Mötley Crüe / Motley Crue
Motley Crue Spielzeit: 75:48
Medium: CD
Label: Mötley Records, 2003
Original: Elektra, 1994
Stil: Hard Rock, Heavy Rock


Review vom 18.12.2008


Moritz Alves
Anfang der 1990er Jahre begann eine dunkle Zeit für Mötley Crüe. Nach ihrem kommerziell erfolgreichsten Album "Dr. Feelgood" (1989) und der Compilation "Decade Of Decadence" (1991) zerstritt sich die Band mit ihrem Sänger Vince Neil, was letztendlich zum Split der Parteien führte. Nachdem mit dem ehemaligen The-Scream-Sänger John Corabi ein Ersatz für den vakanten Posten am Mikrofon gefunden war, wurde allerdings rasch an den Aufnahmen zum neuen Album gearbeitet.
Doch der Sängerwechsel brachte weitreichende Veränderungen mit sich, offenbarte er doch ein bisher eher unbekanntes Gesicht der Band. Corabis kreativer Input ist auf "Motley Crue" an allen Ecken und Enden zu hören. Die Songs sind daher nicht zu vergleichen mit früheren Werken der Band. Aber es ist nicht nur der raue, tiefe Gesang, der auffällt. Denn generell kennzeichnen komplexe, ausladend arrangierte Stücke das Album und kreieren somit eine schwere, düstere und aggressive Atmosphäre. Ein harter Schlag für Fans der ersten Stunde, die natürlich mit weitaus eingängigerem Material gerechnet hatten.
Das Album floppte damals also, weil die alten Fans mit diesem neuen Gesicht der Band kaum noch etwas anfangen konnten. Darüber hinaus war die aufkeimende Grunge- bzw. Alternative Rock-Bewegung nicht gerade erfolgsförderlich. Doch auch bei Anhängern härterer Rock- bzw. Metal-Klänge konnten Mötley Crüe nicht zünden, weil diese auf die radikalen Image- und Soundneuerungen nicht vorbereitet waren. Somit saßen die Herren Nikki Sixx, Mick Mars und Tommy Lee mit Neuzugang Corabi ziemlich zwischen den Stühlen, was die enttäuschenden Verkaufszahlen erklärt. Denn konnte man mit "Dr. Feelgood" mehrfaches Platin sowie Platz 1 der Charts einfahren, stürzte man fünf Jahre später mit nur einer Gold-Zertifizierung vergleichsweise in kommerzielle Abgründe.
Für mich persönlich ist "Motley Crue" dennoch das stärkste, substanziellste Werk der Kalifornier. Die allesamt erstklassigen Songs zeichnen sich durch ernste, kritische Texte aus und glänzen darüber hinaus mit einer sehr amtlichen, fetten Produktion, die das Können der Musiker richtig in Szene setzt (wieder von Bob Rock, der auch schon bei "Dr. Feelgood" an den Reglern saß): Gitarren, Bass, Schlagzeug und Gesang knallen einem immer schön mit dem richtigen 'Wumms' aus den Boxen entgegen!
Die Musiker selbst hatten sich weiterentwickelt. Nirgendwo sonst kommt das Talent Tommy Lees besser zur Geltung als hier. Er spielt derartig komplexe, vertrackte, aber dennoch solide groovende Beats, die man von einem Glam Metaller in dieser Form sicherlich weniger erwartet hätte. (Dieser Mann zählt nicht umsonst zu den besten Schlagzeugern der Welt.) Ähnliches gilt für Mick Mars, der sowohl durch extrem präzise, fette Rhythmus-Gitarren als auch durch exzellentes, sehr traditionelles Solo-Spiel überzeugen kann. All dies wird von Nikki Sixx' kraftvollem Bass untermalt, der ein unerschütterliches Fundament legt. Die Musik im Allgemeinen ist dabei viel mehr im klassischen Hard Rock als im Glam Metal verwurzelt und außerdem mit dem nötigen Schuss Zeitgeist gewürzt.
Fazit: Mötley Crüe überraschten 1994 mit einem Album voller Dunkelheit, Aggression und Komplexität. Der Stilwechsel vom partytauglichen Glam Metal zu düsteren, kopflastigen Rockklängen war alles andere als leicht verdaulich für hartgesottene Fans, außerdem erschließt sich das Album dem Hörer nicht sofort nach dem ersten Durchlauf. Dennoch: Überragende Songs wie z.B. das aggressive "Power To The Music", der Kracher "Hooligan's Holiday", die komplexe und zum Nachdenken anregende Halbballade "Misunderstood", der groovende Rocker "Hammered" oder auch das melancholisch-nachdenkliche "Driftaway" sind allesamt Glanzlichter des Heavy Rock und lohnen den Kauf der Platte.
Motley Crue
Des Weiteren ist beim 2003er Re-Release die Zusammenstellung der Bonus-Tracks hervorzuheben, da hier keine Demo-Tapes ausgeschlachtet wurden, sondern bislang unveröffentlichtes ("Hypnotized", "Livin' In The Know") bzw. nur schwer erhältliches Material ("Babykills" von der "Quaternary"-EP (1994)) ausgewählt wurde. Im Übrigen schließen diese drei Stücke nahtlos an die regulären Album-Tracks an und können das hohe Niveau dieses Meisterwerks locker halten! Schade ist nur, dass kein Video mehr auf die CD gepackt wurde, denn die zu "Motley Crue" gedrehten Clips sind definitiv einen Blick wert, reflektieren sie doch gut den damaligen Imagewechsel der Band.
Anmerkung: Das Album konnte ursprünglich mit rotem oder gelbem Schriftzug erworben werden. Erst der Re-Release wartet mit einheitlich rotem Logo auf.
Line-up:
John Corabi (vocals, acoustic guitar, rhythm guitar, six-string bass)
Tommy Lee (drums, percussion, piano, background vocals)
Mick Mars (lead and rhythm guitars, six-string bass, sitar, mandolin)
Nikki Sixx (bass, piano, background vocals)
Tracklist
01:Power To The Music (5:12)
02:Uncle Jack (5:28)
03:Hooligan's Holiday (5:52)
04:Misunderstood (6:53)
05:Loveshine (2:37)
06:Poison Apples (3:41)
07:Hammered (5:16)
08:Til Death Do Us Part (6:03)
09:Welcome To The Numb (5:19)
10:Smoke The Sky (3:37)
11:Droppin' Like Flies (6:26)
12:Driftaway (4:05)
13:Hypnotized [Unreleased Track] (5:30)
14:Babykills [from "Quaternary"] (5:26)
15:Livin' In The Know [Unreleased Track] (4:23)
Externe Links: