Mindgames / MMX
MMX Spielzeit: 57:35
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2010
Stil: Neo Prog

Review vom 31.03.2010


Ingolf Schmock
Das Königreich Belgien fristete bei eingefleischten Konsumenten fortschrittlicher Klänge längere Zeit das Dasein einer kreativen Wabe in einem Elfenbeinturm, allenthalben das eines Gemischtwarenladens von geistigem Gut heimatlicher Referenzen und den klassischen Vorlagen angelsächsischer Rock-Pioniere.
Ein paar wenige von symphonischen und Hardrock-Viren befallene Formationen, wie Irish Coffee oder Machiavel hinterließen in den glorreichen Siebzigern schon ihre musikalischen Duftmarken im europäischen Rockzirkus, wenngleich sich nachahmende Kollegen doch eher avantgardistischeren Klangkompositionen als dem Mainstream zuwendeten.
Entgegen der Auffassung fortschrittliche Rockmusik verstärkt als regressiv anzusehen, kreierten seit jeher einige als 'Rock In Opposition' organisierte europäische Musiker, allen Dogmen trotzend, unbeirrt einen unvergleichlichen Klangkosmos und verliehen damit dem bisher mit gewissem Makel behafteten Prog Rock-Etikett das hoffnungsvolle Qualitätssiegel.
Die Region Flandern, insbesondere deren Hafenstadt Antwerpen, bekräftigte schon immer ihren Ruf, der konstruktiv kreative Whirlpool Belgiens zu sein, welcher sich auf musikalischem Terrain in den Neunzigern mit recht eigensinnigen und im wahrsten Sinn des Wortes fortschrittlichen Auswürfen zu behaupten vermochte. Trotz aller dort beheimateten surrealen und Beefheart'schen Klangbastler bestreiten fünf Musikerfreunde mutigst einen angepassteren Weg und vermeiden seit 1997 tunlichst, ihren britischen Idolen des tastenstarken, melodiebetonten Progressive Rocks einen verjüngenden Farbstrich aufzutragen.
Getreu dem in den Achtzigern von zwei belgischen Kunststudenten konzipierten Motto 'Pop Meets Classic' huldigen die Protagonisten eine knappe Stunde diesem und bekräftigen mit ihrer verschwenderischen Koketterie eine andauernde Liaison zwischen glatt gebügelter E- und prätentiöser U-Musik.
Dabei gehen auf Mindgamesdrittem Machwerk, mit dem einfallsreichen Titel "Römisch 2010", Plagiat und Klischeehaftigkeit Hand in Hand, wobei mikropartikelkleinste Lichtblitze recht schnell verglühen und die aufgekratzten Windeier aus Achtziger Prog-Reminiszenzen selbstredend auch nicht das Wasser von den Mühlen eifriger Kritiker leiten.
Auch wenn die beharrlich agierenden Musikrestauratoren hörbar mit Herz bei der Sache waren, wollen die stark am gefälligeren Rock ausgerichteten Kompositionen überhaupt nicht richtig zünden. Unbestritten sind die instrumentalen Fähigkeiten der Akteure über allen Zweifel erhaben, eskalieren aber des öfteren am konzeptionellen Reißbrett in einem kulminierend pompösen Fiasko. Im Ansatz bieten die sieben zum Teil ausgedehnten musikalischen Errungenschaften recht traditionelle Tasten- und Saiten-Sperenzchen, garniert mit feinjustierten schwülen Gesangslinien, die leider im Abgang der schmerzend üppigen Synthie-Sauce sauer aufstoßen lassen.
Die zweifelsohne hochtalentierten Arrangeure und ihr innerhalb von vier Jahren zusammengeklaubter Kitsch hätte zumindest durch eine ausgewogenere Abmischung der Instrumente noch Punkte sammeln und Boden wettmachen können. So tröten sich gewaltige Tasten-Fluten über auffrisierte Gitarrensoli und eine dünnwandige Rhythmussektion, wobei Benny PetaksSchlagzeugspiel beim Hörer doch eher den Anschein einer galoppierenden Blechbüchsenarmee erwecken vermag.
Zur perforierenden Ekstase führen aufblitzenderweise einige oberstufenreife Zupfduelle, nebst kontrastierenden Pianoeinsprengslern und geronnenen Gesangsmonologen in den vehement ohrwurmfördernden Melodien, bei denen man keinesfalls inflationär mit Komplexität überstrapaziert wird.
Einzig das abschließende viertelstündige "The Pendulum" und sein Konzept über die Geschichte und Zukunft der Menschheit lässt einen großformalen Duktus am Zipfel erahnen, mutiert aber stattdessen auf halbem Wege von poppiger Opulenz zu abgründiger theatralischer Langeweile und vermag nur dank seiner melodramatischen Untertöne die blankgewichsten Oberflächen geringfügig etwas aufzubrechen.
Die ansonsten fein säuberlich zusammengeschusterte Neoprog-Konfektionsware, die allseits am schmalen Produktionsbudget einer bandeigenen Haushaltskasse scheitert, kann so mit Sicherheit keinem internationalen Wettbewerb standhalten.
Dem mit Filzpantoffeln bewaffneten Genreliebhaber, der sich am häuslichen Ofen auch gern zwischendurch mit einer Kuschelrock-Silberscheibe die nötige Portion Schmalz verabreicht, kann beiBart SchramsBelgiern bedenkenlos zugreifen, alle anderen könnten sich schlechthin an der hübschen Digi-Verpackung satt sehen.
Line-up:
Benny Petak (drums, percussion)
Tom Trugers (piano, synthesizers, Hammond)
Maximilian von Wüllerstorff (bass)
Bart Schram (vocals, acoustic 12string)
Rudy Vander Veken (lead & acoustic guitar)
Tracklist
01:The Source
02:Glory Of Night
03:In My Humble Opinion…
04:Travels
05:Outside The Gloom
06:Destination Sky
07:The Pendulum
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