Die Frage ist ewig jung: Ist das Landleben Himmel oder Hölle? Auch der Moderate Pace-Frontmann, den man nur den Butcher nennt, stellt sich diese Frage und beantwortet sie salomonisch: sowohl, als auch! Ich persönlich habe da eine glasklare Position: natürlich Himmel! Während man in den Großstädten hektisch den neuesten Trends hinterher rennt und diesen rastlosen Umstand auch noch stolz 'innovativ' nennt, hält sich in der Provinz hartnäckig und stur eine wertkonservative Musikwelt, die nicht bereit ist, Bewährtes und Gutes gegen beliebige Plastik-Mucke einzutauschen. 'Pampa-Power' nennen wir Landeier das, nicht ohne ein gehöriges Maß an Stolz. Die gibt es im westlichen Hunsrück ebenso wie im Sauerland, wo Moderate Pace beheimatet sind... und wenn es einem dann doch mal zu eng wird, schwingt man sich einfach auf seinen Ofen und kehrt erfrischt von der frischen Luft und der Schönheit der Landschaft befreit nach Hause zurück.
Moderate Pace spielen genau diese eingangs beschriebene Landmucke: rauen Gitarren- und Biker-Rock. Und wenn sich doch mal Staub ansetzen will, dann wird dieser bereits im Ansatz mit ein paar satten Riffs weggefönt!
Gut und gerne zwanzig Jahre lang geht das nun schon so. Moderate Pace sind gern gesehene Gäste auf Bikertreffen - mittlerweile sogar im angrenzenden westlichen Ausland. Und die finden ja auch in den seltensten Fällen in Großstädten statt, sondern...? Eben, in der Pampa - da wo's schön ist!! Einen exzellenten Ruf als Live-Band hat sich der sauerländische Vierer im Lauf der Jahre erspielt. Dass sie es auch im Studio können, bewiesen sie mit ihrer Debüt-Scheibe, einem Eigengewächs, das 2002 erschien und überall in der Southern Rock-Szene auf offene Ohren stieß. Leider sollte es zehn Jahre dauern, bis sie nun ihr Zweitwerk vorlegen können. Das ist, "Holy Shit" betitelt, seit ein paar Tagen käuflich zu erwerben und - soviel will ich vorweg nehmen - das sollte man auch tun!!
'Heilige Scheiße', ist der Albumtitel gut gewählt! War das 2002er Debüt "Gasoline" zwar äußerst liebenswert, aber stilistisch noch nicht aus einem Guss, so zieht sich durch "Holy Shit" dagegen ein roter Faden, den man durchaus auch "Hell Yeah!" betitelt haben könnte. Switchte man seinerzeit noch munter zwischen Blues Rock, Westcoast, Country- und Southern Rock sowie gelegentlich gar 'funkigen' Passagen hin und her, so konfrontiert man jetzt den geneigten Hörer mit einer satten Breitseite voll blues-getränktem Southern Rock. Dabei bollern die Jungs nicht einfach nur daher, sondern die fünfzig Minuten sind gespickt mit allerlei Finessen, wofür nicht nur das exzellente Songwriting sorgt, sondern sicher auch Szene-Guru Martin Meinschäfer, der für die Aufnahmen, Mixing und Mastering verantwortlich zeichnet und somit seine Goldfingerchen im Spiel hatte.
