Marble Sheep / Message From Oarfish
Message From Oarfish Spielzeit: 44:32
Medium: CD
Label: Fünfundvierzig, 2007
Stil: Psychedelic Rock, Heavy Garage Rock


Review vom 04.03.2008


Moritz Alves
Schon im vergangenen Jahr erschien das bereits vierzehnte Album der Japaner Marble Sheep, das den Titel "Message From Oarfish" trägt. Warum es erst jetzt für eine Rezension verfügbar ist, weiß ich nicht, denn die Band ging im November und Dezember 2007 auf Clubtour durch Deutschland. Dies war die erste Konzertreise der Psychedelic Rock-Götter aus Nippon durch Europa und kann rückblickend betrachtet als voller Erfolg gewertet werden: Die Veranstaltungsorte waren bis zum Bersten gefüllt und die Band wurde frenetisch abgefeiert. Ersteres ist dabei keine Selbstverständlichkeit, denn die Locations wurden in alter Punkrock-Tradition von zwei Band-Kumpels kontaktiert und gebucht. Soweit zur jüngsten Vergangenheit.
Im Nachhinein ärgere ich mich ein wenig, dass mir das Album nicht schon im letzten Jahr vorlag, denn ich hätte wirklich gern eins der Konzerte besucht. "Message From Oarfish" ist nämlich ein richtig geiles Stück Musik! Roh und ungehobelt präsentiert sich der Fünfer auf den acht Songs, der Sound ist dreckig, laut und nur durch ein Minimum von Produktion gebändigt worden, so scheint es mir. Hier wird der Garage Rock-Aspekt noch großgeschrieben und verdammt ernst genommen. Das hier ist unzugängliche, unkommerzielle Musik, bei der mir ein wohliger Schauer nach dem anderen über den Rücken läuft. Beim Genuss des Albums fühlt man sich unweigerlich 30 bis 40 Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt, und das ist einfach nur positiv zu verstehen.
Diese Japaner sind Menschen, die zweifellos mit ganz viel Herzblut bei der Sache sind und ihren Sound und ihre Stilrichtung wirklich leben. So kommt es mir zumindest beim Hören des Albums immer wieder vor. Es ist schön, dass man solchen Krach in der heutigen kommerziell-glattgebügelten Musiklandschaft noch erleben darf.
Man nehme sich einfach mal die Zeit, den rund zwölfminütigen Opener "Tears" anzuhören. Es erwarten einen derbe Gitarrenwände und Soundorgien, dass es eine wahre Freude ist. Erst nach über vier Minuten glätten sich die Soundwogen etwas, denn ab da setzt der Gesang ein. Trotzdem geht es immer noch sehr ungehobelt weiter. Leichte Kost ist das nicht, denn die ausufernden Jam-Passagen müssen vom geneigten Hörer erst mal verarbeitet werden. Mir zumindest macht aber schon dieses erste Stück verdammt viel Spaß, auch wenn viele andere vielleicht genervt abwinken würden.
"Mana" ist mit seinen vier Minuten und elf Sekunden Spielzeit gegen diesen ersten Monstertrack erst einmal ein Kindergeburtstag. Doch der Eindruck täuscht: Die Gitarrenriffs scheppern, die Drums poltern, der abgehackte Rhythmus geht sofort ins Bein. Eine ausladende Solo-Orgie zur Mitte des Songs macht es nicht leichter für Otto-Normal-Musikhörer. Abermals verdammt geil, was Marble Sheep hier abliefern. Ich liebe diese Band schon nach nur zwei Songs.
Das darauf folgende "Raise The Dead" wird seinem Namen durch die sehr punkige Schlagseite mehr als gerecht. Fette Riffs erwarten den Hörer zu Beginn, und das Stück galoppiert auch etwas flotter vor sich hin als seine beiden Vorgänger. Abermals verstehe ich kein Wort vom Gesang, aber das macht es im Grunde genommen nur noch geiler als ohnehin schon.
