Haben wir plötzlich wieder 1988 und der amerikanische Sleaze Rock geht mit seinem skandinavischen Bruder eine räudige Allianz ein?! Nein, wir schreiben natürlich das Jahr 2008 und sind somit genau zwei Dekaden später dran, was aber wiederum nichts daran ändert, dass die vier Finnen von Mind Of Doll genau obiger Beschreibung gerecht werden. Auf ihrem bärenstarken Debüt "Low Life Heroes" reichen sich nämlich härtere Hanoi Rocks, frühe Guns N' Roses und frühe Hellacopters die schmutzigen Hände, so dass dabei ein hochexplosiver, unglaublich rotzig klingender Sleaze-Mix herausgekommen ist, der so authentisch klingt, als wäre er quasi direkt den 'goldenen 80ern' entsprungen.
Es ist eine wahre Freude, den Jungs beim Zelebrieren ihrer schmierigen Musik zuzuhören: Die packenden Riffs von "Miss Pretty", "Never Rising", "No Alibi", "Sick Girl Sad Case" oder "Troublemaker" fräsen sich in Sekundenbruchteilen in die lechzenden Gehörgänge. Ab und an linst man dabei auch mal in Richtung der New York Dolls rüber, im Großen und Ganzen aber regiert schmutziger 1980er Sleaze, der direkt irgendwelchen schmuddeligen Hinterhöfen, Proberäumen und Clubs entsprungen zu sein scheint. Wie aber wäre man auch sonst legitimiert, diese bösartige Rock'n'Roll-Kollektion mit "Low Life Heroes" zu betiteln?! Diese Jungs haben Scheiße gefressen, in ihrem eigenen Schweiß gebadet und dabei trotzdem genug Blut geleckt, um der Nachwelt einen solch dreckig-enthusiatischen Silberling vor die Füße zu schmeißen.
Die Hitdichte ist groß auf dieser Scheibe, und die packenden Hooklines fliegen einem nur so um die Ohren. Bei "Miss Pretty" und "Sick Girl Sad Case" möchte man lautstark mitgrölen und die Faust in die Luft recken, "Never Rising" und "Troublemaker" verleiten zum ekstatischen Luftgitarre spielen - Herz, was willst du mehr?! Vielleicht eine todtraurige, akustische Ballade, die den finnischen Schwermut so richtig schön einfängt? Ist gebongt, denn auch damit können Mind Of Doll dienen: "Lovers", der letzte Song des Albums, ist ein solcher Melancholie-Brocken, der durchaus Querverweise zu Richard Ashcroft und The Verve zulässt. Sollte man besser nicht hören, wenn man gerade von der Freundin verlassen wurde: »I cannot hide my tears/ We were lovers once« trieft es da aus den Boxen.
Damit fällt dieses Stück natürlich voll aus dem rockenden Rahmen des restlichen Materials. Wir können aber von Glück reden, dass uns Master-Doll Visa Heionen und seine Mitstreiter dieses Juwel nicht vorenthalten haben, sondern es am Ende von "Low Life Heroes" quasi außer Konkurrenz stehen lassen.
Ach ja, darüber hinaus liegt dem mir vorliegenden Package noch das Video zu "Marks On My Face" als Extra-DVD bei, ich bezweifle aber, dass das bei der im Handel erhältlichen Ausführung auch der Fall sein wird. Jedoch sollte sich jeder dieses vor Authentizität strotzende Filmchen vorab mal auf einschlägigen Videoplattformen reinziehen, um den Appetit auf "Low Life Heroes" weiter zu steigern.
Alles in allem möchte ich Mind Of Doll jedenfalls denjenigen ans Herz legen, die bei den im Review genannten Bands feuchte Augen bekommen. Generell aber sollten Freunde von Sleaze Rock, Glam Metal und Punk'n'Roll ein Ohr riskieren und diesen Geheimtipp abgreifen, sie werden es nicht bereuen! Hier ist jeder der zehn Songs ein Treffer, so dass die knapp vierzigminütige Spielzeit leider viel schneller vorbei ist als ohnehin schon... Hoffentlich wird diesem Debüt noch eine Menge arschtretender Rock'n'Roll folgen!
Line-up:
Visa Heionen (vocals and guitar)
Sakari Virta (guitar)
Erik Lundèn (bass)
Mikko Päivinen (drums)
Tracklist |
01:Single Malt (3:31)
02:Lack Of Chance (3:08)
03:Marks On My Face (3:55)
04:Miss Pretty (4:02)
05:Never Rising (3:39)
06:No Alibi (3:44)
07:Pickin' Up Scum (3:43)
08:Sick Girl Sad Case (3:57)
09:Trouble Maker (4:40)
10:Lovers (3:56)
DVD:
Marks On My Face [Video]
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Externe Links:
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