Der Hafen von Palermo im Jahre 1634: Ein Seemann wankt nach wochenlanger Tortur auf hoher See von Bord seines Schiffes. Müde und von den Strapazen gezeichnet, bahnt er sich seinen Weg durch die dunklen Gassen der im Abendlicht liegenden Hafenstadt. Auf der Suche nach der erstbesten Absteige, um die vergangenen Tage mit billigem Fusel und noch billigeren Frauen zu vergessen, kehrt er alsbald in eine üble Spelunke ein...
Beim Eintreten schlägt dem Matrosen sofort die heiße, stickige und muffige Luft ins Gesicht - es riecht nach Tabakqualm, Alkohol, Schweiß und dem Parfüm leichter Mädchen. Außerdem ist es verdammt voll an diesem Abend, weshalb er sich einen Weg durch die Menge von zwielichtigen Gestalten bahnen muss, von denen eine verbrauchter und furchteinflößender aussieht als die nächste. Erst auf seinem mühsamen Weg zur Theke fällt ihm ganz hinten in der Ecke ein trauriger Haufen von Musikern auf, die zum Tanz aufspielen. Diese Kapelle musste also die Massen angelockt haben.
Zufrieden lässt sich der Seebär einen Rum einschenken und lauscht den rauen, ungehobelten Klängen, die an sein Ohr dringen. Herrgott, diese abgewrackten Gestalten hatten es wirklich drauf, und sogar eine Frau war in ihren Reihen, die emsig einen riesigen Bass bediente! Nach einigen Takten beginnt sein Fuß ganz automatisch zu wippen, und auch sein von verfilzten Haaren bedeckter, von Wind und Wetter gezeichneter Schädel nickt anerkennend mit. Genau das hatte er jetzt gebraucht! Nach dieser harten Zeit endlich mal wieder die Seele baumeln lassen, so sollte es sein!
Also folgt Rum auf Rum und Song auf Song, bis er schließlich sturzbetrunken auf die Straße wankt und einige Meter weiter, vom Fieber gezeichnet, in der Gosse zusammenbricht. Als er völlig verkatert und um all sein Geld erleichtert am nächsten Morgen von der unbarmherzigen Sonne geweckt wird, muss er sich sofort wieder an die Musik erinnern, die er des Nachts in der Hafenkneipe gehört hatte. Müde und ausgelaugt stolpert er daraufhin zurück auf sein Schiff...
Eine solche oder ähnliche Atmosphäre vermittelt das Album "Melville" der Movie Star Junkies aus Turin, die uns einen herrlich trashigen Bastard aus Garage Punk, Blues, Surf und Swing präsentieren. Hier finden sich räudiger Gesang, giftig-fiese Orgeln und abgespielte Gitarren zu sumpfig-tanzbaren Rhythmen zusammen und kreieren somit einen unvergleichlichen Soundcocktail.
Das verhalten swingende Instrumentalstück "I'd Rather Not" (gespielt mit Dobro-Gitarre und E-Piano) könnte genau das Lied sein, das die Band spielte, als der Seemann sie in der Kneipe entdeckte. Das mit Piratenchören gespickte "Tongues Of Fire" wird dem armen Tropf morgens in der Gosse in den Ohren geklungen haben und das übrige, kaputte Liedgut wird ihm Gesellschaft geleistet haben, als er sich wieder und wieder den Rum in den Hals schüttete. Da hätten wir beispielsweise den schleppenden Opener "The Curse" oder das teilweise mit weiblichem Gesang aufgewertete "Run Away From Me", außerdem den melancholischen "Dead Love Rag", dessen Refrain sich unbarmherzig in die Gehörgänge fräst. Darüber hinaus gibt es u.a. den lauten, fies verzerrten Titeltrack oder das leichtfüßige "Your Miserable Life" zu hören, welche diese Scheibe zu einem ungeschliffenen Diamanten machen.
Anhänger von Combos wie The Birthday Party, Gun Club, Serge Gainsbourg oder auch The Scientists And The Chrome Cranks greifen hier bitte zu. Generell werden die Movie Star Junkies aber bei allen Fans trashiger Retro-Sounds punkten können.
Übrigens: Belesene Musikfreunde werden sicherlich schon beim Albumtitel "Melville" aufgehorcht haben. Und richtig, die Movie Star Junkies haben hier tatsächlich eine Art Konzeptalbum über den amerikanischen Schriftsteller Herman Melville (1819-1891) geschrieben, dessen Roman "Moby-Dick" bekanntlich zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur zählt. Somit passt also die eingangs erzählte Geschichte wirklich bestens ins Bild, da sich auch der berüchtigte Kapitän Ahab gut und gerne unter den Gästen der Spelunke hätte befinden können. (Dass dessen Schiff in Melvilles Roman an der amerikanischen Ostküste vor Anker liegt, lassen wir jetzt einfach mal unter den Tisch fallen...)
Line-up:
Stefano Isaia (vocals, organ, percussions)
Caio Montoro (drums, percussions)
Vincenzo Marando (electric, steel and dobro guitar, percussions, vocals, backing vocals)
Alberto Dutto (fuzz, slide and acoustic guitar, double bass, percussions, backing vocals)
Emanuelle Baratto (bass, organ, electric piano)
Tracklist |
01:The Curse (4:25)
02:Little Boy (2:52)
03:Lucky Horse (2:45)
04:Run Away From Me (3:45)
05:Dead Love Rag (3:04)
06:Melville (3:37)
07:Eleanor (2:34)
08:Your Miserable Life (4:00)
09:This Is Not A Light (4:26)
10:I'd Rather Not (2:17)
11:Tongues Of Fire (5:12)
12:Melville [brass version] (3:10)
|
|
Externe Links:
|