Nach einem winzigen Break geht man dann auch schon quasi nahtlos zum vierten Track "Skull Cool" über. Wieder ganz großes Kino, die Punk-Einflüsse sind hier ebenfalls sehr präsent. Ein ausufernder Jam-Teil in der Mitte des Songs verleitet mich zu freudigem Entzücken. Der Bass pumpt, die Gitarren warten mit den schrägsten Klängen auf und die beiden (!) Schlagzeuger unterlegen das Ganze mit einem furiosen Rhythmus-Gewitter. Einfach herrlich! Das ist ein Schlag in die Fresse für jeden Mainstream-Hörer, ich aber lasse mich von den dargebotenen Klängen mitreißen und von der Atmosphäre treiben.
Weiter geht es auch schon mit "Egyptian Queen", denn Marble Sheep gönnen mir keine Verschnaufpausen. Ein weiteres Mal Garagenrock vom Feinsten: Schöne, derbe Gitarrenfiguren sowie Feedbackorgien im Mittelteil und gegen Ende. So soll es sein!
Erst "It's Time" lässt mich aufatmen. Denn diese zwei Minuten bestehen aus Textfetzen und minimalistischen Gitarrentönen. Das alles wird untermalt von monotonem, fast schon nervtötendem Gehämmer aus dem Off. Also war das eigentlich wieder nichts mit der Verschnaufpause... Nun ja. Dieser Song (sofern man das Wort denn dafür überhaupt verwenden kann) ist auf seine ganz eigene, seltsame Art aber richtig cool.
Es folgt mit "Savior Of The Street" das vielleicht zugänglichste Stück des Albums. Hier hat man den ganzen Krach, die ganze Ungehobeltheit zugunsten von geordneten Songstrukturen und traumhaften Gitarrenmelodien in den Hintergrund treten lassen. Hier kann man sich wirklich treiben lassen, der Song ist einfach nur schön. Glockenläuten beschließt dieses tolle Stück Musik.
Zu guter Letzt folgt mit "From The Centre" die zweitlängste Nummer der Scheibe. Marble Sheep lassen "Message From Oarfish" auf guten neuneinhalb Minuten ausklingen. Dieser Song ist teilweise wieder recht unzugänglich, hat einen unglaublich pumpenden Bass, der ein tonnenschweres Fundament legt. Die Gitarren toben sich darauf aus. Orgeln tauchen in den Strophen auf und lassen das Stück in sphärische Gefilde abdriften. Doch plötzlich wieder dieser Gitarrenkrach, wundervoll! Feedback-Solo-Orgien, großartig! Ein Schlagzeugsolo gibt es dann auch noch. Noch mal: Ich liebe diese Band!
Entzückt, aber auch ein wenig verstört, bleibe ich nach dem Fade-Out zurück und frage mich, was das denn eben alles gewesen ist. Die Stille im Zimmer kommt mir schon fast unwirklich vor. Soviel Sound habe ich da in der vergangenen Dreiviertelstunde erlebt und verarbeitet! Das Album ist definitiv keine leichte Kost, macht aber verdammt viel Spaß, wenn man es mal auf sich wirken lässt. Marble Sheep sind hypnotisch und psychedelisch, aber auch punkig und laut. Ihre Klangwände dürften im Grunde viele Musikfreunde ansprechen, kann man doch als Referenzen die legendären MC5 und die Stooges, aber auch Grateful Dead, Amon Düül sowie Hawkwind nennen.
Line-up:
Ken Matsutani (guitar, vocals)
Tak (guitar)
Rie Miyazaki (bass, chorus)
Sawada (drums)
Iwamotor (drums)
Tracklist
01:Tears (12:04)
02:Mana (4:11)
03:Raise The Dead (2:34)
04:Skull Cool (5:26)
05:Egyptian Queen (2:28)
06:It's Time (2:01)
07:Savior Of Street (6:12)
08:From The Centre (9.36)
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