Moth Vellum / Same
Same Spielzeit: 57:58
Medium: CD
Label: MySonicTemple, 2008
Stil: Prog Rock


Review vom 14.08.2008


Boris Theobald
Nicht übel... Moth Vellum haben sich mit ihrem Debütalbum prompt in meine persönliche Liste der Prog Rock-Alltime-Faves bugsiert! Besonders, wenn ich sehr 'klassisch' aufgelegt bin, lege ich jetzt auch Moth Vellum auf - für mich die kalifornische Antwort auf Yes und Genesis in ihren frühen Phasen. Die vier Jungs müssen übermenschliche Kräfte besitzen, als Herrscher über Zeit (Früh-70er) und Raum (klingen sehr britisch!)...
Gleich zu Beginn des recht eingängigen und energetischen Openers "Let The Race Begin" wähne ich eine Art "Squonk II" in meinem von Retro-Klängen umschmeichelten Gehörgang. Diese scharfen Bass-Akzente und all die Klänge, die man vor 35 Jahren einer elektrischen Gitarre und einem Synthesizer zum Zwecke leichtfüßiger und in vertrackten Strukturen immer intensiver werdenden Soloduelle entlocken konnte... antiquarisch, würden die einen sagen. Sie treffen Herz und Seele ausgetüftelter progressiver Rockmusik aus kreativsten Zeiten, sage ich. Wer diese verschmäht, bitte die Platte wechseln. Wer sie mag, der wird Moth Vellum lieben!
»Melody surrounds us every moment, there's a song of silence in the air, take a while and listen for the sound, the reason to be./ Memories abound this very moment, shining like an old familiar tune, fill the world with magic meaning all for me...«
Wie schön, dass die ersten Worte genau das umschreiben, was ich bei dieser Musik fühle! Der Sonnenschein-Gesang, tänzelnd-optimistisch und irgendwie freudig erregt, der ist dann gar nicht mehr so Genesis-like. Der Stil erinnert mich eher an Yes - bei "Whalehead" gibt es sogar ein paar vergnügliche »Da-da-dap«-Zeilen, Gesang ohne Lyrics... das geht schon in Richtung Jon Anderson.
Was bei Moth Vellum sehr positiv zu Buche schlägt, sind die Spannungsbögen, die mich beim Hören intuitiv mitnehmen. Trotz zahlreicher Instrumentalpassagen verliert man sich fast nie in Dudelei zum Selbstzweck und schafft außerdem eine sehr schöne Balance aus sanften Tönen und hart rockenden Gitarren, dann natürlich mit charmant verstaubten Effekten verzerrt und eingewickelt in Mellotronklänge. Dazu gibt es, wie sich das gehört, einige feinfühlige Rhythmuswechsel. Hier muss ich allerdings sagen, dass Matt Swindells kaum eigene Akzente setzt. Das klingt alles routiniert, aber wenig auffällig für mein verwöhntes Prog-Ohr, das mehr geboten bekommen möchte als einen Mit-Spieler auf dem Drumhocker. Nun gut, was wenig auffällt, das fällt auch nicht negativ auf.
Drei Stücke machen durch Überschreiten der Zehn-Minuten-Marke auf sich aufmerksam. "Walk It Off" ist ein musikalisches Plädoyer für den nächtlichen Spaziergang bei Schlaflosigkeit. Damit meine ich zunächst einmal tatsächlich den dazugehörigen Songtext. Aber auch rein klanglich kann ich nach 11:23 Minuten sanft groovender Drives mit eingestreuten expressiven Passagen der Entzückung sehr gut nachvollziehen, welche Stimmungen den Songschreiber hier inspiriert haben.
"Against The Sun", genau eine Sekunde kürzer geraten als "Walk It Off", nimmt sich überdurchschnittlich viel Zeit. Minutenlang lässt man sich die verträumten Melodien ausbreiten und dann in floydigen Atmosphären zerfließen, bevor dann am Ende die Klangräume überraschend dicht gemacht werden. Eine vorzügliche Idee ist die variierende "Reprise" des Songs am Schluss des Albums mit einem laaaangen und sehr gefühlvollen Outrosolo.
Mein Liebling ist aber eindeutig "Salvo", eine dreizehneinhalb Minuten lange Wundertüte, die klingt, als hätte sie Peter Gabriel früher mit Genesis in einem wilden Anflug kreativer Songwriting-Wut komponiert. Die Nummer ist herrlich abgedreht. Spannende Sprech- und Flüster-Stellen, psychedelisch-spacige Gitarren, aber auch riffbetonte, rockige Passagen, verspielte Satzgesänge à la Yes... alle möglichen musikalischen Gefühlswelten, Geschwindigkeiten und Rhythmen werden eng aneinandergereiht. Etwas rhapsodisch, aber sehr packend, wenn man auf Verrücktes wie "The Lamb Lies Down On Broadway" steht.
Wenn man in Moth Vellums Debütalbum rein hört, mag man die ein oder andere Stelle nicht von anderen Proggern wie den Flower Kings unterscheiden können. Aber erstens gehen Moth Vellum noch 'klassischer', ohne Gags und Experimente zu Werke, und zweitens klingen für mich die Stimmen der beiden Leadsänger Matt Swindells und Ryan Downe ausdrucksstärker, erfrischender, sind ein starkes Markenzeichen der Band. Apropos Markenzeichen... die vier Amis treten auf der Bühne ganz in weiß auf. Und auch das peppig-coole und moderne Artwork des Albums hebt sie von der Konkurrenz ab.
Line-up:
Tom Lynham (keyboard, percussion)
Johannes Luley (guitar, background vocals)
Ryan Downe (bass, lead vocals)
Matt Swindells (drums, lead vocals)
Tracklist
01:Let The Race Begin
02:Whalehead
03:Salvo
04:Against The Suns
05:Walk It Off
06:Against The Suns (Reprise)
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