Einige der neuen Songs kannte ich bereits vom Gig im vergangenen Jahr in der Frankfurter Batschkapp, wo nicht nur bei "Feel The Heat" und "Hell Riders" die Hütte brannte. Erster eröffnet mit einer laut aufheulenden Slide von Mr. Vibroking, auf die dann Butcher & Co. ein fettes Riff tapezieren. Strophe, Refrain und Bridge - hier zündelt's gewaltig und die Hitzewallungen, die der Titel versprochen hat, stellen sich postwendend ein. Sehr schön kommt auch die weibliche Stimme - von Jen Majura beigesteuert - im Refrain daher. Vielleicht sollten die Jungs überlegen, sich analog zu den Honkettes ein paar Moderettes' für die Live-Gigs zuzulegen?! Ein simpel nach vorne rockender Southern Boogie schließt sich mit "New Rock" an, bevor das vertrackt 'riffende' "Hip And Run" an mule'sche Großtaten anzuschließen vermag. "Save Me" eröffnet mit herrlich perlenden Double-Leads, die von einem mörderischen Riff aufgesogen werden. Bassist Chris M. und Drummer The Eel unterlegen Strophe und Refrain mit einem flockig-lockeren Country Rock-Rhythmus. Besser hätten das die Gesetzlosen in den Siebzigern kaum hinbekommen!
Butchers Stimme mag für den ein oder anderen vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen, wer diese ständig unter Hochspannung stehende 'Rampensau' ( Butch mag mir diesen flapsigen Ausdruck verzeihen) mal live erlebt hat, weiß, dass diese absolut zu der Mucke passt. Ich bemühe zur Verdeutlichung, was ich meine, mal den Vergleich zu Phil McCormack, der bekanntlich ebenfalls absolut authentisch rüberkommt.
Neben der ebenso druckvoll wie lässig treibenden Rhythmussektion muss natürlich die Gitarrenarbeit hervorgehoben werden. Es ist geradezu traumwandlerisch, wie sich die beiden Axtschwinger die musikalischen Bälle zuwerfen. Das funktioniert eigentlich nur dann so gut, wenn man sich verdammt gut kennt, verdammt lange zusammengespielt hat und verdammt viele Bierflaschen gemeinsam geleert hat!!
Nun folgen mit dem vertrackt rockenden "It's My World" und "Hell Riders" zwei meiner Lieblingsnummern auf "Holy Shit". Gerade letzterer sollte live eine absolute Stimmungskanone - nicht nur auf Bikertreffen (!!) - werden. Und weil's gerade so schön 'rifft', zieht "Next To You" nochmal durch die gleiche Furche, bevor es in einer formidablen Gitarrenschlacht endet. Der angedeutete Reggae-Rhythmus erinnert (mal wieder) angenehm an mule'sche 'Krautwickel'. Zwei Songs mit Hymnenpotenzial für die Southern-Szene, "We've Got To Move" und "Believers", beschließen das Album. Ersterer bringt Double-Leads, bei denen kein Auge trocken bleibt - letzterer ist nahtlos in die lange Reihe der den Southern Rock prägenden Longtracks einzusortieren. Kompositorisch wie stimmungsmäßig ganz großes Kino - am Schluss ertappt man sich verschämt dabei, wie man sein Feuerzeug zücken möchte...
Was Moderate Pace mit "Holy Shit" abliefern ist - liebevoll ausgedrückt - provinziell. Denn derart guter Southern Rock kann eben nur in der 'Pampa' entstehen. Das ist südlich der Mason-Dixon-Line nicht anders als hierzulande.
Diese Scheiblette hat nicht einen einzigen Hänger - rockt wie aus einem Guss, kompakt und abwechslungsreich. Martin Meinschäfer hat garantiert seinen Anteil daran.
"Holy Shit" ist richtig geile Party-Mucke, die süchtig auf Live-Gigs mit den Sauerländern macht. Und uns bitte nicht wieder zehn Jahre bis zum nächsten Album warten lassen, Jungs!!
Line-up:
Butcher (lead vocals, guitars)
Mr. Vibroking (guitars, vocals)
Chris M. (bass)
The Eel (drums, vocals)
Additional Musician:
Jen Majura (background vocals)
Tracklist |
01:Feel The Heat (5:10)
02:New Rock (3:24)
03:Hip And Run (4:30)
04:Save Me (4:23)
05:It's My World (5:46)
06:Hell Riders (4:40)
07:Next To You (5:19)
08:Make My Day (5:29)
09:We've Got To Move (5:37)
10:Believers (6:24)
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Externe Links:
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