Morrissey / Vauxhall And I
Vauxhall And I Spielzeit: 39:44 (CD 1), 52:28 (CD 2)
Medium: Doppel-CD
Label: Parlophone, 2014 (1994)
Stil: Alternative-/Indie Rock

Review vom 30.06.2014


Wolfgang Giese
Diese nun wiederveröffentliche Platte erschien seinerzeit im März 1994. Jetzt hat man die originale CD um eine Live-CD erweitert, "Live At The Theatre Royal, Drury Lane, 1995". Die Platte erfuhr damals recht positive Resonanz, auch in den USA konnte Morrissey damit seinen bisherigen Bekanntheitsgrad ausweiten. Vielfach wurde es als Höhepunkt des Schaffens und auch als bestes Album des Künstlers angesehen. Produziert hat Steve Lillywhite. Wer sich mit diesem Mann musikalisch auskennt, wird sicher das eine oder andere für ihn Typische auf dieser Platte entdecken.
Nun, ungeachtet dessen ist die Musik dieser Platte ganz anders als auf dem Vorgänger
Your Arsenal, denn hier rockt es nicht so sehr, sondern fast durchgehend ist eine ruhige Atmosphäre angesagt oder, um es noch präziser zu formulieren: Hier ist genau jene stark ausgeprägte melancholische Stimmung vordergründig, wie man sie von The Smiths her gewohnt ist. Das soll nicht heißen, dass die elektrischen Gitarren nun schweigen, der sanftere Rock ist vorwiegend gitarrenbetont, allerdings schwelgt er in recht verträumter, wattiger Umgebung, zu der der Gesang in der typischen leicht wehmütigen Art des Protagonisten ganz wunderbar passt.
Aber völlig chartsverdächtige Popmusik mit Mainstream-Charakter ist nicht entstanden - der gewisse Hauch von alternativem Rock ist geblieben. Dieser ist aber so unendlich voller Harmonie - mit Melodien, die in diesem von entrückten Klängen angefüllten Umfeld betören. Wie immer bei Morrissey sollte man auf seine Texte achten, die mitunter recht scharfzüngig waren. Leider sind sie nicht beigefügt, sodass man sich bei Interesse im Internet entsprechend behelfen sollte. Allein bei Titeln wie "Lifeguard Sleeping, Girl Drowning" wird man neugierig, gerade ob des leicht gespenstisch wirkenden Arrangements des Stücks.
Die Songs scheinen sich nahtlos aneinander zu reihen und sorgen für Musik wie aus einem Guss. Nur gelegentlich schert sie aus, ungewöhnlich zum Beispiel, wenn bei "Speedway" ganz plötzlich eine Motorsäge angeworfen wird und zum Schluss das Schlagzeug noch einmal kräftig zum Abschied rumort. So kann ich nun auch nachvollziehen, weshalb diese Platte innerhalb des Outputs des Sängers eine derart besondere Stellung einnimmt. Denn die Musik ist wirklich sehr schön und kraftvoll im Ausdruck, emotional sehr ansprechend und bewegend.
Und nun zur Bonusplatte, deren Aufnahmen aus dem Jahr 1995 stammen und auf der fünf Aufnahmen der Studio-CD enthalten sind. Mit recht gutem Klang ausgestattet, erleben wir ein Potpourri des Schaffens des eigenwilligen Musikers - neben eigenen Titeln aus der Bandbreite seiner Karriere auch etwas von den Smiths und auch ein Cover eines sehr bekannten Standards, "Moon River" von Mercer und Mancini.
Im Gegensatz zur Musik der der Platte "Your Arsenal" beigefügten DVD ist die Musik hier weniger rau und kantig, sondern wird professioneller, geglätteter und präziser in den Arrangements geboten. Morrissey hat alles unter Kontrolle und bringt ruhige, energische und lautere Titel gleichermaßen souverän. Bei diesem Konzert bleibt es nicht bei der durchgehenden Ruhe und der geglätteten Atmosphäre der Studioplatte. Hier rockt es doch ab und zu heftig - gleich beim alten Song "London" schwingt gar ein wenig ungezügelter Punk mit, klasse! »This song it is - about - you«, so spricht Morrissey zum Schluss des Stücks oder kündigt er gar "You're The One For Me Fatty" an?
"Boxers" ist ein feines Stück Indie Pop, auf "Whatever Happens I Love You" höre ich ein Saxofon und "Why Don't You Find Out For Yourself" geht frei, locker und unbeschwert über die Bühne. So ist für Abwechslung gesorgt, besonders dann, wenn die Sieben-Minuten-Grenze mit "National Front Disco" geknackt wird und die Musik am Schluss des Songs sich von Struktur und Schema trennt. "Moon River" passt irgendwie nicht zur Stimme und mich gruselt es, ehrlich gesagt, ein wenig beim Versuch dieser Interpretation. DiesenTitel hätte ich nun gar nicht gebraucht und ich skippe weiter zum letzten Song, der mich wieder in bekannte und typische Gefilde trägt.
Zusammengefasst kann ich feststellen, dass mit diesem Konzert eine sehr gute Beigabe zur Originalplatte gelungen ist - ein Auftritt, der eine etwas andere Facette des Künstlers zeigt.
Line-up:
Morrissey (vocals)
Alain Whyte (guitars)
Boz Boorer (guitars)
Jonny Bridgwood (bass)
Woodie Taylor (drums)
Tracklist
CD 1:
01:Now My Heart Is Full
02:Spring-Heeled Jim
03:Billy Budd
04:Hold On To Your Friends
05:The More You Ignore Me the Closer I Get
06:Why Don't You Find Out For Yourself
07:I Am Hated For Loving
08:Lifeguard Sleeping, Girl Drowning
09:Used To Be A Sweet Boy
10:The Lazy Sunbathers
11:Speedway
CD 2:
01:Billy Budd
02:Have-A-Go Merchant
03:Spring-Heeled Jim
04:London
05:You're The One For Me Fatty
06:Boxers
07:Jack The Ripper
08:We'll Let You Know
09:Whatever Happens I Love You
10:Why Don't You Find Out For Yourself
11:The More You Ignore Me The Closer I Get
12:National Front Disco
13:Moon River
14:Now My Heart Is Full
Externe Links: