Was ist unbedingt zu beachten, wenn man am Freitag vor dem Pfingstfest plant, die Autobahn 7 oder ähnliche Highways zu benutzen? - Richtig, man sollte genügend Zeit einplanen, um sein Ziel zu erreichen, denn die unverbesserlichen Touris machen sich ja immer wieder, trotz besseren Wissens, zur gleichen Zeit auf den Weg in Richtung Küste.
Da die gestandenen RockTimes-Redakteure bekanntlicherweise nicht auf dem Baum leben, machten wir uns also eine Stunde früher auf den Weg und erreichten die Bluesgarage nach zwei kürzeren Stau-Pausen rechtzeitig zum Einlass. Sogar dreißig Minuten die Sonne an diesem herrlichen Tag genießen war vor dem Konzert noch drin.
Anders dagegen der heutige Act des Tages. Wahrscheinlich hatte sich die Verkehrslage nicht bis zu der amerikanischen Funk Rock-Band Mothers Finest herumgesprochen, denn der Tross trudelte erst gegen 19.00 Uhr in Isernhagen ein. Dumm gelaufen!
Der Abend fing ja gut an. Vor den Toren der Bluesgarage kam es zur Warteschlangenbildung, wie in der DDR vor einem Obstladen wenn frische Bananen angekommen sind. Ein hektischer Henry wuselte hin und her und packte gleich mal kräftig mit an, um die PA mit auf die Bühne zu bringen. Aber das eingespielte Team hatte die Sache gut im Griff, sodass die Gerätschaften recht schnell auf ihrem Platz standen. Allerdings ging die Verzögerung auf Kosten des Soundchecks der Band, der nur in einer Kurzfassung stattfand und sich aufs Nötigste beschränkte. Jetzt war ich doppelt gespannt darauf, wie der Sound rüber kommen würde. Konnte das überhaupt gut gehen, und wie würden die Musiker auf diesen ungewollten Stress reagieren?
Um es gleich mal vorweg zu nehmen, diese ungünstigen Ereignisse hatten keinerlei Auswirkungen auf den Gig. Im Gegenteil, Mothers Finest sind eben absolute Profis und lassen sich von solchen 'Kleinigkeiten' überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Zwar begann das Konzert knapp eine halbe Stunde später als vorgesehen, aber das tat der Bombenstimmung im Saal, die schon lange vor Beginn herrschte, keinerlei Abbruch. Die Fans waren heiß auf die Musik der Band und so mancher Zuhörer erinnerte sich wohl an den legendären Rockpalast-Auftritt von 1978, als Mothers Finest die ausverkaufte Essener Gruga Halle aufmischten (nachzulesen in dem Review des Kollegen Jürgen B. Volkmar, der die gerade erschienene DVD dieser Show besprochen hat).
Und genau diese Gedanken gingen mir durch den Kopf. Konnte die im Jahr 1975 gegründete Gruppe ihren einmaligen Mix aus Soul, Funk und hartem Rock immer noch so unnachahmlich ins Publikum feuern wie vor mehr als dreißig Jahren? Wie würden die göttliche Joyce Kennedy mit ihrer überragenden Bühnenpräsenz und ihr Partner Glenn Murdock mit seiner Soul-Röhre harmonieren? Konnten 'Wizard' Seay am Bass und 'Moses Mo' noch immer ihr Feuer verbreiten, das sie in der vergangenen Zeit auszeichnete? Und wie sind die 'Neuen' in der Band ( Joseph Williams am Schlagzeug und John Hayes als zweiter Gitarrist) ins Bandgefüge integriert? Alle diese Fragen beschäftigten mich, bevor Mothers Finest die Bühne der fast vollen Bluesgarage betraten.
Als die Band um 21.20 Uhr die Bluesgarage enterte wurde sehr schnell klar, dass diese geballte Energie, die Mothers Finest immer auszeichnete, absolut noch da ist. Schon gleich beim Opener des Sets feuerte John Hayes ein knallhartes Solo unter die Leute und gab damit schon mal die Richtung vor, in die dieser Auftritt laufen sollte. Beide Gitarristen wechselten sich bei der Gitarrenarbeit ab und hauten den Leuten ihre heftigen Gitarreneinlagen um die Ohren. Diese heftigen Attacken am Sechssaiter waren allein schon das Eintrittsgeld wert. Und wenn Mo Moses dann auch noch mit seiner unnachahmlichen Gestik und den unkontrollierbaren Bewegungen über die Bühne tobte, gab es sowieso kein Halten mehr.
Wichtiger als bei jeder anderen Band ist bei dieser Formation die Rhythmus-Abteilung. Das wurde mir an diesem Abend so richtig bewusst, denn normalerweise bin ich nicht unbedingt ein Freund der funkigen Töne. Aber wenn der Rhythmus, der gerade bei dieser Stilart eine so tragende Rolle spielt, mit einer solchen Wucht aus der Anlage gefeuert wird, dann gab es auch für mich kein Halten mehr und ich wurde von der Energie förmlich überrollt. Eigentlich hätte Drummer Joseph Williams in einer Staubwolke verschwinden müssen - so staubtrocken und präzise bearbeitete er sein Schlagzeug. Und wenn Wizard an den dicken Saiten mit einstieg, dann erbebte die Bluesgarage in ihren Grundfesten. Ganz selten habe ich so eine brachiale und mitreißende Rhythmus-Sektion erlebt, die absolut keine Gefangenen machte.
Und dann waren da ja noch die beiden Vokalisten. Glenn Murdock bewies, dass er mit seiner hervorragenden Stimme niemanden der großen Soulsänger zu fürchten hat und die Songs sehr eindringlich zu interpretieren versteht. Seine Stimmbänder strotzen nach wie vor vor lauter Ausdruckskraft und haben nichts von dem Volumen früherer Tage verloren.
Getoppt wurde er nur noch von der unvergleichlichen Joyce Kennedy, die immer noch der Blickfang jedes Mothers Finest-Konzertes ist. Allein schon die Bewegungen, mit denen dieser kleine Derwisch über die Bühne tobt, sind aller Ehren wert. Aber auch die gewaltigen Vocals machen jeden einzelnen Song zu einem wahren Hörerlebnis. Die Dame hat auch in etwas höherem Alter noch so richtig Pfeffer im Arsch.
Und wenn diese sechs hervorragenden Individualisten mit sichtlicher Spielfreude ans Werk gehen, dann kann sich der Leser sicherlich gut vorstellen, was in den 100 Minuten an diesem Freitagabend abging. Ständig wurde das Publikum zum Mitmachen und Mitsingen animiert, ja förmlich verdonnert, was der Band komischerweise auch spielend gelang. Hier wurde das Verhalten des 'zurückhaltenden Norddeutschen' mal ganz hinten angestellt, und alle Besucher (einschließlich des Rezensenten) ließen sich einfach von der Musik treiben, was auch gar nicht schwerfiel.
So erlebte die Bluesgarage ein tolles Konzert, bei dem keiner der altbewährten Hits der Vergangenheit fehlte, was aber auch nicht anders zu erwarten war, denn aktuelle Neuaufnahmen von Mothers Finest gibt es zurzeit nicht.
Line-up:
Joyce Kennedy (vocals)
Glenn Murdock (vocals)
Gary 'Mo Moses' Moore (guitar)
Jerry 'Wizard' Seay (bass, backing vocals)
John Hayes (guitar)
Joseph Williams (drums)
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