Martigan / Vision
Vision Spielzeit: 79:16
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2009
Stil: Prog Rock

Review vom 20.03.2009


Markus Kerren
Selbst wenn das Debüt "Stolzenbach" der deutschen Progressive Rock-Veteranen Martigan als Demo-CD bezeichnet wird, legt das zur Zeit Bassistenlose Quartett (Peter Kindler verließ die Band nach den Aufnahmen zum neuen Album) mit "Vision" streng genommen (neben einer Maxi-CD von 1997) bereits ihr viertes vollwertiges Album vor.
Das mag sich zwar nicht ganz so prall anhören wenn man bedenkt, dass es diese Truppe bereits seit dem Jahr 1994 gibt, aber es dürfte mittlerweile wohl auch niemandem mehr entgangen sein, dass es in der Musik-Szene schon seit vielen Jahren alles andere als einfach ist, einen vernünftigen Deal an Land zu ziehen, geschweige denn ein einigermaßen geregeltes Einkommen einzufahren, um zumindest halbwegs gut über die Runden zu kommen.
Aber das sollte jetzt nebensächlich sein, denn nach den dem Debüt folgenden "Ciel Ouvert" (1996) und "Man Of The Moment" (2002) liegt nun endlich ein neues Martigan-Studio-Album vor. Der Silberling beinhaltet acht Tracks, davon einer über der 10- und zwei weitere über der 20-Minuten-Grenze. Ein erster Punkt, der das Herz des anspruchsvollen Proggers in Freudensprünge versetzen wird. Was aber nichts wert wäre, wenn keine Qualitäts-Arbeit abgeliefert worden wäre. Eine Situation, die Martigan unter allen Umständen vermeiden wollten, was ihnen auch mehr als eindrucksvoll gelungen ist. Und das an so ziemlich allen Fronten.
Die Songs, angefangen mit dem 23:12 Minuten langen Epos "Boatman's Vision" verzaubern durch breitflächige Melodien und offene Klangbilder, die der Fantasie jede Menge Spielraum lassen, auf eine gänzlich eigene Reise zu gehen. Immer wieder glänzen 'ganz nebenbei' hervorragende solistische Einlagen aller Instrumente, vorwiegend der Gitarre (Björn Bisch) und des Keyboards (Oliver Rebhan).
Den Frontmann und Geschichten-Erzähler gibt derweil Kai Marckwordt, ebenfalls bestimmend durch starke Gesangsmelodien und jede Menge Feeling. Und auch wenn das Gründungsmitglied nicht den weit reichendsten Stimmumfang hat, so macht er dies durch seine anderweitig vorhandenen Qualitäten mehr als wett.
Mein Respekt an die Band auch deshalb, weil sie die Scheibe in Eigenregie produziert hat und sowohl Sound-mäßig, wie auch bezüglich der Arrangements einen erstklassigen Job abgeliefert hat. Die einzelnen Titel können so lang sein, wie sie wollen, sie werden nie langweilig. Im Gegenteil: Je öfter einem "Vision" das Ohr streichelt, desto mehr Geheimnisse, bzw. vorher vollkommen 'überhörte' Kleinigkeiten erreichen plötzlich das Nervenzentrum. Was als ein deutliches Qualitäts-Merkmal verbucht werden kann und außerdem für Langzeit-Wirkung spricht.
"Vision" ist ein Album, das sich zu entdecken lohnt. In der langen Zeit zwischen dem letzten Longplayer und diesem ist natürlich jede Menge neues Material entstanden und es ehrt die Band auch, die CD mit knapp 80 Minuten so voll wie nur möglich zu machen. Mir persönlich fällt es zwar eher schwer, für so lange Zeit still zu sitzen und ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, aber es muss ja nicht jeder Interessierte mit diesem, meinem 'Defizit' gestraft sein. Ich habe "Vision" wie eine Doppel-LP behandelt und mir zunächst die eine, danach die zweite Hälfte angehört.
Dass auch diese Vorgehensweise funktioniert, spricht übrigens einmal mehr für die Qualität von Martigan, bzw. ihrem Album "Vision". Die Kompositionen stammen von der kompletten Band, während die Texte ganz allein auf das Konto von Sänger Kai Marckwordt gehen. Einen oder mehrere Tracks herauszuheben, würde dem Rest des Albums unrecht tun. Dafür wirkt "Vision" viel zu geschlossen, viel zu sehr als Einheit. Wenn man nun unbedingt Querverweise verwenden wollte, dann kämen mir zuerst Genesis, Marillion oder auch Saga in den Sinn.
Als Fazit kann man sagen, dass Martigan aus Nordrhein-Westfalen mit "Vision" ein sehr starkes Prog Rock-Album vorgelegt haben, dem im Zweifelsfall eine kürzere Spielzeit besser getan hätte. Ansonsten ist alles Notwendige vorhanden. Gute Songs, tolle Gesangs wie Gitarrenmelodien, mitreißende wie schwebende Keyboard-Parts und eine tolle Rhythmus-Abteilung. Eingeweihten Prog Rock-Freunden wird "Vision" schon sehr bald kein Fremdwort mehr sein.
Line-up:
Kai Marckwordt (lead vocals, 12-string guitars, guitar - #3)
Oliver Rebhan (keyboards)
Alex Bisch (drums, vocals)
Björn Bisch (electric & acoustic guitars)
Peter Kindler (bass)

Gast:
Mirko Bäumer (additional lead & background vocals)
Tracklist
01:Boatman's Vision
02:Craze This Town
03:Snapshots
04:Touch In Time
05:A Great Concern
06:Much More
07:Red & Green
08:The Contract
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