'Musik ist Geschmacksache'... sagte Urgroßtante Henriette und schaltete den Musikantenstadl ein, oder wie oder was?
... und da wir hiermit bereits beim Thema 'extreme Musik' angekommen wären: Das passt auch prima zu dieser kleinen Saarbrücker Kapelle namens Membran. Nur, dass Membran im Gegensatz zu den Mutanten vom 'Mutantenstadl' die Freunde der Festtagsmusik gleich vorwarnen: 'Extreme Music 4 Extreme People'!
Danke für die Warnung.
Membran machen nach eigenem Bekunden ElectrOMetaLPoPRocKFucKPunKNoisE und sehen sich überdies als die Erfinder des 'Schizophonic Lifestyle'.
Was die Extremmusiker auf dieser EP als Vorgeschmack auf ihr Album auf die Lebenden loslassen, ist eine Art Alternative-punkiger Schizo Metal Core. Es wird recht übel geholzt, und Frontkeifer Freaky Jörn vollzieht dazu Keuchübungen, dass es einem den Plaque von den Zähnen schabt.
Aber wer nun denkt, dass Membran sinnfrei Dezibel machen, der staunt nicht schlecht, und das schon nach den ersten paar Takten. Denn erstens wird hier nicht blindwütig Holz gehackt, sondern es ist eine äußerst gutklassige Rhythmussektion am Werk - Feinmechaniker mit Lust auf Grobes auf Tages-Freigang von der Klapse, sozusagen. Und zweitens sind diese Nummern tatsächlich ziemlich abwechslungsreich. Sie stecken voller wandelhaftem Wahnsinn, der nur teilweise den spontanen Machenschaften diffus umherdriftender Geister zu entstammen scheint...
...nein, da steckt sogar immer wieder Struktur drin! Harte, im mittleren Tempobereich mammutös nach vorn stampfende Passagen bringen die langen, biergetränkten Haare von ihrer propellerartigen Hochgeschwindigkeitsrotation immer wieder auf Linie. Das tonnenschwer groovende Dampfgewalze kommt im Falle von "Awake" mit fast doomiger Gravitation angerumpelt, gepaart mit urigen Gesangsverzerrungen wie zu ganz frühen Black Sabbath-Zeiten. Und die Haare wedeln genüsslich zwischen Decke und Parkett, alternativ die Rasta-Locken... Membran sind da breit angelegt.
Nicht unerwähnt bleiben sollten auch das verrückte "Crack", das einen relaxt und laid-back anfixt, um dann in wütender Rage Against The Machine-Manier sehr unfreundlich zu explodieren. Und natürlich die Bandhymne "Schizophonic Lifestyle", Membrans paramusikalisches Herzstück mit garantiertem Surrealo-Horrortrip. Und die Haarpracht macht die Kreissäge...
Die Musik gewordene Unzurechnungsfähig, pardon, Unberechenbarkeit erreicht ihren irreparablen Höhepunkt mit dem Rausschmeißer "Sorry". Am Ende keift Freaky Jörn wie einer, der nicht mehr alle Blätter am Ast hat. Und dann geht der 'Butzemann' mit ihm durch, etwas alternativ angehaucht:
»Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann in unser'm Kreis herum
Ich spüre seinen Atem, ich schmecke seinen Dunst
Ich schmeck dein' Bi-Ba-Butzemann
Ich bin der Bi-Ba-Butzemann
Ich bin der Bi-Ba-Butzemann.
Sooooooooorrrrrrrrry! Fuck!«
Alles klar?!
Da sei noch erwähnt, dass es sich bei Membran zu einem erklecklichen Teil um friedliebende, wohl sozialisierte Zeitgenossen handelt, die tagsüber ganz normalen Tätigkeiten nachgehen. Was sie nachts treiben, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht entstehen da ja diese Fotos von Menschen mit Strumpfhose überm Kopf und in blutverschmierten T-Shirts (ja, mittlerweile sind Membran 'n Vierer!). Klasse Material für'n Bewerbungsgespräch oder die Vorstellung bei den Schwiegereltern.
Die extreme Musik bleibt indes Geschmacksache. Aber das ist der Musikantenstadl ja auch, nur weeeeeeesentlich langweiliger. Und da ich vor einigen Jahren bei uns im Dorf die Nachricht vom Tod einer alten Dame hörte,
die abends im Couchsessel für immer entschlief, und zwar während im Fernsehen Karl Moik lief (wahre Geschichte!!), glaube ich auch nicht, dass volkstümliches Mutantentum gesünder ist, als ElectrOMetaLPoPRocKFucKPunKNoisE. Dann also lieber Membran. Aber bitte vorher reinhören, siehe MySpace-Link.
Line-up:
'Freaky' Jörn Dreßler (vocals, guitar, samples)
Jörg Engel (bass, backing vocals)
Roland Jene (drums, sound effects)
Kris Schulte (guitar, backing vocals)
Tracklist |
01:Dirty (2:42)
02:Awake (2:27)
03:Schizophonic Lifestyle (2:32)
04:Crack (3:06)
05:Sorry (3:33)
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Externe Links:
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