Marie Deutschland / EP
EP Spielzeit: 15:31
Medium: CD (EP)
Label: Airborne Music, 2006
Stil: Deutsch Prog Rock

Review vom 30.03.2007


Norbert Neugebauer
Gute Absichten wollen wir gern unterstützen, zumal wenn sie mit der Verbreitung von selbstgemachter Musik verbunden ist. Ersteres unterstellen wir mal, Zweites liegt auf der Hand (bzw. im Player).
Marie Deutschland ist wieder aufgetaucht, ein Relikt der Neuen Deutschen Welle.
Ehrlich gesagt, ist die ziemlich an mir vorbei geschwappt, von Ideal und Spliff vielleicht mal abgesehen. Und so kann ich mich auch nicht an diese Erscheinung erinnern, obwohl zu dem schon markanten Namen eine noch wesentlich eindrucksvollere Stimme gehört. Die Infos dazu sind nicht grade üppig, aber wenn das keine ausgebildete Sängerin mit diesem Stimmvolumen ist, dann hat sie wohl eine entsprechende Karriere verpasst. Die war jedoch auch in der Popbranche schon angebrochen (Singles, LP, Fernsehauftritte), wenn ich das glauben kann, was an PR- und Fanmaterial so zu finden ist. 1984 zog sie sich jedoch zurück, weil eines ihrer fünf Kinder schwer erkrankte.
Das ist zwischenzeitlich nicht nur zu einem 27-jährigen Mann mit ebenfalls musikalischem Talent herangewachsen, es hat nun auch die Marie Deutschland in seiner Mutter (die mit ihrem Mann sehr erfolgreich Spiele designt) wiedererweckt. Zusammen mit seinem Schwager Michael Zichner, einem versierten Gitarristen, nahm sich Keyboarder Roman Rüttinger die damaligen Songs vor und spielte sie nochmals mit der Marie (eigentlich Heidemarie) ein. Dazu sind neue Titel gekommen, die das Trio gemeinsam geschrieben hat. Vater Michael Rüttinger zeichnete für die Produktion verantwortlich, Roman und Bruder (?) Elias für die Arrangements. Soweit die (schöne) Story.
Vier der upgedateten und neuen Tracks sind in einer EP ende letzten Jahres vorab erschienen. Der erste heißt "Mutter Erde", in der die damalige 'Rockhexe' schon die Umweltzerstörung beklagt hat. Immerhin vor fast einen Vierteljahrhundert! (Dass der 'Club Of Rome' bereits 1972 mit seinem Bericht "Die Grenzen des Wachstums" dringend vor den heute nicht mehr wegzudiskutierenden Katastrophen 'made by manhood' gewarnt hat, sei hier nur am Rande erwähnt.) Ob dieser Song nun als Aufhänger für die mittlerweile zur Band mutierten Marie Deutschland-PR vorangeschickt wird oder ob ein echtes Engagement damit verbunden ist, soll bei dieser Vorstellung nicht ins Gewicht fallen. Immerhin steckt dahinter kein profitorientiertes Unternehmen, sondern ein selbstverwirklichtes und -finanziertes Projekt.
Bis jetzt war's noch relativ einfach. Aber bei der Musik tu ich mir wirklich hart. Der Songvierer soll das ganze Spektrum der Band widerspiegeln. Der Abgesang "Mutter Erde" pendelt zwischen Deutschrock und Prog, inmitten der üppigen Instrumentierung mit Rockband, Streichern und elektronischen Sounds erhebt sich klagend die schöne Stimme Maries. Ein ambitioniertes Mini-Epos, das seinen Reiz hat. Die zweite Seite des selbstgesteckten Potentialquadrats beginnt ähnlich orchestral, dann setzt die Stimme ein. Aber diesmal leider nicht der 'Aha-Effekt' - Maries Organ quält sich mit rollendem 'fränkischen R' durch seinen pseudo-psychedelischen Text (verzeih mir Marie, wenn ich in meiner Beschränktheit die möglicherweise poetische Dimension nicht erkannt haben sollte…).
Das hört sich doch sehr bemüht und aufgesetzt an.
Und nun "Ave Maria" - genau, das göttliche Bach-Gounod "AVE MARIA"! Es gehört wirklich Mut dazu, das als Rockversion zu bringen. Frau Rüttinger singt es, teilweise gedoppelt, wirklich klasse, variiert von reiner Kirchenstimme zu durchaus angemessener Prog-Dramatik. Bis auf den etwas seltsam blechernen Beginn passt auch die rockige Instrumentierung mit kräftig sägender Gitarre und den sich aufbauschenden Streichern. Die gurgelnde Keyboard-Einlage wäre noch zu verschmerzen, allerdings ist das penetrant nach vorn gemischte achtziger Jahre-Schlagzeug bei diesem schönen Song nicht auszuhalten und zerdeppert die ganze Stimmung!
Der letzte kurze Track zeigt die Metal-Ambitionen der Band und die Qualitäten des Gitarristen Michael Zichner in dieser Stilrichtung. Marie klingt auch hier toll mit ihrem wortlosen Sirenengesang (und steckt damit locker das Gros der sich in dem Bereich tummelnden Klageweiber in ihre Tasche) über dem Riffgewitter, das Mozart aufmischt. Mehr davon - und lasst dafür die pupertären Deutschrock-Peinlichkeiten! Mit dem richtigen Drummer und jemand, der das vielleicht ohne Clanblick soundmäßig aktuell auf die Reihe kriegt, könnte die neue Marie aus dem oberpfälzer Parsberg durchaus zu einem Höhenflug über Deutschland ansetzen.
Tracklist
01:Mutter Erde (5:43)
02:Fantasie (4:12)
03:Ave Maria (3:36)
04:Intermezzo (1:57)
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