Marillion / Marbles
Marbles Spielzeit: 68:08
Medium: CD
Label: Intact Records, 2004
Stil: Neo-Prog, New Artrock

Review vom 16.04.2007


Ralf 'Jogi' Ruhenstroth
Kurz vor dem Release des neuen Albums "Somewhere Else" möchte ich noch einmal den letzen Studiooutput und Vorgänger "Marbles" aus der Versenkung holen. Immerhin hat es drei Jahre gedauert, bis Marillion endlich einen Nachfolger präsentieren. Dazu aber an anderer Stelle mehr.
"Marbles" ist ein Album, welches die Gemüter erhitzen kann und die Geister in Form von Marillion-Anhängern scheidet. Für die einen ist es gigantisch schön, aufregend und interessant. Die andere Fraktion beklagt das ewige Gejammer sowie Genöle von Steve Hogarth und die gähnende Langeweile, die beim Durchhören von "Marbles" an vielen Stellen aufkommt. Ich selbst habe mich schon sehr oft zu dieser Scheibe ausgelassen, möchte es der Fairness halber aber nicht versäumen, noch mal ein genaues und intensives Ohr zu riskieren. Und wir sprechen hier von der im Laden erhältlichen 'Condensed Version', denn es gibt "Marbles" auch als Doppel-CD mit 4 zusätzlichen Stücken, von denen Kritiker behaupten, dass sie essentiell sind, um das Gesamtniveau zu heben und dass sie eine Klasse für sich sind. "Ocean Cloud" wird hier als einer der Hauptaspiranten genannt. Zugegeben, ich kenne den Song und er ist wirklich nicht übel. Aber als regelrecht bahnbrechend möchte ich ihn nun auch nicht bezeichnen, von daher hat der Ottonormalverbraucher durchaus sein Recht auf Information, wenn er in den Laden geht und sich die stinknormale 'Condensed Version' kauft. Es ist an sich eine Frechheit, einen verkürzten Silberling in die Regale stellen zu lassen. Was soll das? Warum und wieso? Geldschneiderei und die Sammler anstacheln, viel Geld auszugeben? Nun gut, Fans der Band haben nicht zum ersten Mal ein neues Album von Marillion finanziert.
Eröffnet wird "Marbles" von einem echten Longplayer mit dem Namen "The Invisible Man". Erneut wird klar, dass Marillion nach dem Austausch des Sängers (Fish gegen Hogarth) zwar noch immer die eigentlichen Erfinder des Neo-Prog. sind und bleiben, aber dennoch einen anderen Stil eingeschlagen haben. Das dürfte die eingefleischten Fans auch nicht mehr verwundern, denn inzwischen gibt es genügend Alben in der Nach-Fish-Ära. So wie fast die gesamte Platte kommt dieses Stück sehr ruhig und andächtig rüber, fast schon melancholisch. Insofern kann man den Gesang von Steve Hogarth noch gut verzeihen, auch wenn er träge klingt. Es wird etwas Spannung aufgebaut (ab 2:50 min), was aber negativ angemerkt werden muss, ist die Spiellänge. Über 13 Minuten sind ohne weiteres Konzept für so eine Nummer einfach viel zu lang. Schade, denn insbesondere zu Beginn des Tracks wirken Bass und Keyboards durchaus innovativ.
Fast schon Pop mit Drums aus der Dose, so erklingt "You're Gone". Moderne Marillos, ohne Zweifel, wobei Rotherys Gitarren die Nummer in den grünen Bereich ziehen. Sonst wäre es daneben gegangen. "Angelina" ist so ein Fall, wo man ganz einfach einen Spagat machen und sich entscheiden muss. Entweder schön, eingängig und anschmiegsam oder ganz einfach schleppend, langweilig und sich in die Länge ziehend. Ich habe sehr lange gebraucht, um mich anzufreunden, muss allerdings zugeben, dass mein Entsetzen nun nach knapp 3 Jahren etwas gewichen ist. Die Nummer gefällt mir, vor allen Dingen die schwebenden Keyboards und klaren Gitarren.
"Don't Hurt Yourself" ist im Beat angesiedelt und ähnliche Stücke haben wir auch schon auf früheren Alben gehört. Mit einem absolut bodenständigen Bass von Pete Trewavas erklingt "Fantastic Place" eher traurig. Steve Rothery und Mark Kelly ergänzen sich dabei sehr schön, und so bieten Marillion hier ihre bekannten satten Melodien. Bei "Drilling Holes" macht die Band dann auch einen Abstecher in den Art Rock, ein Song, der in weiten Teilen von der Bearbeitung der Toms am Schlagzeug bestimmt wird. Keinesfalls modern, sondern eher retro und experimentell.
Für mich das Beste auf der Scheibe ist "Neverland". Sanfte Pianoklänge und ein anklagender Gesang von Steve Hogarth, tragende und schwebende Gitarren, bei denen Rothery mit seinen Soli an starke vergangene Tage anknüpfen kann. Die gesanglichen Echo-Einlagen sind in der Tat nicht originell, weisen jedoch eine steigernde Performance auf. Der Track vereint die Stärken der Band, auch wenn über die 11 Minuten ein und dasselbe Thema bearbeitet wird.
Zuletzt noch ein paar Worte zum geviertelten "Marbles", welches sich mit Kurzeinlagen über das Album verteilt. Während sich Teil 1 und 2 als vollkommen belanglose Aneinanderreihung von ruhigen Sounds darstellen, lassen die Teile 3 und 4 wenigstens ein wenig aufhorchen.
Im Ergebnis empfinde ich "Marbles" als einen Silberling mit Stärken und Schwächen. Unaufhörliche Begeisterung kommt bei mir nicht auf. Die sog. "Highlights" haben es allerdings in sich, und dadurch halte ich die Platte letztlich doch für einigermaßen gelungen.
Line-up:
Steve Hogarth (vocals)
Pete Trewavas (bass)
Steve Rothery (guitars)
Mark Kelly (keyboards)
Ian Mosley (drums)
Tracklist
01:The Invisible Man (13:37)
02:Marbles I (1:46)
03:You're Gone (6:28)
04:Angelina (7:41)
05:Marbles II (1:55)
06:Don't Hurt Yourself (5:48)
07:Fantastic Place (6:12)
08:Marbles III (1:51)
09:Drilling Holes (5:11)
10:Marbles IV (1:25)
11:Neverland (12:09)

Bonus-Track:
12:You're Gone (Single Mix) (4:00)
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