Moriarty / The Missing Room
The Missing Room Spielzeit: 41:33
Medium: CD
Label: Air Rytmo, 2011
Stil: Alternative Music

Review vom 13.10.2011


Joachim 'Joe' Brookes
Was ist das denn? Gitarre, Klavier und Harmonika gehören ja zur Musik, wie die Butter aufs Brot. Aber bei der französisch-amerikanischen Combo Moriarty zählt auch eine Schreibmaschine zu den Instrumenten und wer weiß schon, welche Klangkörper das Quintett noch so aus dem Ärmel zaubert. Aus einer Sandkastenfreundschaft wurde um die Jahrtausendwende tatsächlich eine Musik-Kapelle.
Dass Amerikaner und Franzosen zusammen musizieren, ist zunächst ein relativ harmloser Fakt. Richtig kompliziert wird es für den Fünfer, ihre Vorlieben unter einen Hut zu bekommen. Aber der Reihe nach: Thomas Puéchavy aka Tom Moriarty sowie Arthur B. Gillette aka Arthur Moriarty mögen den Blues von Buddy Guy und Otis Spann. Rosemary Standley aka Rosemary Moriarty singt mit ihrem Vater amerikanische Folk-Songs und Stephan Zimmerli aka Zim Moriartys Vorlieben liegen bei Dvorak beziehungsweise The Cure. Charles Charnignac aka Charles Moriarty lernte auf der Gitarre das gesamte Repertoire von Philipp Glass und den Rolling Stones.
Na, dann herzlichen Glückwunsch, Leute. Trotzdem ist es der Band gelungen, höchst interessante Musik zusammenzubringen. Okay, beim ersten Hören mag das ziemlich querköpfig klingen. Aus den angegebenen Zutaten kann nie und nimmer ein wohlschmeckendes Gericht oder Kuchen entstehen. Aber die Band schafft so etwas. Tatsächlich sind die zwölf Kompositionen ("[]" mit seinen sechs Sekunden zählt für mich nicht) ein musikalischer Spagat, der für alle Beteiligten, dazu zählt auch der Hörer, ohne Verletzungen bleibt.
Bei Moriartys "The Missing Room" findet das Leben im Schwerpunkt zwischen Folk, Blues, Country, Jazz und Chanson statt. An Melodien mangelt es in diesem verquer-obskuren Spannungsfeld auf jeden Fall nicht.
Vorliegende Platte ist nicht Moriartys erste Tat. "Gee Whiz But This Is A Lonesome Town" steht bereits auf den Gruppen-Konto und in den Jahren von 2007 bis 2010 absolvierte man sage und schreibe dreihundert Shows in zwanzig Ländern.
Machen wir uns nichts vor, verschließen wir nicht unsere aufgeschlossenen Ohren vor Moriarty. Die Klangkollagen sind prätentiös. Das Kollektiv verschiebt Hörgewohnheiten in ein eigenes Parallel-Universum. Ich mag die obskure Auslegung des Blues mit seinen ganz individuellen Auswüchsen. Im Minimalismus liegt das Exzeptionelle der Gruppe. Rosemary Moriarty singt fast ausnahmslos in den höheren Lagen der Tonleiter und das passt perfekt zum erdig zusammengesetzten Gesamtsound. Das Geklimper einer Schreibmaschine konnte ich nicht entdecken.
Man nimmt es der Band nicht übel, wenn der eine oder andere Ton quer klingt. So ist das halt bei Moriarty. Bei diesem Quintett wird ein Chanson zum Blues und dann zum Großstadt-Walzer. Moriarty hat viel von diesem Tier, das ständig seine Farben wechseln kann. Nur dient so etwas auf "The Missing Room" nicht zur Tarnung. Man ist progressiv und Old School zugleich. Die Zeiger einer Uhr laufen bei der Gruppe irgendwie anders herum. Moriarty verwandelt die Tristesse in einen wunderschönen, bunten Blumenstrauß. Ein passendes Siegel für das, was in den gut einundvierzig Minuten abgeht, ist ziemlich schwer zu finden. Die Genre-Kompassnadel spielt verrückt.
"The Missing Room" ist einfach nur gut und Moriarty besetzt eine eigene Nische im Musik-Zirkus.
Line-up:
Rosemary Standley (xylophone, kazoo, vocals)
Thomas Puéchavy (harmonica, typewriter)
Arthur B. Gillette (guitars, piano, percussion)
Stephan Zimmerli (upright bass, guitar)
Charles Charnignac (Dobro, guitar, xylophone)
Tracklist
01:I Will Do (3:58)
02:Isabella (3:48)
03:Clementine (3:34)
04:Where Is The Light (3:07)
05:Beasty Jane (2:47)
06:Serial Fields (2:48)
07:How Many Tides (After Sean Sellers) (3:53)
08:[] (0:06)
09:Decaf' (4:05)
10:Julie Gold's Candy Cane Tale (4:32)
11:Mah-Jong (2:18)
12:The Dark Line In The Middle Of Hope (4:14)
13:Roboto Hoshii (2:45)
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