»Wir sind vielleicht nicht die beste Band der Welt, aber wir rauchen mit Sicherheit das meiste Dope«. Das war einer der Kernsätze der walisischen Band Man, die im Jahr 1968 zusammenfand und bis in die Gegenwart noch aktiv ist, für die Presse, und das scheint nach der Lektüre dieses Buches haargenau zu stimmen.
Wie in fast allen Gruppen mit einer so langen Historie gab es auch bei Man zahlreiche personelle Veränderungen, wobei eigentlich nur der Sänger/Gitarrist Micky Jones über die Jahrzehnte die einzige Konstante im Bandgefüge bildete. Doch auch Deke Leonard, ebenfalls Gitarre und Gesang, spielte lange Zeit eine gewichtige Rolle in der Geschichte der Jungs aus Wales. Mit "Rhinos, Winos & Lunatics" (Album-Titel aus dem Jahr 1974) schrieb Deke seine Erlebnisse und Erinnerungen mit der Band nieder. Die Übersetzung ins Deutsche übernahm der kürzlich verstorbene Journalist Jörg Gülden, den eine sehr lange Freundschaft mit der Truppe verband. Herausgekommen ist ein absolut kurzweiliges Buch über eine der abgedrehtesten Bands, die die Rockmusik je hervorgebracht hat. Bei der Lektüre dieses Werkes muss der Leser nahezu zwangsläufig immer wieder ins Schmunzeln kommen.
Mit einem unglaublich trockenen Humor schildert Leonard die Erlebnisse von Man auf ihren zahllosen Touren, von denen ein Großteil in Deutschland stattfand, denn hier hatte die Band ihren größten Fan-Kreis, sieht man mal von Frankreich ab, wo die Leute ebenfalls auf die ausgedehnten Improvisationen voll abfuhren. Wenn man sich die Geschichten so richtig zu Gemüte führt, so kommt unweigerlich die Frage auf, wie diese Ansammlung von Chaoten so lange existieren konnte, denn fast ununterbrochen waren die Musiker völlig stoned oder hatten dem Alkohol reichlich zugesprochen. Der oben erwähnte Kernsatz scheint also den Nagel genau auf den Kopf getroffen zu haben.
Unverhohlen gibt Leonard zu, dass die Ausdehnung der Songs auf bis zu vierzig Minuten Länge am Anfang der Karriere aus purer Verlegenheit geschah, weil es einfach nicht genug Material für komplette Konzerte gab und man deshalb gezwungen war, die einzelnen Stücke auf diese Längen heraus zu ziehen. So entstand der typische Man-Stil also aus blanker Not heraus, und da alle Bandmitglieder hervorragende Musiker waren, gab es gar keine andere Möglichkeit, als das vorhandene Material in ellenlange Jams umzufunktionieren.
Auch die chaotische Arbeit im Studio wird von Leonard hervorragend beschrieben. Die endlos langen und unproduktiven Wartephasen mit dem dazugehörigen Konsum von jeder Menge chemischen Muntermachern sorgte für so manchen Eklat und hatte oftmals Termin- und Finanzprobleme zur Folge, was auch immer mal wieder zu Reibereien innerhalb der Band führte. Trotzdem schienen die chaotischen Künstler auch dabei noch reichlich Spaß gehabt zu haben.
Natürlich darf man die Erlebnisse der Band nicht so genau auf die Waagschale legen, da auch bei Leonard oftmals trübe Drogen- und Alkoholschleier die Sinne etwas vernebelten. Trotzdem, oder gerade deshalb bringen seine Aussagen über das Leben von Man 'on the road' viel Spaß und Unterhaltung zu den Lesern ins heimische Wohnzimmer. So werden auch die 'Abenteuer' der Musiker mit ihren Groupies einfach köstlich beschrieben. Diesen wilden Jungs aus Wales muss aber wirklich keine Peinlichkeit fremd gewesen sein…!
Deke Leonard erzählt auch von der Zeit, als er aus der Man-Band rausgekegelt wurde und sich nun solo und mit seiner Tourband Iceberg über Wasser halten musste. Dabei ist besonders erstaunlich, dass er sich auch nach dieser Trennung noch sehr oft im engen Umfeld seiner alten Stammformation bewegte. So gab Iceberg mehrmals den Support-Act für Man, was schließlich auch zum Wiedereinstieg von Leonard in seine angestammte Truppe führte. Sicher auch eine Tatsache, die nicht all zu häufig in dem harten Business der Rockmusik vorkommt. Na ja, bei Man lief eben fast alles anders als Normal ab…!
Ein ganzes Kapitel nimmt das Zusammentreffen der Band mit ihrem großen Idol John Cipollina († 29.05.1989, Ex- Quicksilver Messenger Service) ein, den man in den USA traf und zu einer gemeinsamen Europa-Tour überreden konnte, und der in allen Beziehungen fast noch chaotischer als die Waliser war. Wieder kann ich mir das Lachen kaum verkneifen, wenn ich lese, was da so alles beim Proben und auf der Tour abgegangen sein muss. Einfach nur herrlich!
Man darf "Rhinos, Winos & Lunatics" nicht als Band-Biografie voller wichtiger Fakten ansehen, dazu fehlen einfach die detaillierten Angaben zu vielen Ereignissen. Auch der Anhang beschränkt sich auf eine Aufzählung der offiziell erschienenen Alben von Man und Deke Leonards Solo-Aktivitäten. Dieses Buch soll einfach aus dem täglichen Leben einer relativ bekannten Rockband erzählen und dabei einen Eindruck über das 'ganz normale Chaos' hinter den Kulissen berichten. Und das ist Deke Leonard hervorragend gelungen. Das Lesen dieses Buches macht wirklich richtig Spaß!
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