rest der Band mit einem denkwürdigen Auftritt - supertight bis ins kleinste Detail, alles auf den Punkt gespielt, präzise Backing-Vocals und sogar a-cappella-Passagen, emotional mitreißende Instrumental-Performances mit Dynamik und epischer musikalischer Erzählkraft. Höhepunkt sind ein paar Soli von Chris Fry, für die er Applaus auf offener Szene erhält (als Topping auf ein umarrangiertes "The Warning" vom Debütalbum).
Das Konzert wurde professionell gefilmt mit feststehenden und ein paar angenehm ruhig geführten Handkameras. Ein makelloser Soundmix wird überdies dem Anspruch an professionellen Prog Rock gerecht, selbst jede Background-Stimme und jeden Bass-Ton identifizieren zu können. Als Bonus gibt es ein Behind-The-Scenes-Doku vom Soundcheck bis zum Konzertbeginn, Technik-Talks mit den beiden Gitarristen, das Video zu "Speechless" und ein paar Slideshows.
Der Gig war übrigens das Abschiedskonzert für Drummer Allan Mason-Jones und den zweiten Gitarristen Martin Rosser. Mit Kieran Bailey und Colin Edwards sind diese Löcher aber längst wieder gestopft. Wer Magenta schon kennt, für den ist "Live At The Point 2007" ein Pflichtkauf - übrigens nur zwei der Stücke gab es schon auf früheren Live-Veröffentlichungen der Band. Und auch alle anderen, die Prog Rock lieben und die Entwicklungen von Bands wie RPWL, Moth Vellum, Satellite oder Riverside verfolgen, aber auch so genannte 'female fronted' Bands im Prog Rock/Metal-Bereich wie Quidam oder Brave mögen, die dürfen sich Magenta nicht entgehen lassen. Und diese DVD ist ein fabelhafter Einstieg!
Line-up:
Christina Booth (vocals)
Rob Reed (keyboard)
Chris Fry (guitar)
Dan Fry (bass, acoutic guitar)
Martin Rosser (guitar)
Allan Mason-Jones (drums)
Tracklist
01:Opus Three
02:Speechless
03:Envy
04:Hurt
05:Moving On
06:The Journey
07:Towers Of Hope
08:Demons
09:Morning Sunlight
10:The Dream
11:The Visionary
12:Anger
13:Man The Machine
14:Genetesis/ The Warning
15:Sloth
16:The White Witch (extract)
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